Warum Napoleon den Kreml nicht in die Luft sprengen konnte

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Die russische Armee und das Volk waren nicht die einzigen Hindernisse für Napoleons barbarische Pläne, den Kreml im von ihm verhassten Moskau zu zerstören. Auch Mutter Natur hat dabei Hand angelegt.

Kein herzliches Willkommen

Die russische Hauptstadt unterschied sich von den anderen europäischen Städte, die vom militärischen Genie Napoleon erobert wurden. Hier kamen keine Volksmassen, um die Marschkolonnen der Grande Armée zu bestaunen, und keine örtlichen Beamten eilten herbei, um ihm die symbolischen Schlüssel Moskaus zu überreichen.

Stattdessen marschierte der französische Herrscher in die leere feindliche Stadt, die bald vollständig in Flammen aufging. Als der verblüffte Napoleon sah, dass die Russen ihre eigene Stadt abbrannten, soll er gesagt haben: „Was für ein schreckliches Schauspiel! Was für ein Volk! Sie sind barbarische Skythen“.

„Napoleon in der Nähe von Moskau, wartet eine Bojaren-Abordnung“ von Wassilij Wereschtschagin

Die französische Besetzung Moskaus dauerte knapp zwei Monate und für Napoleon wurde die Lage immer schlimmer. Seine Grande Armée verwandelte sich in eine Bande von Plünderern und Räubern, außerdem näherte sich die russische Winterkälte und statt um Frieden zu bitten, hatten die verstärkten Russen gerade die Truppen des französischen Marschalls Joachim Murat südwestlich von Moskau besiegt.

Napoleon war taub für die Appelle seiner hochrangigen Offiziere, den Winter in der Stadt zu verbringen, und er beschloss, Moskau zu verlassen und mit seinen Truppen gen Westen zurückzuziehen.

Rache

Aber der französische Imperator konnte die verachtete Stadt nicht ohne ein „Abschiedsgeschenk“ verlassen. Außerdem wollte er eine Rechnung mit dem Zaren Alexander I. begleichen, der sich geweigert hatte, mit ihm zu verhandeln.

„Durch das Feuer“ von Wassilij Wereschtschagin

Am Ende beschloss er, das Herz Moskaus anzugreifen: den Kreml. „Ich habe Moskau verlassen und angeordnet, dass der Kreml in die Luft gesprengt wird“, schrieb Napoleon an seine Frau.

So ritt die Grande Armée aus Moskau heraus. Es blieben nur die Verwundeten und eine Abteilung von 8.000 Soldaten unter dem Kommando von Marschall Édouard Mortier, der mit der Sprengung des Kremls und dem Anzünden des Palastes und aller öffentlichen Gebäude beauftragt worden war.

Innerhalb von drei Tagen zwangen die Franzosen die gebliebenen Moskauer, um den Kreml herum, Schützengräben zu graben und Minen zu legen. Ein Arbeiter erinnerte sich: „Unsere Hände wollten uns nicht gehorchen. Lass sie alles zerstören, aber nicht durch unsere Hand. Es war gegen unseren Willen. Egal wie bitter es sich anfühlte, wir mussten graben. Der elende Feind stand da und wenn sie einen von uns nicht richtig graben sahen, schlugen sie ihn mit ihren Gewehrkolben. Mein Rücken ist völlig verprügelt.“

Die Stadtbewohner, die die Zerstörung ihrer Stadt nicht ertragen konnten, flohen aus Moskau und meldeten die barbarischen Pläne einer Abteilung russischer Truppen unter General Ferdinand von Wintzingerode, der in einem nahe gelegenen Dorf stationiert war. Empört sagte Wintzingerode: „Nein, Bonaparte wird Moskau nicht in die Luft jagen. Ich lasse ihn wissen, dass wenn nur eine Kirche explodiert, alle gefangenen Franzosen erhängt werden.“

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Nach dem Treffen mit dem Marschall Mortier als Waffenruhebotschafter, wurde Wintzingerode jedoch gefangen genommen und konnte nur durch ein Wunder der Hinrichtung entkommen.

Rettung

Sobald die letzten französischen Soldaten die Stadt verlassen hatten, begannen die gelegten Minen zu explodieren. „Überall waren die wilden Schreie der Menschen zu hören, die von herunterfallenden Gebäuden zermalmt wurden. Man hörte Hilferufe, aber es gab niemanden, der helfen konnte. Der Kreml wurde von einer unheilvollen Flamme beleuchtet. Explosion folgte auf Explosion, die Erde bebte ohne Ende. Als wäre es der letzte Tag der Welt“, erinnerten sich Augenzeugen.

Infolge der Explosionen wurde der Wasserzugturm zerstört. Der Nikolausturm, Petersturm, Erster Namenloser Turm wie auch ein Teil der Kremlmauer und des Arsenals wurden beschädigt . Wie durch ein Wunder blieb das höchste Gebäude in Moskau - der Glockenturm Iwan der Große -  unbeschädigt.

Die Folgen hätten viel schlimmer sein können, aber es schien, als ob die Natur selbst gegen Napoleons barbarische Pläne war. Starker Herbstregen löschte die meisten Zündschnüre, bevor die Minen explodieren konnten.

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Auch die Stadtbewohner beeilten sich, die Zünder zu löschen, ebenso die Avantgarde-Kavallerie der russischen Armee unter dem Kommando von Alexander von Benkendorf, als sie in Moskau einmarschierte.

Napoleons Plan war gescheitert. Und bevor die einst große französische Armee auf ihrem Rückzug die Westgrenze des riesigen russischen Reiches überquert hatte, waren die Moskauer schon damit beschäftigt, ihre Stadt wiederherzustellen und alle Spuren des feindlichen Überfalls zu beseitigen.

>>> Wer sonst hat Moskau außer Napoleon geplündert, verbrannt und besetzt?

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