Wie wurde Rasputin ermordet und was haben die Briten damit zu tun?

Geschichte
GEORGI MANAJEW
Grigori Rasputin, der berüchtigte „verrückte Mönch“ und enge Freund des letzten russischen Zaren und seiner Familie, wurde am 17. Dezember 1916 grausam getötet. Wer war für den Mord verantwortlich? Inwieweit kann man den Gerüchten über die Beteiligung des britischen Geheimdienstes Glauben schenken?

2004 strahlte BBC den Dokumentarfilm „Wer hat Rasputin ermordet? Die britische Verschwörung“ aus. Die Schöpfer des Films behaupteten, dass der ganze Mordplan vom britischen MI6-Geheimdienst ausgearbeitet wurde, und der britische Offizier Oswald Rayner derjenige gewesen sei, der Rasputin mit einem Webley 455-Revolver einen tödlichen Kopfschuss gab. Ist das wahr? 

Warum ist die britische Spur fragwürdig? 

Sie basiert ausschließlich auf Erinnerungen und Zeugnissen der Briten, vor allem von Sir George Buchanan, britischer Botschafter im russischen Reich in den Jahren 1910-1917. Der Zeitungsreporter Michael Smith schrieb, der Chef des britischen Geheimdienstes Mansfield Cumming habe drei seiner Agenten in Russland befohlen, Rasputin im Dezember 1916 zu eliminieren. Einer von ihnen war Oswald Rayner. Er studierte in Oxford mit Felix Jussupow, dem wahrscheinlich reichsten Mann in Russland und Ehemann von Prinzessin Irina, der einzigen Nichte von Nicholas II. Angeblich entwickelte er eine romantische Beziehung zu ihm. 

Jussupow und Rayner waren zweifellos enge Freunde. Aber die Tatsache, dass Rayner am Tag des Mordes in Sankt Petersburg zugegen war und auch am selben Abend den Tatort -  den Jussupow-Palast - besucht hatte, beweist nicht, dass er Rasputin getötet hat. 

Später, als Jussupow  schon in Europa wohnte, half ihm Rayner bei der Übersetzung seines ersten Buches über den Mord an Rasputin. Es wird gemunkelt, dass die beiden die Geschichte so gestaltet haben, dass sie ihren Bedürfnissen entspricht.

Professor Keith Jeffery von der Queen's University in Belfast, der uneingeschränkten Zugang zu den überlieferten historischen Akten des Geheimdienstes erhalten hatte, sagte, er habe keine Beweise gefunden, die die jüngsten Behauptungen über die Beteiligung von MI6 an der Ermordung von Rasputin im Jahr 1916 stützen könnten. „Wenn MI6 an der Tötung von Rasputin beteiligt gewesen wäre, hätte ich erwartet, dass ich eine Spur davon gefunden hätte“, sagte er.

Wer wollte Rasputin tot sehen und warum?

Grigori Rasputin hat sich seine Beziehung zur Familie des Zaren verdient. Den größten Einfluss hatte er dabei auf Alexandra Fjodorowna aufgrund seiner positiven Wirkung auf Zarewitsch Alexej (angeblich dank Verwendung von Hypnosetechniken), der an der Bluterkrankheit litt. Wie auch immer er es tat, er bewerkstelligte etwas, was weder Ärzte noch orthodoxe Priester tun konnten. Aber obwohl Rasputin zum inneren Kreis des Zarenhofs gehörte, hatte er mächtige Feinde.

Nach 1905-1906 schien Rasputin seine Macht „verstanden“ zu haben und begann zu predigen. Er sagte, dass die letzten Tage des Reiches kommen würden und dass die Romanow-Dynastie nur so lange am Leben bleiben würde, wie er es war. Er sagte auch voraus, dass Riesenameisen Königreiche und Städte zerstören, Schmetterlinge zu Falken werden und Bienen wie Schlangen kriechen würden. Es ist kein Scherz, das entsprach tatsächlich der Bandbreite von Rasputins „Prophezeiungen“.

Dank seiner angenommenen Heilungs- und Hypnose-Fähigkeiten hatte Rasputin einen starken Einfluss auf Zarin Alexandra Fjodorowna und dann auf den Zaren selbst. 1911 kritisierte die russisch-orthodoxe Kirche Rasputin öffentlich und das Innenministerium ordnete seine Überwachung an. Niemandem, besonders den höchsten Beamten, gefiel die Tatsache, dass irgendein Hellseher die Politik des Landes beeinflusste.

Es wurde gemunkelt (jedoch nie bewiesen), dass Rasputin den Zaren 1912 davon überzeugte, nicht in den Balkankrieg einzutreten, wodurch die Teilnahme Russlands am Ersten Weltkrieg um zwei Jahre verschoben wurde. 

1914 sprach sich Rasputin nach wie vor entschieden gegen den Krieg aus und erklärte, dies würde das Land in eine Katastrophe stürzen. Rasputins Verhalten wurde auch von den Verbündeten Russlands, insbesondere von Großbritannien, vorsichtig beobachtet. Die hatten ein klares Interesse an Russlands Teilnahme am Krieg mit Deutschland - andernfalls würde der größte Teil der deutschen Kriegsmacht auf Großbritannien entfesselt werden.

Wer hat den Mord geplant?

Es gibt viele verschiedene Erinnerungen und Berichte über den Tag des Mordes, und verschiedene Personen wurden damit in Verbindung gebracht. Bis heute stimmen die meisten russischen Historiker darin überein, dass der Mordplan von Fürst Felix Jussupow, dem rechtsradikalen Politiker und Duma-Abgeordneten Wladimir Purischkewitsch und dem Cousin des Zaren Großherzog Dmitri Pawlowitsch entworfen wurde. 

Diese Männer waren mit ziemlicher Sicherheit am Tatort anwesend. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass es noch zwei weitere Mittäter gab: Arzt Stanislaus Lasowert, der angeblich für die Vergiftung verantwortlich war, und Leutnant Sergej Suchotin. 

Wie wurde der Mord begangen?  

Noch heute gibt es mehr Fragen als Antworten. Allein Felix Jussupow änderte seine Aussagen über die Ereignisse jener Nacht fünfmal. Außerdem ist der ursprüngliche forensische Bericht der Polizei nicht erhalten geblieben. Wir haben Informationen gesammelt, um die Mordszene nachzubilden.  

Rasputin wurde in den Fürstenpalast am Fluss Moika eingeladen, angeblich unter dem Vorwand eines Treffens mit Irina, der Gemahlin von Felix Jussupow. Dort wurden ihm mit Kaliumcyanid vergiftete Kuchen und Weine angeboten. Doch aus irgendeinem Grund entfaltete das Gift seine gewünschte Wirkung nicht. „Ich habe entsetzt beobachtet“, erinnerte sich Jussupow später, „das Gift hätte sofort wirken sollen, aber zu meinem Erstaunen sprach Rasputin weiter, als wäre nichts passiert.“

Jussupow verließ den Raum für eine Weile und kehrte dann mit einer Waffe zurück. Er schoss auf Rasputin, aber nach einiger Zeit kam der Mönch wieder zu sich und griff Jussupow an. Dann kamen andere Verbündete dazu und schossen mehrmals auf Rasputin, aber er floh in den Hof, wo er verfolgt und erneut beschossen wurde, dieses Mal tödlich. Die Mörder fesselten seine Leiche und warfen sie in den Fluss, wo sie am nächsten Tag gefunden wurde. 

Welche Unstimmigkeiten gibt es in der offiziellen Version?

Forensiker fanden drei Wunden am Körper des Ermordeten, die sich alle als tödlich herausstellten: in der Leber, in der Niere und im Kopf. Es ist also nicht klar, wann genau und von wem Rasputin getötet wurde. Es ist auch höchst unwahrscheinlich, dass er rennen konnte. Normalerweise stirbt ein Mann an einer Leberwunde innerhalb von 20 Minuten.

Als die Leiche entdeckt wurde, hatte sie keinen Mantel an und war entgegen den Behauptungen der Mörder nicht gefesselt.

Welche Rolle spielte Cyanid?  

Beim Untersuchen der Leiche konnte kein Nachweis von Cyanid in Rasputins Mageninhalt festgestellt werden. Angeblich wurde Arzt Lasowert von Großherzog Dmitri Pawlowitsch angeheuert, den für Rasputin vorbereiteten Kuchen zu vergiften, doch Lasowert habe sich geweigert. Es gibt auch eine Version, dass es keinen vergifteten Kuchen oder Wein gab, und das alles aus einem bestimmten Grund von Jussupow erfunden wurde.  

Jussupow und seine Mittäter verstanden, dass der Mord an Rasputin höchstwahrscheinlich Terror auf die Familie des Zaren auslösen würde, die an Rasputins „übernatürliche“ Kräfte glaubte. Um zu beweisen, dass er eine Verkörperung des Teufels war, ein in der Hölle geborener Ketzer, verbreitete Jussupow die Geschichte, dass Rasputin selbst das Gift nicht töten konnte. Die Fähigkeit, von Gift nicht zu sterben, wurde traditionell von der Orthodoxen Kirche den Magiern zugeschrieben. So wollte Jussupow beweisen, dass Rasputin kein „heiliger Mann“ war, sondern genau das Gegenteil.

Wurde der Mord ordnungsgemäß ermittelt?

Unmittelbar nachdem Alexandra Fjodorowna von Rasputins Mord erfahren hatte, forderte sie die Hinrichtung der Mörder. Der Zar entschied jedoch anders und schickte den Großherzog Dmitri Pawlowitsch in die russischen Truppen im Iran, was ihn ironischerweise vor der Revolution rettete, und Felix Jussupow in eines seiner vielen Anwesen ins Exil.

Die Ermittlungen dauerten nur zwei Monate, bis Nikolaus II. im März 1917 abdankte - zwei Tage später befahl der Chef der Provisorischen Regierung, Alexander Kerenski, die Einstellung der Ermittlungen.

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