Tödliche Flüge: Wie zwei sowjetische Piloten mit ihren Flugzeugen Selbstmord begingen

alliesinteractive/freepik.com, Alain Durand, topwar.ru
Lange vor der Tragödie des 11. September 2001 in den USA steuerten diese beiden psychisch kranken sowjetischen Piloten ihre Maschinen in selbstmörderischer Absicht in Wohngebäude.

Die sowjetische An-2 ist eines der beliebtesten Leichtflugzeuge der Welt. Es handelt sich um ein kleines Doppeldeckerflugzeug mit nicht einklappbarem Fahrwerk. Es wird auch „Kukurusnik” genannt und hat einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde, weil es als einziges Flugzeug der Welt länger als 60 Jahre (seit 1947) produziert wurde. Gefertigt wurde es in der UdSSR, China und Polen und in ein Dutzend Länder exportiert.  

Die An-2 ist leicht zu fliegen und wegen ihrer Vielseitigkeit beliebt. Die Maschine war bei Militäraktionen im Einsatz (einschließlich des Koreakrieges 1950-1953 und des Bürgerkrieges 2011 in Libyen), wurde aber auch in Friedenszeiten gebraucht, etwa als Transportflugzeug oder in der Landwirtschaft, um Chemikalien aus der Luft zu versprühen. Die An-2 erreichte auch Ziele, wo ein größeres Flugzeug keinen Platz zum Landen gefunden hätte. 

Leider wurde die An-2 auch zweimal als Mordwaffe eingesetzt: 1972 in Woroschilowgrad (heute: Lugansk) und 1976 in Nowosibirsk. In Selbstmordabsicht steuerten die psychisch kranken Piloten ihre Maschinen in Wohngebäude. In Woroschilowgrad starb dabei nur der Pilot, in Nowosibirsk riss der Selbstmörder vier Unbeteiligte mit in den Tod. 

Fall Nr. 1: Woroschilowgrad

Am Morgen des 27. März 1972 sollte Flugzeugkapitän Timofei Schowkunow seine übliche Route von Woroschilowgrad in die Nachbarstadt Swatowo fliegen. Als er erfuhr, dass der Flug wegen der Wetterbedingungen abgesagt worden war, teilte er seinen Kollegen mit, dass er frühstücken gehe. 

Doch stattdessen nahm er die Schlüssel für ein An-2-Flugzeug, bekam die Startfreigabe von einem Mitglied der Bodencrew und startete die Motoren. Ohne Co-Pilot und ohne Freigabe des Towers hob er ab. Die Flugsicherung war noch auf der Suche nach Schowkunow, als sie die Nachricht erreichte, dass in Woroschilowgrad ein Flugzeug in ein Gebäude gestürzt sei. 

Bei dem Gebäude handelte es sich um Schowkunows Wohnhaus. Er hatte die An-2 in seine Wohnung im zweiten Stock gesteuert. „Er wollte offenbar nicht nur seinem Leben ein Ende setzen, sondern auch den Ort, an dem er unglücklich war, auslöschen”, schrieb die Zeitung „KP Ukraina”. Schowkunow wusste, dass niemand in der Wohnung war - am Tag zuvor hatte er sich mit seiner Frau gestritten, die ihn daraufhin mit dem gemeinsamen Sohn verlassen hatte. 

Es war nicht der erste Streit des Paares. Der Pilot war psychisch in einer schlechten Verfassung. „Eine psychopathische Reaktion auf familiäre Probleme hat zum Selbstmord des Piloten geführt”, heißt es im Archiv „Unfälle, Zwischenfälle und Luftkatastrophen in der UdSSR und Russland lakonisch. 

Schowkunows Frau erklärte später, dass ihr Mann zuvor mehrfach angedroht hätte, sich mit dem Flugzeug umzubringen. Vor seinen Kollegen hat er seine psychischen Probleme geschickt verbergen können – bis es zu spät war.  

Fall 2 : Nowosibirsk 

Seit 1971 litt Wladimir Serkow, ein Pilot aus Nowosibirsk, an epileptischen Anfällen. Dann stürzte er noch aus einem Bus und zog sich eine Kopfverletzung zu. Ständig hatte er Schmerzen, doch aus Angst, seine Arbeit zu verlieren, verheimlichte er dies vor den Ärzten. 

Wie Timofei Schowkunow hatte auch Wladimir Serkow familiäre Probleme. Der Pilot verhielt sich immer irrationaler und verlor oft die Beherrschung. So kompensierte er seinen Ärger über seiner Ehefrau Tatjana. Er unternahm mehrere Selbstmordversuche. Das Paar beschloss die Trennung. Tatjana zog mit dem Kind zurück zu ihren Eltern.

Am 25. September 1976 sah Serkow seine Frau mit einem Bekannten in der Nähe von Tatjanas Elternhaus. Rasend vor Eifersucht ging er auf sie los. In der Nacht fasste er einen tödlichen Plan: Nicht nur er wollte sterben, er wollte auch seine Frau, seinen Sohn und die Schwiegereltern mit in den Tod nehmen.

Er ging zum Flugplatz. Mit gefälschten Papieren gelang es ihm, mit einer fremden Maschine abzuheben. Der Fluglotse fragte ihn bald, wohin er unterwegs sei. „Sucht mich in der Stepnaja Straße Nr. 43/1. Lebewohl”, antwortete Serkow. Es war die Adresse seiner Schwiegereltern.

Serkow steuerte die Maschine zwischen den zweiten und dritten Stock in das Haus. Bei der folgenden Explosion wurde er sofort getötet. Ein verheerendes Feuer brach aus, dabei starben vier Nachbarn von Tatjanas Eltern, darunter drei kleine Kinder. Sie selbst sowie der Sohn und ihre Eltern waren nicht zu Hause gewesen.

Bis 2001 hielten die Behörden die Ereignisse dieser Nacht unter Verschluss. Und auch heute noch, reden die Bewohner des Hauses, in das das Flugzeug geflogen ist nicht gerne über den Vorfall.  

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