Alexej Leonow, der erste Spaziergänger im All, stirbt im Alter von 85 Jahren

Geschichte
OLEG JEGOROW
1965 war der Kosmonaut Alexej Leonow als erster Mensch im offenen Weltall und bewies damit einmal mehr die damalige sowjetische Vorherrschaft im Weltraumrennen.

Alexej Leonow (1934 – 2019), der sowjetischer Kosmonaut, der im Rahmen der Mission des Raumschiffs Wos’chod-2 den ersten Weltraumspaziergang in der Geschichte der Menschheit unternahm, starb am 11. Oktober 2019. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach sein Beileid aus. „Sie kannten sich gut und Putin behandelte Leonow mit großem Respekt… Er bewunderte immer Leonows Tapferkeit“, sagte der Pressesprecher des Präsidenten Dmitri Peskow.

Der 85-jährige Leonow hatte eine lange Karriere hinter sich. Von 1970 bis 1991 arbeitete er als stellvertretender Leiter des Kosmonauten-Trainingszentrums. Währenddessen nahm er 1975 am Apollo-Sojus-Test-Projekt teil, dem ersten Raumflug, den die beiden Supermächte gemeinsam mit einem amerikanischen Führungs- und Servicemodul und der sowjetischen Kapsel, die aneinander andockten, durchführten. Diesmal leitete Kommandant Leonow die sowjetische Besatzung.

Nach seiner Pensionierung 1991 arbeitete Leonow mit kommerziellen Strukturen und widmete sich der Kunst – in seinen Gemälden stellte er überwiegend den Weltraum dar. Aber in erster Linie wird er immer als der erste Mensch in Erinnerung bleiben, der im Weltraum spazieren war und zurückkehrte. Und dieser Ausflug (der später die Grundlage für das Filmdrama Die Zeit der Ersten aus dem Jahre 2017 bildete) war alles andere als einfach.

Der perfekte Kandidat

„Ein Raumflug erfordert all deine Energie, all dein Wissen, all deine Fähigkeiten“, pflegte Leonow Jahre nach seinem Abenteuer zu sagen. „Ich verbrachte nur zwölf Minuten im Weltraum. Aber jede dieser Minuten erforderte ein Jahr der Vorbereitung auf der Erde.“

Sein Weg ins All war durchaus typisch für die Sowjetunion: Geboren in der sibirischen Provinz nahe der Stadt Kemerowo (3.600 km östlich von Moskau), wurde er durch harte Arbeit zum Piloten, erfahren und mutig genug, um 1960 dem ersten sowjetischen Kosmonautenkorps beizutreten. Dort traf er auf Juri Gagarin, der ein Jahr später der erste Mensch im Orbit werden sollte.

Damals eroberte die UdSSR Schritt für Schritt den Weltraum: 1961 fand der erste bemannte Flug in den Weltraum statt (Juri Gagarin), 1963 flog die erste Frau ins All (Walentina Tereschkowa), 1964 erfolgte die erste bemannte Mission mit mehreren Kosmonauten. Der nächste Schritt bestand darin, einen Menschen in der Leere des offenen Weltraums spazieren gehen zu lassen.

„Bei dem Treffen mit den Kandidaten für den Flug erinnerte ich mich am besten an Leonow“, erzählt Boris Tschertok, ein Raketenkonstrukteur, der im sowjetischen Raumfahrtprogramm arbeitete, in seinen Memoiren Raketen und Menschen. „Er hatte etwas, das Gagarins Fähigkeiten sehr nahe kam... und sein Blick war sehr aufmerksam.“ Tschertok war nicht der einzige, der von ihm beeindruckt war und so wählten die Sowjets Leonow für den Flug aus.

Sterne und Notfälle

„Die Sterne waren zu meiner Linken und zu meiner Rechten, über mir und hinter mir“, erinnerte sich Leonow an das atemberaubende Bild, das ihm nach seinen Schritt in die Leere für den Rest seines Lebens in Erinnerung blieb. Auf dem dramatischen Flug im März 1965 war er nicht allein – das Raumschiff Wos’chod-2 wurde von seinem Kosmonautenkollegen Pawel Beljajew gesteuert, zu dessen Aufgaben unter anderem gehörte, Leonow zu helfen, zum Raumschiff zurückzukehren, wenn etwas schief laufen sollte.

Sie haben es geschafft! Da es unmöglich war, die Bedingungen des Weltraums auf der Erde vollständig zu simulieren, schwebte Leonow während der zwölf Minuten in der Nähe des Raumschiffes, mit dem er mit einem 5,3 Meter langen Seil verbunden war, und sein Raumanzug begann sich aufzublähen, wodurch seine Bewegungen langsamer wurden. Mit dem aufgeblasenen Raumanzug schaffte es Leonow kaum zurück zur Raumkapsel. Er bewegte sich sehr langsam und hatte mit der enormen Belastung zu kämpfen. Die Gefahr, im Weltraum zurückzubleiben, waren sehr real.

„[Nachdem ich wieder in das Raumschiff zurückgekehrt war], nahm ich meinen Helm ab und versuchte, meine Augen vom Schweiß zu trocknen, aber ich schaffte es nicht – es war, als ob mir jemand Wasser auf den Kopf goss“, erinnerte sich Leonow. Das Abenteuer der beiden Kosmonauten war jedoch noch nicht überstanden: Das automatische Landungssystem fiel aus, so dass sie per Hand landen mussten. Um einer Beschädigung durch Gegenstände auf dem Boden zu entkommen, steuerte Beljajew das Raumschiff in den Nordural, wo sie mit einem Fallschirm absprangen.

Der lange Weg nach Hause

Aufgrund der defekten Kommunikationssysteme (was später als großer Misserfolg anerkannt wurden) mussten die Kosmonauten zwei Tage lang im Wald, Hunderte Kilometer von der nächsten Stadt entfernt, überleben. „Wir saßen zwei Tage lang in unseren Raumanzügen fest, wir hatten ja keine andere Kleidung dabei“, sagte Leonow. Schließlich wurden sie gerettet und nach Moskau gebracht.

„Wir hätten während unserer Mission drei- bis viermal sterben können“, zog Leonow später das Fazit. Aber er führte (im Gegensatz zu Pawel Beljajew, der 1970 im Alter von gerade einmal 40 Jahren starb) ein langes und erfülltes Leben und überlebte das Land, das ihn zu den Sternen führte. Sein ganzes Leben lang erinnerte er sich an diese zwölf Minuten im Weltraum und tat alles, was er konnte, um die Menschheit dem Universum näher zu bringen.

>>> Warum die Sowjetunion ausländische Kosmonauten in den Weltraum schickte

>>> Rituale, Traditionen, Aberglaube: Was Sie noch nicht über die russische Raumfahrt wussten