Leon Theremin trennte meist strikt zwischen seinen beiden Leidenschaften Physik und Musik. Doch einmal, als er auf Anweisung eines physikalischen Labors ein Gerät zur Gasuntersuchung entwickeln sollte, machte er eine Entdeckung. Wenn die Hände des Forschers sich in der Nähe des Gerätes befanden, erzeugte es Töne.
Theremin probierte aus, ob er damit vielleicht eine Melodie spielen (rus) konnte. Und schon ein Jahr später erhielt Waldimir Lenin im Kreml seinen ersten Theremin, ein berührungsloses Musikinstrument.
Physik und Musik
Seit seiner Kindheit spielte Leon Theremin Klavier und Cello und war fasziniert von der Physik - seine Eltern richteten sogar ein Heimlabor für ihn ein. Er war ein brillanter Student und trat gleichzeitig in das Konservatorium und die Fakultät für Physik und Mathematik der Universität ein.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Theremin auf eine Militärakademie geschickt, wo er Radio- und Elektrotechnik studierte. An die Front musste er nie. Er sympathisierte mit den Bolschewiken und richtete ihnen Funktechnik ein.
In einem Interview (rus) erzählte er, wie er mit Kollegen „Radio 1“ gegründet habe.
Der Physiker Abram Joffe holte Theremin in ein ziviles Labor und beauftragte ihn, die Eigenschaften von Gasen zu untersuchen. Theremin entwarf dazu ein Messgerät, das der Vorläufer des Theremin werden sollte.
Die erste elektronische Musik
„Ich wollte ein Instrument entwerfen, das Klang ohne mechanische Energie erzeugen kann, wie ein Orchesterdirigent”, sagte Theremin 1989 in einem Interview (eng) mit französischen Journalisten. Keines der vorhandenen mechanischen Instrumente befriedigte ihn. Er betrachtete sie als „aus physikalischer Sicht nicht perfekt”. So schuf er das weltweit erste elektronische Musikinstrument.
1922 lud Wladimir Lenin Theremin in den Kreml ein, um seine Erfindung vorzuführen. Lenin spielte auf dem Theremin Michail Glinkas „Die Lerche”.
Die ersten Alarmsysteme
Neben dem Instrument zeigte der Physiker Lenin eine weitere seiner Erfindungen - eine Alarmanlage. Lenin war beeindruckt und befahl, diese zum Schutz des Kremls zu installieren. Doch Lenin starb bald darauf und der Plan wurde nicht realisiert.
1926 erfand Theremin einen Prototyp des Fernsehers - bewegte Objekte wurden auf einer großen Leinwand abgebildet. Die obersten Köpfe der Roten Armee zeigten großes Interesse an der Erfindung und hielten sie sofort unter Verschluss. Daher kam das Gerät bei der Armee nie wirklich zum Einsatz. So erging es vielen sowjetischen Erfindungen.
Leben in den USA: Musik und ein wenig Spionage
1928 wurde er mit seinem Theremin in die USA eingeladen. Die sowjetischen Behörden erlaubten ihm die Reise, verlangten jedoch von Theremin besondere Geheimdienstaufgaben zu erledigen.
„Um die Möglichkeit zu haben, die Geräte vorzuführen und auf anderen Gebieten zu forschen, wurde für mich im Zentrum von New York ein großes, etwa sieben Stockwerke hohes Gebäude angemietet”, erinnerte sich Theremin. Albert Einstein besuchte ihn dort.
Das berühmte Genie war sehr interessiert an der Interaktion von Musik und geometrischen Figuren.
1931 entwarf Theremin das Rhythmikon, ebenfalls ein elektronisches Musikinstrument, das Töne durch Lichteinfall auf eine Lochscheibe erzeugen konnte. Der sowjetische Erfinder ließ sich in den USA seinen Theremin patentieren und verkaufte eine Lizenz an die Radio Corporation of America, aber das komplexe Gerät hatte keinen großen kommerziellen Erfolg.
Theremins andere Erfindungen waren dagegen gefragt. Die Strafanstalten Alcatraz und Sing-Sing kauften seine Alarmanlagen und Metalldetektoren. Theremin erfand auch bewegungsempfindliche Sensoren zur automatischen Türöffnung.
Rückkehr in die UdSSR und Gefängnis
Nach zehn Jahren in den USA kehrte Theremin auf dem Höhepunkt des Großen Terrors zurück. Er sagte in einem Interview, dass er freiwillig zurückgekommen sei, doch Gerüchte behaupten das Gegenteil. Er sei gezwungen worden, weil er in den USA eine afroamerikanische Tänzerin geheiratet hatte.
1939 wurde Theremin verhaftet und zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Der Erfinder verbrachte etwa ein Jahr im Gefangenenlager in Kolyma, wurde jedoch bald von den sowjetischen Behörden in das Konstruktionsbüro TsKB 29 für gefangene Forscher in Moskau verlegt. Dort arbeiteten auch der Flugzeugkonstrukteur Andrei Tupolew und der zukünftige Raketeningenieur Sergei Koroljow.
Theremin baute Abhörgeräte für die sowjetischen Sonderdienste. Zum Beispiel wurde eine von ihm konstruierte Wanze in das Große Siegel der USA eingebaut, das die UdSSR dem amerikanischen Botschafter überreichte. Das Gerät wurde erst sieben Jahre später entdeckt. (Jetzt wird die Abhörwanze im National Cryptologic Museum der US National Security Agency aufbewahrt.)
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Leben nach Stalin
1947 wurde Theremin freigelassen und rehabilitiert. Er arbeitete weiterhin als Konstrukteur und unterrichtete zugleich am Konservatorium. Doch in den 1970er Jahren interessierte sich niemand für seine Ideen.
Lidia Kawina, eine Verwandte, erinnert sich, dass er traurig und verärgert darüber war: „Die Redaktionen von Zeitschriften, denen er seine Artikel schickte, nahmen ihn nicht ernst. Im wenig fortschrittlichen Umfeld der Sowjetunion erzeugten seine Ideen für blickgesteuerte Sensoren, langlebige Produkte und Mikroskope nur sarkastische Bemerkungen.”
Jetzt führt der Urenkel des Erfinders, Peter Theremin, die Familientradition weiter. Er ist einer der führenden Performer und Lehrer für das Theremin. Er leitet auch die russische Theremin-Schule.