Rasputin: War er der heimliche Geliebte der russischen Kaiserin Alexandra?

Geschichte
GEORGI MANAJEW
Das angebliche Verhältnis zwischen Grigori Rasputin und Kaiserin Alexandra Fjodorowna, der Frau von Nikolaus II., hat es nie gegeben.

Grigori Rasputin (1869-1916) war eine umstrittene Persönlichkeit am russischen kaiserlichen Hof des frühen 20. Jahrhunderts. Er war sicherlich kein Heiliger oder gar ein tugendhafter Mensch. Dennoch wurde er zu einem Vertrauten der Zarenfamilie. Das war dem Umstand zu verdanken, dass er wusste, wie mit der Hämophilie-Erkrankung des Zarewitsch Alexei Nikolajewitsch umzugehen war. 

Hat Rasputin Zarewitsch Alexei geheilt? 

Als Kaiserin Alexandra Fjodorowna Rasputin zum ersten Mal begegnete, wusste sie bereits, dass die medizinische Wissenschaft der damaligen Zeit noch kein Heilmittel gegen Hämophilie kannte, der Krankheit, an der ihr Sohn Alexei litt.  Also war sie bereit, alles zu versuchen, was dem Jungen helfen konnte, der bei jeder kleinsten Verletzung zu verbluten drohte. 

Rasputins Fähigkeiten als Heiler wurden von so vielen Zeitgenossen bestätigt, dass es schwer war, daran zu zweifeln. Selbst skeptische Persönlichkeiten wie Pawel Kurlow, der stellvertretende Innenminister von 1909 bis 1911, schrieb: „Rasputin hatte zweifellos die Fähigkeit, [Menschen] zu beruhigen, und hatte auch einen positiven Einfluss auf die Krankheit des minderjährigen Thronerben.“ Michail Rodsjanko, Vorsitzender der Staatsduma, schrieb: „Rasputin hatte hypnotische Fähigkeiten. Er muss für die Wissenschaft sehr interessant gewesen sein.“ 

Im Sommer 1907 half Rasputin dem dreijährigen Erben erstmals, eine Blutung zu stoppen. Der Mönch stand lediglich am Fußende des Kinderbettchens und betete. Die Blutungen hörten auf. Anschließend wurde Rasputin regelmäßig zu Hilfe gerufen, auch im Jahr 1912, als er auf die Halbinsel Krim beordert wurde. Der Zarewitsch hatte eine Nierenblutung erlitten. 

Welches Verhältnis hatten Rasputin und die Kaiserin Alexandra zueinander? 

Kaiserin Alexandra Fjodorowna litt unter Migräne und Herzkrämpfen. Viele Ärzte rieten ihr, sich vor allem um ihre Nerven zu kümmern. Rasputin hatte das Talent, die Zarin zu beruhigen, ebenso wie ihren Sohn, den Thronerben.

Alexandra Fjodorowna und Kaiser Nikolaus II. hatten eine lange, innige Beziehung. Sie schrieben sich regelmäßig, sorgten sich sehr um den kranken Sohn und verbrachten so viel Zeit miteinander wie möglich. Dennoch hatte Alexandra auch tiefe Gefühle für Rasputin.

„Wie müde ich ohne dich bin. Meine Seele findet nur Ruhe, wenn Du, der Lehrer, neben mir sitzt. Ich küsse deine Hände und lehne meinen Kopf an Deine wohltuenden Schultern. Oh, wie einfach ist es dann für mich. Dann wünsche ich mir dennoch zu schlafen, für immer an Deiner Schulter, in deinen Armen zu schlafen.“ Dies sind verbriefte Worte der Kaiserin Alexandra an Grigori Rasputin, aufgrund derer man ihr eine sexuelle Beziehung zu ihm unterstellte. 

Wie ist das Gerücht entstanden? 

Rasputin selbst hat zur Verbreitung beigetragen, in dem er die Briefe, die ihm die Kaiserin geschickt hatte, mit einem Freund geteilt hat. Die Briefe stammten aus den Jahren 1909 und 1910. Rasputin zeigte sie einer zwielichtigen Person namens Sergej Trufanow oder auch Priestermönch Iliodor.

Iliodor lernte Rasputin 1904 kennen und wurde sein Schüler. Er predigte geradezu manisch und ernannte sich selbst zum Wunderheiler. Er nutzte Rasputins Verbindungen, um sich gegen die russische Heilige Synode zu verteidigen, die gegen die von ihm organisierten Massenveranstaltungen, auf denen er predigte, war.

1912 gerieten Iliodor und Rasputin heftig aneinander und Rasputin entzog dem Priestermönch die Unterstützung. Dieser wurde zur inneren Einkehr ins Kloster Florischewa Pustin gebracht, wo er das Buch „Der heilige Kobold“ verfasste, eine Schmähschrift gegen Rasputin. Er veröffentlichte zudem den Brief der Kaiserin, dessen Inhalt sich rasend schnell verbreitete.  Ein jeder war überzeugt, die Kaiserin hätte mit Rasputin geschlafen, da sie etwas von „Hände küssen“ geschrieben hatte.  

Hat es diesen Brief wirklich gegeben? 

Obwohl viele den Romanows wohlmeinend gegenübersehende Historiker argumentieren, dass Iliodor den Brief nur erfunden habe, beweisen viele Quellen das Gegenteil. Nachdem Chinija Gussewa, eine Kleinbürgerin, 1914 versucht hatte, Rasputin zu ermorden, sagte er aus, dass Iljodor 1910 einige Briefe der Kaiserin an ihn aus seinem Haus in Sibirien gestohlen habe, als Iliodor zu Gast war.

Wladimir Kokowzow, Premierminister von 1911 bis 1914, schrieb, dass Alexander Makarow, der Innenminister, die Originalbriefe an Kaiser Nikolaus II. übergab, der erzürnt war, als er die Handschrift seiner Frau erkannte. Bald darauf wurde Makarow entlassen. 

Obwohl die Briefe nun zurückgegeben worden waren, waren Rasputin und die Zarin das Klatschthema Nummer 1 in Russland. 

An Verkaufsständen im ganzen Land wurde ein Foto von Rasputin und Kindern verkauft, dass jedoch gar nicht Rasputin zeigte. Was heute so offensichtlich ist, konnten die Russen der damaligen Zeit nicht so einfach erkennen.  

Ein weiteres Foto zeigt Rasputin und seine Anhänger, darunter eine Dame, Anna Wyrubowa, eine Freundin der Kaiserin, und Rasputins Schülerin Maria Golowina (links von Rasputin sitzend). Die Russen kauften Abzüge dieses Fotos und hielten Golowina irrtümlich für die Kaiserin. Die Unwissenheit trug also nur noch mehr zum Mythos bei.

Wie wahrscheinlich ist eine Affäre zwischen Rasputin und Kaiserin Alexandra? 

Für Alexandra Fjodorowna war Grigori Rasputin definitiv ein Geistheiliger, ein „heiliger alter Mann“, obwohl er kaum drei Jahre älter war als sie. Sie vertraute ihm und verließ sich auf seine Hilfe, aber für die russische Kaiserin war er schlussendlich nicht mehr als nur ein Muschik, ein einfacher Bauer, freilich einer, dem sie heilende Kräfte zuschrieb.  

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