Wahr oder falsch? Was ist dran am legendären Sexhunger von Katharina der Großen?

Geschichte
GEORGI MANAJEW
Über Katharina II. kursieren viele schlüpfrige Geschichten. Wie viel Wahrheit steckt darin?

Lassen Sie uns eines klarstellen: Katharina die Große hatte wirklich mehr offizielle und inoffizielle Favoriten - intime Gefährten, die oft auch Einfluss auf die Politik nahmen - als jeder andere russische Monarch. Ihre Regierungszeit war die Blütezeit der Günstlinge. 

Ihre Favoriten nutzten ihre Position, um Gelder zu kontrollieren - zum Beispiel die Steuer auf Wein. Die Protegierten erhielten ohne besondere Qualifikation zivile Posten und militärische Auszeichnungen. Und verprassten das Staatsbudget. 

Elf von Katharinas Günstlingen erleichterten sie um insgesamt etwa 93 Millionen Rubel. Diese gingen für wertvolle Geschenke und finanzielle Unterstützung drauf. 1796 betrug das jährliche Steuereinkommen des Russischen Reiches weniger als 50 Millionen Rubel. So viel kosteten aber auch Katharinas Favoriten und das war der große Nachteil an ihrer Leidenschaft für Liebschaften.

Dennoch ließen sich manche Historiker nicht nur über die finanziellen Folgen aus, sondern vor allem über das Sexualleben der Kaiserin. Es existieren viele Schlafzimmergeschichten, teils recht unappetitlich. Doch war der Sexhunger von Katharina wirklich so unersättlich? 

Schlafzimmergeschichten

Eines der hässlichsten Gerüchte besagt, dass Katharina die Große nach Sex mit einem Hengst an inneren Blutungen gestorben sei. Was natürlich unvorstellbar ist. Katharina die Große starb in ihrem Waschraum. Wahrscheinlich erlitt sie einen Schlaganfall und infolgedessen teilweise Lähmungen. 

Doch woher stammt dieses Gerücht? Ein polnischer Pseudohistoriker, Kazimierz Waliszewski (1849-1935), der hauptsächlich über die russische Geschichte schrieb, behauptete diese Ungeheuerlichkeit in seinem im Jahr 1900 veröffentlichten Buch „Die Romanze einer Kaiserin: Katharina II. von Russland“. Im 18. Jahrhundert hätte niemand etwas Derartiges schreiben dürfen. 

Eine andere Geschichte rankt sich um ein angebliches Privatgemach der Kaiserin, in dem sich Katharina mit ihrem letzten Favoriten, dem 22-jährigen Platon Subow, angeblich traf. Die Möbel in diesem Raum sollen mit männlichen und weiblichen Genitalien verziert gewesen sein. Ein Tisch, der angeblich aus diesem Raum stammt, wurde 2017 bei Sotheby's verkauft. Es gibt jedoch keine Beweise für die tatsächliche Existenz dieses Privatgemachs. 

Warum verstanden sich Katharina die Große und ihr Gemahl Peter III. nicht? 

Der russische Historiker Konstantin Pisarenko schreibt, als die damals 16-jährige Sophie von Anhalt-Zerbst (später Katharina II. von Russland) mit dem russischen Thronerben Peter Fjodorowitsch verlobt wurde, sei sie noch sehr verspielt und etwas oberflächlich gewesen. Sie liebte es, zu feiern und hoffte, dass ihr Leben in Russland als Großherzogin Katharina großartig werden würde. 

Doch Peter behandelte sie mehr wie eine Schwester. Er weigerte sich, Zeit mit ihr zu verbringen und spielte lieber mit Spielzeugsoldaten in seinen Gemächern. Gleichzeitig flirtete er ganz offen mit den Hofdamen. 

Noch vor der offiziellen Hochzeit erkrankte Peter an Masern, was ihn nach Katharinas eigenen Worten „schrecklich“ aussehen ließ. Katharina empfand nur noch Ekel beim Anblick ihres arroganten und merkwürdigen Gemahlen. 

Doch Peter hatte seine Gründe für seine Art. Als er elf Jahre alt war, starb sein Vater Karl Friedrich, Herzog von Holstein-Gottorf und Peter wurde in der deutschen Provinz im lieblosen Haushalt von Adolf Friedrich erzogen, der zum Verwalter des Hauses Holstein-Gottorf ernannt worden war, solange Peter nicht alt genug war. 

Geiz beherrschte Peters Kindheit. Er wurde von Tutoren erzogen, Militärs, die Peter oft schlugen und erniedrigten. Die sadistischen Tutoren peitschten ihn zum Beispiel nackt und öffentlich aus. Das alles hat Peter offensichtlich geprägt und zu einem unsicheren Erwachsenen gemacht. So liebte er zwar Militärübungen. Er marschierte gerne und spielte mit Waffen, doch beim Knall einer abgefeuerten Kanone erzitterte er selbst noch als Kaiser.  

Es gibt Berichte, dass Großherzog Peter in der Hochzeitsnacht am 22. August 1745 keinen Sex mit seiner Frau hatte, was Katharina angeblich tief getroffen und zum moralischen Verfall geführt habe. 

Für Peters Abweisung werden verschiedene Gründe vermutet: zum Beispiel eine Vorhautverengung, unter der er angeblich litt, oder Impotenz infolge seiner Masernerkrankung. Wie auch immer, dieser Zustand setzte sich fort. 

Katharina hatte nach 1752 mit Sergei Saltykow, einem entfernten aristokratischen Verwandten, ihren ersten „offiziellen“ Favoriten. Die Historikerin Olga Jelisejewa meint, dass Kaiserin Elisabeth von Russland persönlich entschieden hatte, Saltykow zu Katharinas Liebhaber zu ernennen, für den Fall, dass Peter tatsächlich unfruchtbar wäre. 

Doch nach einer Operation zeugte Peter mit Katharina Pawel, der 1754 geboren wurde. Peters Zeugungsfähigkeit hatte leider keinen positiven Einfluss auf sein Verhältnis zu Katharina. Sie führten weiter kein herkömmliches Eheleben. 

Wahrheiten über Katharinas Privatleben 

Um die Mitte der 1750er Jahre begann Katharina regelmäßig außereheliche Affären zu pflegen. Sie nannte es später in ihren Briefen an Grigori Potjomkin, ihren wichtigsten Vertrauten und Liebhaber, ein „Laster“. 1774 schrieb sie: „Gott weiß, dass es nicht an Unmoral liegt… aber wenn ich in meiner Jugend nur einen Ehemann gehabt hätte, den ich hätte lieben können, würde ich niemals [meine Einstellung] zu ihm ändern. Aber mein Herz konnte keine Stunde ohne Liebe ruhen…“ 

Katharina hatte mehr als 21 Favoriten. Grigori Potjomkin, der von 1774-1776 diese Position innehatte, war der vertrauenswürdigste von allen. 1775 hielten sie sogar eine geheime Hochzeitszeremonie ab. Katharina respektierte Potjomkin als starken militärischen und politischen Führer und sie hielten auch noch Kontakt nach dem offiziellen Ende ihrer Beziehung (Berichten zufolge sollen die beiden ihre sexuelle Affäre bis zu Potjomkins Tod weitergeführt haben). Ab 1776 wählte Potjomkin Katharinas Günstlinge aus, die oft seine Interessen bei der Kaiserin vertraten. 

Es ist wahrscheinlich wahr, dass Katharina einige ihrer potenziellen Favoriten von ihren Hofdamen „testen“ ließ, wie es in der HBO-Serie „Katharina die Große“ auch dargestellt wird. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass Katharina an Orgien beteiligt war. Es gab immerhin eine unüberbrückbare Kluft zwischen der Kaiserin und allen anderen.

Abgesehen von Pawel hatte Katharina noch mehr Kinder. Anna, geboren 1757, wurde von Peter III. zwar offiziell als sein Kind anerkannt, doch er bezweifelte offen seine Vaterschaft. Anna lebte nur zwei Jahre. Stanisław August Poniatowski (1732-1798), später König von Polen, war höchstwahrscheinlich ihr Vater. 

Alexei Bobrinski (1762-1813) war Katharinas Sohn aus der Affäre mit Grigori Orlow. Er wurde heimlich geboren und Katharinas Kammerzofe Schkurin zur Erziehung anvertraut. Mit 18 Jahren wurde Alexei für vier Jahre ins Ausland geschickt und erhielt anschließend Land in Russland. Später wurde er ein Wissenschaftler und reiste viel. 

Es gab angeblich noch mindestens vier weitere Kinder (alles Mädchen), doch es gibt keine ausreichenden Beweise, dieses Gerücht zu bestätigen oder zu widerlegen. 

>>> Warum Katharina II. die Große genannt wird

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