„Ich bin eine russische Patriotin mit einem deutschen Kopf”, sagt Helen Mirrens Katharina II. in der dritten Folge. Diese Worte könnte Jekaterina Andrejewa oder vielmehr Sophie von Anhalt-Zerbst, wie sie ursprünglich hieß, tatsächlich gesagt haben. Die drei Hauptrollen, Katharina, Grigori Potjomkin und Pawel Petrowitsch, werden mit großer Liebe zum Detail und Leidenschaft gespielt. Der Aufwand, den Schauspieler und Drehbuchautoren betrieben haben, sollte gewürdigt werden.
Helen Mirren bedarf keiner Vorstellung. Sogar ihre fehlende Ähnlichkeit zur echten Katharina (Mirren ist 74 und spielt eine 40-jährige) kann ihr vergeben werden.
Die Maskenbildner und Kostümausstatter leisten zwar auch ganze Arbeit, doch Mirren wird in einem brillanten Casting überzeugt haben. Nur eine Schauspielerin ihres Formats ist in der Lage, der Rolle einer russischen Kaiserin, einer der mächtigsten Frauen aller Zeiten, gerecht zu werden.
Wenn sie sagt: „Weißt du, was ich in meiner Hand halte? Absolute Macht“, glaubt man ihr das sofort. Unnötig zu erwähnen, dass die echte Katharina oft gnadenlos und sogar grausam gehandelt hat. Dieser Zug der Kaiserin wird einer oft sentimentalen, sehr menschelnden Darstellung geopfert.
Nichtsdestotrotz werden ihr oft derber Humor, ihr Witz, ihre Leidenschaft und ihre Vorliebe für impulsive Entscheidungen, gepaart mit einem ungezügelten Durst nach Macht und Überlegenheit, von Mirren meisterhaft dargeboten.
Der westliche Betrachter wird endlich erkennen, dass es eine große Verantwortung war, eine russische Kaiserin zu sein. In jeder Folge sieht man Katharina am Schreibtisch sitzen. Sie arbeitet oft in der Nacht. Wir beobachten sie dabei, wie sie sich mit dem Senat streitet, Intrigen spinnt, die Hochzeit ihres Sohnes plant und noch viele andere Aufgaben übernimmt.
In der Tat würde es jeder Drehbuchschreiber schwer haben, die Gesamtheit dessen zu fassen, was es bedeutete, einen Alltag zu haben, wenn man zugleich ein Imperium regierte. Doch es gibt zumindest den Versuch, all dies zu zeigen, es wird nicht ignoriert.
Einige mögen die vielen Szenen zu Katharinas Liebschaften für überzogen und unrealistisch halten, doch da irren sie: Katharinas Liebesleben war sehr vielfältig und eng mit ihrer Politik verwoben. Eine zentrale Rolle spielte Fürst Grigori Potjomkin-Tauritscheski, in der Serie verkörpert von Jason Clark. Der 50-jährige überzeugt sowohl als jugendlicher Prinz als auch später als Mitherrscher über ein Imperium und siegreicher Feldherr auf der Krim. Obwohl zweifellos ein integrer und mutiger Mann, hat das verschwenderische Leben am kaiserlichen Hof die Persönlichkeit Potjomkins doch verändert.
Die unblutige Annexion der Krim wird in der Serie sehr gut dokumentiert.
Die vielleicht umstrittenste Figur in der gesamten Serie ist Zarewitsch Pawel Petrowitsch, gespielt von Joseph Quinn. Er liefert eine überzeugende Leistung als impulsiver zukünftiger Herrscher, der sein Leben in völliger Abhängigkeit von der Mutter führt.
Pawel wird jedoch, womöglich absichtlich, als wenig beeindruckende Person dargestellt, die er im wahren Leben aber durchaus war. Seine hervorragende Bildung und sein großes Potenzial als Staatsmann spielen in der Serie keine Rolle.
Die Orte und das Bühnenbild entscheidender Szenen sind von großer Wichtigkeit. Sie sind nicht immer historisch genau, doch es hat mich gefreut zu sehen, dass die Ausstattung der Paläste stilistisch genau in die Epoche passt.
Was Geschichtsinteressierte wirklich glücklich machen wird, ist, dass so viele der Szenen an authentischen Orten gedreht wurden - Gattschina, Zarskoje Selo und der Peterhof sind alles Originalschauplätze der Serie. Zwar bekommen wir keinen Einblick in den Grand Palace am Peterhof oder den Winterpalast, aber es reicht absolut, um in die Atmosphäre dieser Zeit eintauchen zu können.
Es ist Zeit, über die Mängel der Serie zu sprechen. Mehr Mut zur Größe hätte gut getan. Es werden alle Schlüsselereignisse der Zeit berücksichtigt, aber bei unvorbereiteter Betrachtung, wird man das Grauen, das Katharina angesichts des Pugatschow-Aufstandes empfindet, nicht nachvollziehen können.
Die Serie erzählt kaum etwas über Katharinas Einsatz für die Gesetzgebung und ihre transformative Politik. Auch ihre Liebe zu Wissenschaft und Kunst findet keine Beachtung. Das ist schade, hätte dies die Sicht des Publikums auf eine oft sehr hart wirkende Herrscherin verändern können, hin zu einem milderen Blick. Sie hätte mehr als Befürworterin der Aufklärung porträtiert werden können.
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Gut gelungen ist, dass „Katharina die Große” auf eine schulbuchhafte Aufzählung der historischen Ereignisse verzichtet und den Zuschauer stattdessen mitnimmt auf eine malerische Reise in das Russland des 18. Jahrhunderts. Dazu tragen die hervorragenden Schauspielerleistungen ebenso bei wie Originalschauplätze als Drehorte.
Wenn all diese Faktoren das Interesse des gelegentlichen Zuschauers an unserem Land und seiner Geschichte steigern, können wir mit Sicherheit sagen, dass der Bildungszweck der Serie erfüllt wurde.
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