In China kämpften die Bolschewiken Seite an Seite mit ihren erbitterten Feinden

Geschichte
BORIS JEGOROW
Die Roten und Weißen, zu Zeiten des russischen Bürgerkriegs Gegner, kämpften in China nicht nur gemeinsam erfolgreich, sie wurden sogar Freunde.

Unerbittliche Feinde 

Die bolschewistische Revolution im Oktober 1917 spaltete die russische Gesellschaft. Der Bürgerkrieg im Land zwischen den Anhängern der Roten Bewegung und der Weißen Bewegung kostete mehr als zehn Millionen Menschen das Leben.

Die gegenseitige Abneigung zwischen den Kriegsparteien endete auch nicht mit der Niederlage der Weißen Bewegung. Überall auf der Welt gründeten ihr nahestehende Emigranten antikommunistische Vereinigungen.

Sie kämpften als Freiwillige gegen die UdSSR im spanischen Bürgerkrieg, im Winterkrieg und sogar auf Seiten Hitlers.

Die sowjetischen Geheimdienste beobachteten die Anhänger der Weißen sehr genau und verfolgten deren Anführer und besonders aktive Vertreter und schalteten sie aus.

Doch einmal fanden sich diese unerbittlichen Feinde auf der gleichen Seite weiter, und zwar im weit entfernten China. 

Der russische Faktor 

Als die Weiße Bewegung in den frühen 1920er Jahren in Sibirien und im russischen Fernen Osten endgültig besiegt war, flohen Zehntausende Soldaten und Offiziere zusammen mit ihren Familien über die Grenze nach China und fanden dort eine neue Heimat. 

Doch sie gerieten vom Regen in die Traufe. Die 1910er Jahre waren nicht nur für Europa und Russland turbulent. In China gab es im Jahr 1911 eine Revolution und ab 1916 war das Land unter verschiedenen militärischen Gruppierungen aufgeteilt, die sich gegenseitig massiv bekämpften.

Für die Kriegsparteien waren die Offiziere der Weißen ein Geschenk. Im Gegensatz zu den schlecht ausgebildeten chinesischen Soldaten waren die Russen geschickte, sehr erfahrene Kämpfer. Sie bildeten die Elite innerhalb der Einheiten der unterschiedlichen chinesischen Kriegsherren. 

Ein gemeinsamer Feind 

Gegen Ende der 1920er Jahre gelang es der Kuomintang-Partei, angeführt von Chiang Kai-shek, das Land zu vereinen. Damit hatte sie sich die Anerkennung der Kriegsherren erobert.

Die in Nanjing ansässige Regierung war jedoch nicht einflussreich genug, um die herrschenden Eliten in den abgelegenen Provinzen kontrollieren zu können.

1931 kam es durch die erzwungene Sinisierung (Transformation der eigenen Kultur an die chinesische Kultur) und die kurzsichtige Finanzpolitik des Gouverneurs von Xinjiang, Jin Shuren, zu einem heftigen Aufstand muslimischer Uiguren.

Die Regierung musste tatenlos zusehen. Chiang Kai-shek unterstützte den Aufstand, als er erfuhr, dass Shuren sich an den sowjetischen Nachbarn gewandt hatte, um militärische Unterstützung zu erhalten. 

Die 36. Kavalleriedivision der Nationalen Revolutionsarmee unter dem Kommando von Mao Zhongying, dem nach dem Sturz Shurens das Amt des Gouverneurs versprochen worden war, wurde in die Provinz entsandt. 

Die Russen beim chinesischen Militär retteten zunächst die Situation und damit den Gouverneur Shuren. Die Sowjetunion, die daran interessiert war, Xinjiang schwach zu halten, wollte unbedingt verhindern, dass die Kuomintang in der Region Fuß fassten. Moskau reagierte positiv auf die Bitte der Provinzregierung nach militärischer Hilfe und finanzierte sogar die Einheiten der Weißen Garde, obwohl es auf direkte Interventionen verzichtete.

Seite an Seite 

Je weiter die Rebellen und die 36. Kavalleriedivision in Xinjiang vordrangen, desto mehr lokale Muslime schlossen sich ihren Reihen an. Bis Mitte 1932 hatten rund 70 Prozent der muslimischen Bevölkerung der Region den bewaffneten Kampf aufgenommen.

Die Rebellen hatten die Hauptverbindungsstraße von der UdSSR nach Xinjiang abgeschnitten. Es war nur eine Frage der Zeit, wann Shuren gestürzt werden würde. Am 12. April 1933 war es soweit.

Der opportunistische General Sheng Shicai nahm Shurens Platz mit Hilfe der Truppen der Weißen Garde ein und widmete sich mit aller Kraft dem Versuch, Moskau zu einem direkten militärischen Eingreifen zu bewegen. 

Am Ende war er erfolgreich. Im November 1933 marschierte die sogenannte Altai-Freiwilligenarmee in Xinjiang ein. Um die direkte Beteiligung Moskaus zu verbergen, trugen die sowjetischen Soldaten Uniformen der Weißen Garde.

Die erste Aufgabe der Einheit der Roten Armee bestand darin, die Kontrolle über die Hauptstraße innerhalb und außerhalb der UdSSR zurückzugewinnen, indem sie die Grenzstadt Chuguchak eroberte. Dabei arbeiteten sie mit dem 2. Kosakenregiment der Weißen Garde zusammen. Es war die erste gemeinsame Operation der zuvor erbitterten Feinde während dieses Feldzuges.

Als nächstes sollten die Streitkräfte von Ma Zhongying aus der Hauptstadt gedrängt werden, was ebenfalls erfolgreich gelang. Der Aufstand wurde schließlich im Februar 1934 niedergeschlagen. 

Um in Zukunft solche Unruhen zu vermeiden, gewährte Sheng Shicai den Uiguren die gleichen Rechte wie den Chinesen.

Eine ungewöhnliche Nachbarschaft 

Ende April 1934 verließ der Großteil der sowjetischen Truppen Xinjiang. In der Hauptstadt Urumtschi verblieben Militärberater und ein mehr als 1.000 Mann starkes Kavallerieregiment sowie Artillerie- und Panzerfahrzeuge. Außerdem wurden die dort stationierten Regimenter der Weißen Garde von vier auf eins reduziert. 

Es stellte sich heraus, dass die ehemaligen Gegner nicht nur zusammen kämpfen, sondern auch in Frieden zusammenleben konnten. Die Sowjetunion festigte ihre Position in Xinjiang, versorgte die Region weiterhin mit Waffen, bildete die lokale Armee aus, baute Handelsbeziehungen auf und erweiterte ihre Spionagenetzwerke. 

Die örtlichen Weißen selbst nahmen Kontakt mit den sowjetischen Geheimdiensten auf, und viele Tausende nutzten die Gelegenheit, um nach Hause zurückzukehren und dort neu anzufangen. 

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