Baltikum: Zu Sowjetzeiten ein guter Ort zu leben (FOTOS)

Geschichte
BORIS JEGOROW
Lettland, Estland und Litauen gehörten zu den privilegiertesten Sowjetrepubliken. Das „sowjetische Europa“ konnte sich sehen lassen.

Das Schaufenster der Sowjetunion 

Das Baltikum mit der lettischen, litauischen und estnischen Bevölkerung hatte sowohl als Teil des Russischen Reiches als auch der UdSSR immer einen besonderen Status. Die sowjetischen Behörden haben immer versucht, die besonderen historischen und wirtschaftlichen Umstände dieser „europäischen“ Region zu berücksichtigen, die sich vom Rest des Landes so stark unterschied. 

Die Gelder der Länder flossen weitgehend in ihre Entwicklung und auch radikale Reformen der Sowjets wurden dort behutsamer umgesetzt. Infolgedessen war der Lebensstandard in den drei baltischen Republiken höher als im Rest der UdSSR. Die Gehälter waren doppelt oder dreifach so hoch wie im Rest des Landes, und die Menschen spürten nicht so sehr den Mangel. 

Die Wellness-Oase der Sowjetunion 

Millionen von Menschen aus dem ganzen Land verbrachten ihren Urlaub in den besten Resorts an der Ostseeküste, vor allem in Jurmala, Lettland, und Palanga, Litauen. Besonders attraktiv war die Region für Gesundheitstouristen. Die estnische Stadt Pjarnu hatte sogar eine eigene Kureinrichtung für Kosmonauten. 

„Sowjetisches Ausland“ 

Da es sich nur eine kleine Minderheit der sowjetischen Bevölkerung leisten konnte, Urlaub außerhalb des Landes zu machen, wurden die baltischen Staaten zum Symbol für Auslandsurlaub. Auf Russisch gab es dafür sogar ein eigenes Wort: Sagraniza, zusammengesetzt aus den Worten „sa“, „jenseits“ und „granizej", „Grenze“. 

Im Baltikum konnten sowjetische Touristen die fremde und ansprechende Architektur mit deutschen, schwedischen und litauischen  Einflüssen bewundern, durch die engen Gassen von  Riga, Vilnius und Tallinn spazieren und in den Republiken die mittelalterlichen Schlösser im westeuropäischen Stil besuchen. 

Sowjetische Filmemacher drehten dort gerne, wenn sie Ausland zeigen wollten. Die Wohnung des sowjetischen Sherlock Holmes liegt nicht in der berühmten Baker Street in London, sondern in Riga.  

Sowjetisches Industriezentrum 

In der Sowjetzeit entwickelte sich das Baltikum zu einem der größten Industriezentren des Landes. Einige Fabriken wurden zu sowjetischen Marktführern. So versorgte beispielsweise die staatliche elektrotechnische Fabrik (VEF) in Riga einst das ganze Land mit Elektronik. Die Glasfabrik in Livland gehörte zu den größten in der gesamten UdSSR. 

Ein Tor zum Westen 

Es waren tatsächlich die baltischen Häfen - und nicht Leningrad oder Kaliningrad - die als Tore der UdSSR nach Europa angesehen wurden. Dort wurde der größte Teil der sowjetischen Warenlieferungen umgeschlagen. Dort starteten sogar einige glückliche Sowjetbürger zu ihren ersten Kreuzfahrten auf der Ostsee, in den Norden und sogar Richtung Mittelmeer. 

Unterstützung der nationalen Kultur 

Die Mythologie der baltischen Völker, die klassische Literatur Lettlands, Litauens und Estlands und natürlich die „ideologisch fundierten“ Werke sowjetisch-baltischer Autoren wurden oft ins Russische übersetzt, wobei Hunderttausende gedruckt und in den Buchhandlungen und Bibliotheken des Landes verteilt wurden, von Kaliningrad bis zur Ostspitze von Wladiwostok.

Aufwändige Tanz- und Gesangsaufführungen mit Tausenden von Darstellern in Trachten hatten in diesen Republiken seit den 1900er Jahren Tradition. Und das blieb auch während der Sowjetzeit so. Darüber hinaus scheute die Regierung keine Kosten für den Bau geeigneter Veranstaltungsorte.

Die einzige Einschränkung war, dass diese Auftritte bevorzugt zu Ehren eines kommunistischen Feiertags abgehalten werden sollten, wie zum Beispiel des Geburtstages von Wladimir Lenin oder des Jahrestages der russischen Revolution.

Sowjetische Architektur im Baltikum 

Im Einklang mit dem Rest des Landes waren auch die baltischen Staaten bald mit blockartigen, einheitlich aussehenden Wohnhäusern übersät. Doch es gab auch echte Meisterwerke der sowjetischen Architektur, die das mittelalterliche Aussehen dieser Städte nicht ruinierten. Tatsächlich haben sie sie oft ergänzt und mit ihnen harmonisiert. 

So wurde das Hochhaus der lettischen Wissenschaftsakademie nach dem Vorbild der Stalin-Hochhäuser erbaut und zu einem Symbol Rigas. Das Gebäude erhielt 2003 vom Europarat den Status eines Kulturerbes als Denkmal für die Architektur des 20. Jahrhunderts.

Der Alltag 

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