Schon bevor Katharina nach einem Staatsstreich russische Kaiserin wurde, überraschte sie selbst ihre engsten Freunde und Unterstützer mit ihrem eisernen Willen. Sie war zudem hingebungsvoll heuchlerisch, um ihre hochgesteckten Ziele zu erreichen. Im Herbst 1761 wurde sie von ihrem Geliebten Graf Grigori Orlow schwanger. Das musste sie vor ihrem Ehemann Peter verbergen, der nach dem Tod Elisabeths von Russland der nächste russische Kaiser werden sollte.
Katharina die Große
Alexey AntropovKatherina, die gezwungen war, an unzähligen höfischen Zeremonien teilzunehmen, trug ein enges Korsett, tanzte, knickste – alles mit einem Kind im Leib. Im Dezember 1761 starb Elizabeth und aus Peter wurde Peter III. von Russland. Er ging eine Beziehung mit Elizabeth Woronzowa ein, die sogar in die kaiserlichen Gemächer einzog, während Katherina auf die andere Seite des Winterpalastes geschickt wurde. Hier traf sie sich mit ihren Vertrauten und schmiedete den Plan, Peter zu stürzen.
Grigorij Orlow
Fyodor RokotovPeter III. war ein Exzentriker und fasziniert von Feuer. Wann immer es in St. Petersburg brannte, eilte Peter zusammen mit seinen Höflingen zum Brandort und sah zu, wie die Flammen die Gebäude verzehrten. Als die Zeit für Katherina zur Geburt gekommen war, zündete ihr ergebener Kammerdiener Wasili Schkurin sein eigenes Haus an, wohl wissend, dass der Kaiser sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen würde. Während seiner Abwesenheit brachte Katharina ihr Kind zur Welt. Es war ihr zweiter Sohn nach Pawel, dem gemeinsamen Kind mit Peter. Pawel wurde später Kaiser Pawel (Paul) I. von Russland.
Alexei war ein schwächliches Kind, anscheinend aufgrund der Belastungen, unter denen seine Mutter während ihrer Schwangerschaft leiden musste. Wasili Schkurin wurde mit der Erziehung des Jungen betraut. Alexei wuchs in seinem Haus auf und wurde dort auch unterrichtet. Er entwickelte eine enge Beziehung zu Schkurin, der 1782 starb.
Alexej Bobrinskij im Alter von 7 Jahren von Carl-Ludwig Christinek
Wusste der Junge, dass er der Sohn der Kaiserin war? Historiker sind sich darüber immer noch nicht sicher. 1765 schenkte Katherina dem Jungen ein Dorf namens Bobrikowo, um ihn finanziell zu unterstützen. Sie begründete die Schenkung damit, dass Alexei der Sohn eines hochrangigen Militärs sei, der „für uns [die Kaiserin] gelitten hat“. Offensichtlich hat Katherina eine Legende geschaffen, um Alexeis wahre Herkunft zu verbergen. Trotzdem nannte sie ihn auch in dieser Schenkung „Knaz (Fürst) Sizky“. Die Sizkys waren ein alter Zweig der Rurikiden, der im 17. Jahrhundert endete.
Nachdem er vier Jahre lang mit Schkurins Söhnen an einer Bildungseinrichtung in Leipzig verbracht hatte, kehrte Alexei nach Russland zurück, wo er Schüler von Iwan Bezkoi wurde, einem prominenten Pädagogen und Katharinas persönlichem Sekretär.
Iwan Bezkoj
Alexander RoslinIwan Bezkoi weckte bei dem jungen Bobrinski ein Interesse an den Wissenschaften. Den Nachnamen Bobrinski trug Alexei ab 1775, nach seinem Dorf Bobrikowo. Alexei ging zu einem Kadettenkorps und schloss dies als Offizier mit Auszeichnung ab.
Im Jahr 1781 erhielt Bobrinski einen Brief von Katherina, in dem stand: „Ich bin informiert, dass Ihre Mutter, die aufgrund der schlimmen Umstände dieser Zeit von verschiedenen mächtigen Feinden verfolgt wurde und sich und ihren älteren Sohn retten wollte, die Tatsache Ihrer Geburt verbergen musste …“.
Der Bobrinskij-Palast in St. Petersburg
Legion MediaWir können daher annehmen, dass Bobrinski nach diesen Worten und der außergewöhnlich zuvorkommenden Behandlung durch die Höflinge des Imperiums zumindest ahnen konnte, wessen Sohn er tatsächlich war. Der größte Hinweis waren die Worte „älterer Sohn“ - das bedeutete Pawel. Bobrinski, bereits ein junger Mann, traf seine Mutter und seinen Vater bei verschiedenen Gelegenheiten und sprach auch mit ihnen.
Kurz nach seinem Abschluss machte sich Alexei auf den Weg zu einer großen Reise durch Russland und dann nach Europa. Bobrinski konnte nicht genug von Alkohol, Ausschweifungen und Frauen bekommen. Alexei, der Sohn von zwei sehr leidenschaftlichen Menschen, Katharina und Grigori Orlow, häufte enorme Schulden an, die seine Mutter begleichen musste.
Anna Bobrinskaja
Public domainBobrinski verbachte seine Zeit zwischen Paris und London mit leichten Mädchen, bis seine Mutter befahl, ihn nach Russland zurückzubringen. Als er 1788 in die Heimat zurückkehrte, wurde er in die abgelegene Stadt Reval (heute Tallin, Estland) geschickt. Dort heiratete er 1796 Baronin Anna von Ungern-Sternberg, die aus einer alten baltisch-deutschen Adelsfamilie stammte.
Bobrinskis Exil endete unmittelbar nach Katharinas Tod. Sein Halbbruder Pawel, der neue Kaiser, lud ihn ein, nach St. Petersburg zurückzukehren. Dies war die Blütezeit von Alexei Bobrinskis Leben.
Paul I.
Public domainPawel nahm Alexei herzlich auf und offenbarte ihm seine wahre Herkunft. „Ich wurde der Kaiserin [Maria Fjodorowna], den Großfürsten Alexander, Konstantin und Nikolaus vorgestellt. Ich ging zum Leichnam der verstorbenen Kaiserin und küsste ihre Hand. Alle musterten mich überrascht und wussten nicht, wie sie mein Erscheinen hier einordnen sollten“, schrieb Bobrinski später. „Während des Abendessens sprachen der Kaiser und die Kaiserin mehrmals mit mir, und plötzlich waren die Augen aller Anwesenden auf mich gerichtet“. Die Freundschaften, die während Pawels Regierungszeit geschlossen wurden, dauerten lange. Pawel verlieh Alexei den Titel eines Grafen, ernannte ihn zum General und zum Kommandeur einer Kavallerie-Einheit.
Alexej Bobrinskij
Public domainIn seinen späteren Jahren zog Bobrinski nach Bogorodizk, Region Tula, wo er sich mit Agrarwissenschaften befasste und der Vater der Zuckerproduktion im Russischen Reich wurde. Während Alexei selbst die Landwirtschaft vor allem wissenschaftlich betrieb, gründete sein Sohn Alexei Bobrinski Junior vor Ort eine Zuckerfabrik, die Zucker aus Rote Beete produzierte, die er von seinen Bauern kaufte.
Alexei Bobrinski Senior starb 1813 im frühen Alter von 51 Jahren. Seine Nachkommen nahmen im 19. Jahrhundert hohe Positionen im Imperium ein. Bobrinskis zahlreiche Abkömmlinge leben noch immer in Europa und den USA. Die meisten von ihnen sind Wissenschaftler geworden, genau wie ihr Vorfahr in seinen späteren Jahren.
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