Leopold von Sachsen-Coburg: Belgiens erster König war schon als Kind russischer General

George Dawe
Diese Geschichte zeigt, wie eng die europäischen Königshäuser und die russische Kaiserfamilie miteinander verflochten waren.

Leopold Georg Christian Friedrich von Sachsen-Coburg, der spätere König Leopold I. von Belgien, wurde mit nur acht Jahren Unteroffizier der Russischen Kaiserlichen Garde und mit zwölf Jahren General. Wie konnte das möglich sein? Es war Zufall. Alles begann mit der Erkrankung eines russischen Generalleutnants.   

Eine arrangierte Ehe  

Leopold kam mit seiner älteren Schwester Juliane nach Russland, die die Gemahlin des Großherzogs Konstantin Pawlowitsch von Russland wurde.

Großherzog Konstantin Pawlowitsch

Katharina die Große war sehr besorgt um die Zukunft ihrer Enkel Alexander (1777-1825) und Konstantin (1779-1831), die Söhne von Katharinas Sprössling Pawel (1754-1801) (später Paul I. von Russland). Für Alexander, den ältesten ihrer Enkel, stellte sie die besten Tutoren ein. Einer von ihnen war Andreas Eberhard von Budberg (1750-1812), der diese Position von 1784 bis 1795 innehatte. Budberg diente auch als Kuppler für Katharinas Enkelkinder.

1795 unternahm Budberg eine Reise nach Europa, um eine Braut für Konstantin zu finden Alexander war bereits seit 1793 mit Louise Marie Auguste von Baden (1779-1826) verheiratet. Irgendwann auf seiner Reise wurde Budberg krank und musste in Coburg Halt machen, der Hauptstadt des Herzogtums Sachsen-Coburg-Saalfeld. Durch seinen Freund, einen prominenten lokalen Arzt, lernte Budberg die Töchter von Franziskus, Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Juliane, Sophie und Antoinette, kennen. Budberg schrieb an Katharina, dass er für den 15-jährigen Konstantin sehr gebildete, sanfte und schöne deutsche Prinzessinnen gefunden habe und eine von ihnen seine zukünftige Frau werden könnte.

Nachdem Katharina einige weitere Informationen gesammelt hatte, stimmte sie Budbergs Wahl zu. Die Prinzessinnen gehörten zum Haus Wettin, einem angesehenen thüringischen Adelsgeschlecht. 

Großherzogin Anna Fjodorowna (geb. Juliane von Sachsen-Coburg-Saalfeld)

Katharina lud die Prinzessinnen mit ihrer Mutter Augusta Reuss zu Ebersdorf nach St. Petersburg ein. Konstantin wählte Juliane, die zum russisch-orthodoxen Glauben übertrat und den Namen Anna Fjodorowna annahm. Am 15. Februar 1796 wurde sie Konstantins Frau. Mit ihr kam ihr jüngerer Bruder Leopold nach Russland, der in die Kaiserliche Garde eintrat. 

Ein Kindergeneral 

Es gibt keine eindeutigen Informationen darüber, wann genau Leopold in den russischen Dienst trat, aber 1799, im Alter von 8 Jahren, wurde er als Unteroffizier im Regiment der Kaiserlichen Garde von Ischmailowski geführt. Anscheinend trat er früh in den Dienst, im Rang eines Majors oder Kapitäns, und wurde umgehend befördert. 1801 wurde er als Oberst in das Pferderegiment der kaiserlichen Garde versetzt und 1803 mit zwölf Jahren war er bereits Generalmajor. Beim Militär lernte Leopold fließend Russisch. Der zukünftige belgische König war 1805 im Gefolge von Kaiser Alexander I. in Austerlitz. 

Im darauffolgenden Jahr, 1806, wurde Leopold mit seinem Vater in seinem Heimatherzogtum Sachsen-Coburg von Napoleons General Jean-Pierre Augereau gefangen genommen, der auch die Schätze der Familie Sachsen-Coburg beschlagnahmte. Leopold wurde als Adeliger nicht ins Gefängnis gesteckt. Er kehrte zurück ins russische Militär und nahm an den Kriegen gegen Napoleon teil, doch 1809 forderte Napoleon ihn auf, den russischen Dienst zu quittieren. 

Danach verbrachte Leopold einige Zeit in Paris am Hofe Napoleons. So waren die internationalen Beziehungen im 18. und 19. Jahrhundert: Zwischen Personen königlicher Herkunft und mit Adelsstatus galten bestimmte ungeschriebene Gesetze, die es diesen Personen ermöglichten, sich zwischen kriegführenden Staaten zu bewegen und ihnen ganz nach Belieben zu dienen. Wenn Napoleon es gewagt hätte, Leopold faktisch einzusperren, hätte Bonapartes Ruf großen Schaden genommen.  

1813, nachdem Napoleon den Krieg mit Russland verloren hatte, trat Leopold wieder in das russische Militär ein und erhielt den Georgsorden vierter Klasse. Es ist unbestritten, dass Leopold an echten Militäraktionen teilgenommen hat, denn dieser Orden wurde ausschließlich an Offiziere der russischen Armee vergeben, die persönlich in Schlachten gekämpft hatten.  

Der Triumph 

Leopold war während des europäischen Feldzugs von 1813 bis 1814 Generalleutnant in der russischen Armee. Er glänzte am Hof der Bourbonen und war in den Häusern der höchsten zivilen und militärischen Persönlichkeiten Frankreichs gerne gesehen. Aber mit diesem Triumph endet die Geschichte seines russischen Dienstes.

Russische Armee marschiert 1814 in Paris ein

Trotzdem gab es noch etwas, was seine russischen königlichen Freunde für ihn getan hatten. Großherzogin Katharina Pawlowna, die Schwester von Kaiser Alexander, stellte Leopold Prinzessin Charlotte Augusta von Wales (1796-1817) vor, die seine erste Frau wurde. Mit dieser Ehe erlangte Leopold den Rang eines Generals in der britischen Armee. Seine junge Frau starb 1817 während der Geburt, und auch das gemeinsame Kind überlebte nicht. 

Leopold I. in seinen späteren Jahren

Leopolds Blütezeit kam 1830 mit der belgischen Revolution. Belgien wurde ein unabhängiger Staat und Leopold wurde zu seinem ersten König gewählt. Der Rest seiner Geschichte hat nichts mehr mit Russland zu tun, aber er war sicherlich ein erfolgreicher Herrscher, der seinen Thron seinem Sohn vererbte. Leopold starb 1865 im Alter von 74 Jahren.  

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