Wie das Leben von Nikolaus II., seiner Frau und seinen Kindern endete, ist allgemein bekannt. Sie wurden ins Exil in die Stadt Jekaterinburg im Ural verbracht und dort im Keller des Hauses, in dem sie lebten, erschossen. Die Familie wurde in den 1990ern heiliggesprochen und zu Märtyrern erklärt. Jetzt erscheinen in Russland sogar Plakate mit der Aufschrift „Verzeihe uns, Herrscher“.
Auch weitere Mitglieder der Zarenfamilie wurden zu Opfern. Viele andere Fürsten Romanows wurden von den Bolschewiki ermordet. Eine der schrecklichsten und zugleich am wenigsten bekannten Geschichten ereignete sich ebenfalls unweit von Jekaterinburg.
Elisabeth Fjodorowna und Sergei Alexandrowitsch
ArchivfotoIhr eigentlicher Name lautet Elisabeth Alexandra Luise Alice von Hessen-Darmstadt. Sie ist die ältere Schwester von Alexandra Fjodorowna, der Frau des Zaren Nikolaus II. und der letzten russischen Kaiserin. Ella und Alix, wie sie in Koseform gerufen wurden, waren von Kindheit an sehr religiös. Als sie in die russische kaiserliche Familie eintraten, konvertierten die beiden zum Orthodoxen Christentum und fingen an, sich der Wohltätigkeit zu widmen.
Ella heiratete Großfürst Sergei Alexandrowitsch Romanow, den Onkel von Nikolaus II. Er war ein einflussreicher Mann, Generalgouverneur von Moskau. Zusammen pilgerten die beiden ins Heilige Land und leiteten lange Zeit die Kaiserlich-Orthodoxe Palästinensische Gesellschaft, die humanitäre Missionen organisierte.
Trotz ihres frommen Lebensstils war Ellas Schicksal tragisch. Sie blieb kinderlos. 1905 wurde ihr Ehemann Sergei von Terroristen ermordet. Die Revolution lag in der Luft und er war ein ausgesprochener Gegner der Einführung einer Verfassung und der Schwächung der Autokratie.
Jelisaweta Fjodorowna trauerte sehr um ihren Mann. Gleichzeitig erwies sie eine enorme Barmherzigkeit und besuchte seinen Mörder im Gefängnis. Sie bat den Zaren um Gnade für ihn. Dieses Ersuchen jedoch blieb erfolglos.
Später gründete Ella das Martha-Maria-Kloster der Barmherzigkeit in Moskau, in dem man die Armen mit medizinischer Versorgung, Essen und Unterkunft versorgte.
Großfürstin Elisabeth Fjodorowna im Jahr 1918
ArchivfotoIm Frühling des Jahres 1918 wurde Ella von den Bolschewiki verhaftet und, wie viele Mitglieder der Zarenfamilie, in den Ural entsandt. Am 18. Juli 1918, einen Tag nach der Erschießung von Nikolaus II. und seiner Familie, wurden Ella, eine Laienkollegin aus dem Martha-Maria-Kloster sowie fünf weitere Großherzöge und Fürsten von Romanow in einen Minenschacht in der Stadt Alapajewsk in der Nähe von Jekaterinburg geworfen. Eines der Opfer hatten die Bolschewiki vorher erschossen, während die anderen lebend hineingestoßen wurden, gefolgt von Handgranaten. Alle starben langsam und qualvoll. Der Legende nach hörten die Einheimischen einige Tage lang Gebete und Gesang aus dem Minenschacht.
Märtyrer von Alapajewsk
gemeinfreiDer russische Bürgerkrieg tobte bereits, und im Herbst mussten sich die Bolschewiki zurückziehen. Die Stadt wurde von Truppen der monarchistischen Weißen Garde besetzt. Sie bargen die Leichen der Toten und bestatteten sie in der Kirche. Als wiederum die Weißen gezwungen waren, sich zurückzuziehen, reiste Ellas Sarg mit ihnen und wurde schließlich nach Jerusalem gebracht, wo sie nach ihrem Wunsch begraben wurde.
Statue von Elisabeth Fjodorowna
CEphoto, Uwe AranasJelisaweta und alle „Märtyrer von Alapajewsk“ wurden von der Russischen Orthodoxen Kirche in den 1990ern heiliggesprochen. Am Ort ihrer Ermordung wurde ein Kloster gegründet. Es gibt noch einige Klöster und Kapellen in Russland, die Jelisaweta gewidmet sind. Das Martha-und-Maria-Kloster funktioniert bis heute. Dort wurde ein Denkmal für seine heilige Gründerin errichtet.
Die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland sprach Elisabeth noch in den 1980ern heilig. Im Jahr 1998 wurde beschlossen, auf der westlichen Mauer der Westminster Abbey die Statuen für „neue Märtyrer“ des 20. Jahrhunderts zu erstellen. Elisabeth steht neben Martin Luther King.
Die Statue von Elisabeth Fjodorowna ist die vierte von links
Tony Hisgett (CC BY 2.0)Es sei aber erwähnt, dass das Erscheinen einer Statue von Elisabeth im Zentrum von London auch wegen eines weiteren Grundes nicht erstaunlich ist, war sie doch nah mit der britischen königlichen Familie verwandt. Elisabeth und ihre Schwester Alexandra waren Enkelinnen der Königin Victoria. Die Tochter von Victoria, ihre Mutter Alice, starb früh an Diphtherie, und ihr Vater, Herzog Ludwig IV. von Hessen-Darmstadt, ging eine neue, morganatische Ehe ein.
So wurden Ella und Alix von ihrer Großmutter, Königin Victoria, großgezogen und lebten im Osborne House auf der Insel Wight an der Südküste Großbritanniens.
L-R: Prinzessin Victoria, Königin Victoria, Alix und Ella
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