Ausgezeichnete Spürnase: Warum der beste Ermittler des Zarenreichs Scotland Yard einen Korb gab

Russia Beyond; Аrchivfoto
Die Polizei des Russischen Reiches wurde von Arkadij Koschko auf Vordermann gebracht. Russische Ermittler hatten 1913 die höchste Aufklärungsquote in Europa. Doch die Revolution ließ Koschkos Leben und Karriere aus den Fugen geraten.

Ein Kindheitsraum wird wahr  

Arkadij Koschko wurde 1867 in Broschka in der Provinz Minsk geboren. Der zukünftige leitende Ermittler des russischen Reiches stammte aus einer adeligen, wohlhabenden Familie.

Arkadij Koschko

Ganz im Sinne seiner noblen Herkunft schlug er zunächst eine militärische Laufbahn ein. Seine Familie unterstützte dies, ahnte jedoch nicht, dass Arkadij tief im Herzen einen anderen Traum hatte. Seit frühester Kindheit wollte Koschko Ermittler werden. Die Inspiration dazu fand er in Kriminalromanen. Der Traum wurde unterbrochen durch sein Studium an der Infanterie-Kadettenschule in Kasan. Es folgte ein Umzug nach Simbirsk (heute Uljanowsk).

1894 entschied der junge Offizier, dass es Zeit für eine radikale Veränderung war und dafür, seinen Kindheitstraum zu verwirklichen. Zunächst wurde er Nachwuchs-Ermittler in Riga. Die Familie war nicht erfreut, aber sie konnten ihn nicht davon abbringen. 

Koschko war mit seiner gewählten Richtung zufrieden. In seinen drei Jahren im Einsatz in Riga gelang es ihm, acht Verbrechen aufzuklären, was für diese Tage eine enorme Leistung war. Arkadij wandte manchen Kniff und Trick an, über die er in seiner Kindheit in den Detektivromanen gelesen hatte.  

Das Büro der Kriminalpolizei des Russischen Reiches, St. Petersburg

Koschko verkleidete sich häufig, um Kriminelle zu überführen. Make-up und Kostüme waren für seine Arbeit unverzichtbar. Häufig ermittelte er verdeckt und im Alleingang in Rigas Unterwelt. Auf diese Weise gelang es ihm, eine Reihe von Kartenbetrügern vor Gericht zu bringen. Koschko ließ sich das Spiel von Profis beibringen und gab sich als Spieler aus. Er schaffte es bis zur Partie mit dem Anführer der Kriminellen. Die Verhaftung erfolgte während des Spiels. 

Ein kometenhafter Aufstieg  

Die Kriminalität beherrschte das Russische Reich. Die Polizei war im Wandel. 1908 erörterte die Staatsduma das Gesetz „über die Schaffung einer Ermittlungsabteilung“. Die Polizei sollte mehr finanzielle Mittel erhalten und eine Aufsichtsbehörde bekommen. Das Gesetz wurde schließlich von Zar Nikolaus II. genehmigt. Im ganzen Land entstanden Ermittlungsabteilungen. 

Koschko wurde zunächst Abteilungsdirektor in Riga. Dann erhielt er eine Einladung in die russische Hauptstadt. Er wurde stellvertretender Direktor der Ermittlungsbehörde von St. Petersburg. Bald darauf landete der Detektiv in Moskau, diesmal als Direktor der dortigen Ermittlungsbehörde.

Im Jahr 1910 gelang es ihm, einen Fall zu lösen, der in Moskau für Empörung gesorgt hatte, auch bei der kaiserlichen Familie. Im Frühjahr beraubte ein Übeltäter die Kathedrale Mariä Himmelfahrt im Moskauer Kreml. Als Koschko den Tatort inspizierte, vermutete er, dass sich der Verbrecher noch irgendwo in der Nähe versteckte, irgendwo in der Kathedrale. Die Polizei durchsuchte jeden Winkel, fand jedoch keine Spur des Verdächtigen. Koschko befahl daraufhin, das Gebäude zu umstellen.

Schließlich tauchte drei Tage später ein junger Mann hinter der Ikonostase auf. Er wurde sofort verhaftet und gab die kostbaren Ikonen der Jungfrau von Wladimir wieder heraus. Der Verbrecher hieß Sergei Semjonow und war Lehrling eines Juweliers. Er hatte drei Tage im Versteck bei trockenem Brot ausgeharrt in der – vergeblichen - Hoffnung, dass die Polizei irgendwann aufgeben würde. 

Sein wichtigster Fall  

Im folgenden Jahr gelang es Koschko, die Waska Beloussow-Bande zu neutralisieren. Der Fall war wohl der größte seiner Karriere. Er schrieb später darüber in seinem Buch, das übersetzt den Titel trägt „Die kriminelle Welt des zaristischen Russlands“.

Arkadij Koschko und der Chef der Kriminalpolizei von St. Petersburg, Wladimir Filippow

Die Bande tauchte im Jahr 1911 auf. Die Diebe überfielen wohlhabende Leute, wandten jedoch keine körperliche Gewalt an. Koschko gelang rasch die Verhaftung eines Bandenmitglieds, das im Verhör den Anführer verriet. Er fügte hinzu, dass seine Anhänger den Anführer Waska Beloussow mit ihrem Leben verteidigen würden, denn er war eine Art Moskauer „Robin Hood“, der das Diebesgut unter den Armen der Stadt verteilte. 

Belousow schickte häufig Bekennerschreiben an die Polizei: „Ich, Waska Belousow, habe diese Tat begangen. Ich vergieße kein menschliches Blut. Ich ziehe durch die Straßen. Jagt mich nicht, ihr werdet mich nicht zu fassen bekommen. Kugeln können mir nichts anhaben. Ich bin verzaubert.“

Doch Waska wurde immer dreister und irgendwann kam es doch zu Blutvergießen. Schließlich wurde er verhaftet und zum Tode verurteilt.  

Polizeireform  

Arkadij Franzewitsch lernte vieles im Laufe seiner Karriere. Er modernisierte die Moskauer Polizei. Ein Aufsichtsposten wurde geschaffen, eine Art interner Ermittler, der auch selbst detektivisch tätig wurde. Die Überwachung der Ermittler wurde von Koschko handverlesenen Geheimagenten übertragen. Nicht jeder Maulwurf oder korrupte Polizist konnte identifiziert werden, aber es wurde schwieriger für sie. 

Zudem baute Koschko eine daktyloskopische und anthropometrische Datenbank auf. Dieses System wurde zuerst vom französischen Anwalt Alphonse Bertillon implementiert. Anschließend breitete es sich nach Russland aus und die erste anthropometrische Abteilung entstand 1890 in St. Petersburg. Es arbeitete eng mit der Fotoabteilung zusammen. Die Strafverfolgung hatte die Datenbank bisher jedoch kaum genutzt. Durch Koschko wurden Anthropometrie und Daktyloskopie nützliche Instrumente bei der Aufdeckung von Straftaten. 

Die Pariser Jahre 

Koschkos Karriere endete 1917 brachial. Als die Bolschewiki an die Macht kamen, war Koschko in ernster Gefahr. Er teilte nicht deren politischen Überzeugungen. Zuerst versuchte er, den Sturm in seinem Haus in der Provinz Nowgorod abzuwarten, aber auch das brachte die Familie bald in Gefahr. Sie zog nach Kiew und Odessa und schließlich nach Sewastopol.  

Koschko mit seiner Frau Sinaida Alexandrowna und dem Sohn Nikolai

Als die Krim ebenfalls Herrschaftsgebiet der neuen Regierung wurde, wanderte Koschko nach Istanbul aus, wo er eine kleine Privatdetektei aufbaute. Er beschäftigte sich nun vor allem mit kleineren Diebstahlfällen und untreuen Ehefrauen. Die Arbeit war nur noch ein Schatten der Art von Aktivität, an die er gewöhnt war, aber es brachte ein wenig Stabilität. Dies änderte sich jedoch bald, als sich das Gerücht verbreitete, die Türken und die Bolschewiki hätten ein Abkommen erzielt, wonach alle Russen nach Hause deportiert würden. Die Familie Koschko floh nach Paris.

Arkadij Koschko hat seine russische Staatsbürgerschaft nie aufgegeben. Aus diesem Grund konnte er seine Ermittlerkarriere weder in Frankreich noch in Großbritannien fortsetzen. Und es ist nicht so, dass Scotland Yard nicht gefragt hätte … Arkadij hätte lediglich britischer Staatsbürger werden müssen.  

Koschko blieb in Paris und arbeitete dort als Verkäufer in einem Laden. Zeitgleich schrieb er seine Memoiren. „Ich lebe nicht in der Gegenwart oder der Zukunft - es ist alles in der Vergangenheit und die Erinnerungen daran wecken eine Art moralischer Befriedigung“, schrieb er darin. Er starb Ende 1928. Der produktivste Ermittler des Russischen Reiches liegt in Paris begraben.

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