Gromyko wurde durch Zufall Diplomat
In den 1930er Jahren haben Stalins Repressionen das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten ausgeblutet: Viele ausgebildete Diplomaten wurden unterdrückt, und freie Ämter mussten mit neuen Kadern besetzt werden. Neue Kandidaten mussten zwei Kriterien erfüllen. Sie mussten über Kenntnisse der englischen Sprache verfügen und eine „proletarische“ oder „bäuerliche“ Abstammungslinie haben.
Der junge Andrei Gromyko wuchs in einer Bauernfamilie auf und lernte Englisch von seinem Vater, der eine Weile als Holzfäller in Kanada gearbeitet hatte. Der Kandidat Gromyko brachte also die idealen Voraussetzungen für eine Laufbahn im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten mit. „Ich bin zufällig Diplomat geworden. Die Wahl hätte auf jeden anderen Arbeiter oder Bauern fallen können“; sagte er Jahre später.
Gromyko zermürbte seine Verhandlungspartner
Eines der vielen Talente von Gromyko war seine scheinbar unendliche Geduld. Einige ausländische Diplomaten fürchteten die meist langwierigen Verhandlungen mit dem sowjetischen Minister. Er wurde nicht müde, über jedes noch so kleine Detail zu streiten.
Trotzdem achteten ihn viele der Diplomatenkollegen persönlich sehr. Der US-amerikanische Diplomat Henry Kissinger sagte, er schätze Gromykos Manieren: „Der erste Eindruck, den Andrei Gromyko machte, war der eines sehr mürrischen Individuums, hochprofessionell, stets korrekt. Dieser erste Eindruck war auch zutreffend. Zugleich, das möchte ich hinzufügen, war Gromyko hochintelligent, immer gut vorbereitet und er hat nie die Fassung verloren. Er hatte einen großartigen Sinn für Humor, der nicht sofort offensichtlich war, aber wenn man ihn näher kannte, war das außerordentlich hilfreich bei der Gesprächsführung.“
Hinter Gromykos Kompromisslosigkeit steckte eine private Tragödie
Er wurde von seinen Kollegen oft als „Mr. No“, bezeichnet. Gromykos kompromisslose Haltung zu vielen außenpolitischen Fragen war in Diplomatenkreisen bekannt.
Womöglich steckte hinter dieser Kompromisslosigkeit eine persönliche Tragödie, die ihn so unnachgiebig gemacht hat. Während des Zweiten Weltkriegs, als Gromyko noch am Anfang seiner Karriere im Außenministerium stand, kämpften seine drei Brüder in den Schützengräben des Weltkrieges. Zwei von ihnen wurden im Kampf getötet und der dritte starb nach Kriegsende an den Folgen seiner erlittenen Verwundungen.
Der Diplomat hatte daher immer den Beitrag seiner Familie zum Kriegsgewinn im Hinterkopf, wenn es um Verhandlungen ging, an denen entweder Deutschland, der frühere Feind der UdSSR, beteiligt war oder wenn die internationale Nachkriegsordnung diskutiert wurde. Gromyko gestand einmal, dass die Erinnerung an seine verstorbenen Geschwister seinen Verhandlungsstil beeinflusste, da dies für ihn schicksalhafte Bedeutung hatte und er sich persönlich betroffen fühle.
Gromyko hat die Nachkriegsordnung mitgestaltet
In seiner langen diplomatischen Karriere - Gromyko war 28 Jahre Außenminister der UdSSR und verbrachte viele weitere Jahre im diplomatischen Dienst in anderen Positionen - war er ein Schlüsselakteur bei praktisch allen wichtigen politischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts.
Er half bei der Vorbereitung der Teheraner Konferenz, auf der sich Stalin, Roosevelt und Churchill 1943 trafen. Er beteiligte sich aktiv an der Vorbereitung der Potsdamer Konferenz, auf der 1945 die „Großen Drei“ die globale Nachkriegsordnung diskutierten.
Er unterzeichnete im Namen der Sowjetunion die Gründungsurkunde der Vereinten Nationen, der Organisation, die in den kommenden Jahren zum Symbol der neuen, globalisierten Welt werden sollte.
Schließlich wurde 1963, auch teilweise dank Gromykos Bemühungen, das Atomteststoppabkommen unterschrieben, ein Vertrag, der oberirdische Kernwaffenversuche verbietet. So hat Gromyko dazu beigetragen, die Welt ein wenig sicherer zu machen.
Gromyko verhalf Gorbatschow zur Macht
1985 hätte Gromyko de facto der Führer der Sowjetunion werden können. Er war ein aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Generalsekretärs des KPdSU-Zentralkomitees, dem höchsten Posten in der Sowjetunion.
Trotz Gromykos offensichtlichem Ehrgeiz, die Diplomatie zu verlassen und um das höchste Amt zu kämpfen, trat er in einem entscheidenden Moment einen Schritt zurück. Nach dem Tod des KPdSU-Generalsekretärs Konstantin Tschernenko im Jahr 1985 machte Andrei Gromyko stattdessen den Weg nach oben frei für Michail Gorbatschow.
Die Gründe für Gromykos Entscheidung, seine Kandidatur zurückzuziehen, sind unklar, insbesondere angesichts seiner etwas skeptischen Haltung gegenüber Gorbatschow und seiner Politik. Gromyko war jedoch das einzige Mitglied des Politbüros, das Gorbatschows Kandidatur befürwortete.
Im Laufe der Zeit schien Gromyko enttäuscht von Gorbatschow und stellte seine Führungsmethoden in Frage. Es gab jedoch wenig, was Gromyko dagegen tun konnte. Er hatte nun ein vor allem repräsentatives Amt inne, das des Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets bzw. des Präsidenten der UdSSR. Der Präsident hatte nicht so viel Macht wie der Generalsekretär.
Am 1. Oktober 1988 zog sich Gromyko aus der Politik zurück. Bis heute ist er einer der angesehensten Diplomaten der Welt und auch der am längsten amtierende Außenminister in der Geschichte der Sowjetunion und des modernen Russlands.