Unrealistische Ziele: Welchen Preis die Sowjetbürger für die Erfüllung der Fünfjahrespläne zahlten?

Geschichte
GEORGI MANAJEW
In den Jahren 1927 und 1928 begann die UdSSR hastig mit der Industrialisierung, indem sie Fünfjahrespläne einführte, die die Wirtschaft ankurbeln sollten. Die Pläne belasteten die Sowjetbürger auf unerträgliche Weise. Wie wurden die ersten Fünfjahrespläne durchgeführt und welche Auswirkungen hatte das auf die Menschen?

Vier Jahre für den Fünfjahresplan

Während des Bürgerkriegs in Russland und nach dessen Ende initiierte der bolschewistische Staat einen massiven Angriff auf die wohlhabende Bauernschaft, um Lebensmittel und Waren zu beschlagnahmen und neu zu verteilen. Sie verstaatlichten die landwirtschaftlichen Betriebe.

1925 erklärte die Kommunistische Partei den Beginn der Umwandlung der UdSSR von einer landwirtschaftlich geprägten zur Industrienation und erließ ein Dekret zur Erstellung des ersten Fünfjahresplans (1928-1932).

Bis 1927 wurde der Plan fertiggestellt. Dies war der Beginn der Planwirtschaft. Einfach erklärt: Die Regierung definierte bestimmte Schlüsselindikatoren für die Wirtschaft des Landes, die in fünf Jahren erreicht werden sollten. Die Industrieproduktion sollte in fünf Jahren um 136 Prozent wachsen, die Arbeitsproduktivität um 110 Prozent gesteigert und 1.200 neue Fabriken gebaut werden.

Die Regierung berücksichtigte jedoch nicht die Kosten der Industrialisierung - sie definierte lediglich, was zu tun war, und wenn dies nicht getan wurde, würden repressive Maßnahmen gegen alle Verantwortlichen ergriffen. Schließlich mussten einfache Arbeiter manchmal Unmögliches vollbringen, was sich in dem berühmten Motto der Ära „Der Fünfjahresplan in vier Jahren!“ widerspiegelte.

Aufgrund der Kollektivierung des bäuerlichen Eigentums strömten zahlreiche ehemalige Bauern in die Städte. Zwischen 1928 und 1932 nahmen die städtischen Arbeitskräfte um 12,5 Millionen Menschen zu, von denen 8,5 Millionen aus Dörfern stammten.

In den Dörfern gab es manchmal einfach nichts zu essen und keine Arbeit. Dies führte zu der schrecklichen Hungersnot Anfang der 1930er Jahre in der UdSSR - aber die Industrieproduktion wuchs tatsächlich. Allerdings mit Unterstützung aus dem Ausland.

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Hilfe vom kapitalistischen Feind

Die Führung der Kommunistischen Partei befand, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Krieges mit kapitalistischen Staaten bestünde. Die Wiederaufrüstung sei erforderlich. Zu Beginn der Industrialisierung benötigte die UdSSR lediglich Maschinen, um Fabrikanlagen herzustellen. Daher wurde die Ausrüstung von eben jenen „kapitalistischen Staaten“ in Europa und den USA gekauft.

In den Jahren 1929 bis 1932 errichtete die US-amerikanische Baufirma „Albert Kahn Inc.“ über 500 Werke und Fabriken in der UdSSR: Traktorenfabriken in Stalingrad und Charkow, Autowerke in Moskau und Nischni Nowgorod, Fabriken in Stalingrad und Swerdlowsk, Stahlwerke in Magnitogorsk, Nischni Tagil usw.

1931 vergab die UdSSR in Deutschland Aufträge in Höhe von 919 Millionen Mark - die UdSSR kaufte die Hälfte des gesamten von Deutschland exportierten Eisens, 70 Prozent der deutschen Metallbearbeitungsmaschinen, 90 Prozent der Gasturbinen und Dampfschmiede- und Pressmaschinen. Auch ausländische Spezialisten wurden in die UdSSR eingeladen, um zu arbeiten und die russischen Arbeiter auszubilden.

Auf Kosten der Arbeiter  

In den Jahren 1929 bis 1931 wurde der sowjetische Kalender an die Bedürfnisse der Fünfjahrespläne angepasst - anstelle einer 7-Tage-Woche wurden 5-Tage-Wochen eingeführt. Die Arbeiter mussten 4 Tage arbeiten und hatten dann einen Tag frei. Das war nicht für alle der gleiche Tag, die Leute arbeiteten in Schichten, damit die Maschinen nie stillstanden. Das bedeutete, dass die jährlichen freien Tage für alle um 42 Prozent gesenkt wurden.

Die UdSSR erhielt das Geld für ihre industrielle Revolution durch den Export von Getreide und landwirtschaftlichen Produkten, wodurch Lebensmittel aus dem ganzen Land abflossen. 1928 wurden alle von Bauern beschlagnahmten Erzeugnisse und die Getreidebestände ins Ausland geliefert. 1928 belief sich der Export auf 7,4 Millionen Rubel. Im Jahr 1929 war es dreimal mehr - 23 Millionen Rubel. Ein neunfacher Sprung auf 207 Millionen Rubel kam 1930.

Innerhalb der UdSSR führte dies zu ungeheuren Engpässen. „Zwei Monate lang bekommen wir schon kein Fett, nicht einmal Milch. Wir können nichts auf dem Markt kaufen. Wenn sich die Lage nicht verbessert, müssen wir gehen“, schrieb ein Ausländer. Von 1934 bis 1935 mussten die meisten Ausländer, die ihre Produktionserfahrungen geteilt hatten, das Land verlassen. Was blieb den Russen übrig?

Ende der 1920er Jahre wurde in Städten das Essen über Lebensmittelmarken rationiert. Nicht jeder bekam, was er wirklich brauchte. Die Staatssicherheit berichtete Stalin, was die Arbeiter sagten: „Dieser Fisch ist faul wie der gesamte Fünfjahresplan. Wenn es jetzt jeden Tag schlimmer und schlimmer wird, kann in Zukunft nichts Gutes erwartet werden. Die Arbeiter sind jetzt so gedemütigt, dass sie schlechter gefüttert werden als Vieh. Die Löhne werden verspätet gezahlt oder es gibt gar kein Geld.“ Nicht nur Lebensmittel, sondern auch Waren wie Kleidung und Hygieneprodukte waren in den 1930er Jahren schwer zu bekommen.

Die Lebensbedingungen waren ebenfalls schlecht. In großen Städten lebten die meisten Menschen in überfüllten Gemeinschaftswohnungen oder, noch schlimmer, in Baracken und Holzhütten - sogar in Moskau und St. Petersburg.

Die Fünfjahrespläne waren ein Schwindel

Es ist wirklich schwierig, die tatsächlichen Ergebnisse der Fünfjahrespläne zu bewerten, da die Zahlen der Ökonomen der UdSSR sehr oft fraglich sind. Im Vergleich zu 1928, bis 1937 stiegen die sowjetische Eisenproduktion um 439 Prozent, die Stahlproduktion um 412 Prozent, die Kohleförderung um 361 Prozent und die Produktion von Zerspanungsmaschinen um 2.425 Prozent. 80 Prozent der gesamten Produktion fand in Fabriken statt, die während des 1. und 2. Fünfjahresplans gebaut wurden. In dieser Zeit wurden in der UdSSR über 4.500 neue Industriebetriebe gegründet. Die Gesamtproduktivität der Belegschaft stieg um 90 Prozent.

Der dritte Fünfjahresplan, der für 1938 bis 1942 geplant war, wurde durch den Beginn des Zweiten Weltkriegs durcheinandergebracht. Selbst 1939 musste der Staat die Ausgaben für die Militärindustrie stark erhöhen; bis 1940 stiegen sie auf etwa 33 Prozent des Haushalts, bis 1941 auf 43 Prozent. Dann kam der Krieg und es blieb nicht viel Zeit für die Planung.

Der vierte Fünfjahresplan wurde 1946 eingeführt. Stalin forderte die UdSSR auf, jährlich „bis zu 50 Millionen Tonnen Eisen, bis zu 60 Millionen Tonnen Stahl, bis zu 500 Millionen Tonnen Kohle, bis zu 60 Millionen Tonnen Öl zu produzieren … In Wirklichkeit wurden 1946 nur 10 Millionen Tonnen Eisen gegossen, 13,3 Millionen Tonnen Stahl produziert, 21,7 Millionen Tonnen Öl gefördert… Das Land konnte nach einem verheerenden Krieg nicht einfach effizienter werden. Tatsächlich wurden Stalins unrealistische Forderungen erst 1961 erfüllt.

Die Planwirtschaft erwies sich, wie die Geschichte zeigte, als Riesenschwindel, da die Produktionszahlen oft einfach gefälscht wurden, um den notwendigen Anforderungen gerecht zu werden. Insgesamt gab es 13 Fünfjahrespläne, von denen der letzte 1989 eingeführt wurde.

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