Bevor Neil Armstrong 1969 den ersten Schritt auf dem Mond machte, war der Erdtrabant für die Menschheit ein Rätsel. Noch mehr seine „dunkle Seite“, die der Erde permanent abgewendet ist.
1957, als die Sowjetunion den ersten künstlichen Satelliten, „Sputnik 1“, ins All schickte, war dieses Ereignis ein sehr wichtiger Meilenstein für die Erforschung des Weltraums. Doch es fiel den Menschen auf der ganzen Erde schwer zu glauben, dass man noch weiter gehen und diese dunkle Seite betrachten könnte.
Diese Aussicht schien so weit entfernt und doch so faszinierend, dass ein französischer Winzer, Henri Maire, öffentlich ankündigte, er würde demjenigen, dem eine Aufnahme von der dunklen Seite des Mondes gelingen würde, 1.000 Flaschen Champagner spendieren.
Ironischerweise arbeiteten sowjetische Wissenschaftler bereits daran.
Die Mission, die andere Seite des Mondes zu fotografieren, wurde von Sergei Koroljow geleitet, dem Vater der sowjetischen Kosmonautik und Vordenker der meisten bahnbrechenden sowjetischen Errungenschaften in der Weltraumforschung.
Sergei Koroljow
gemeinfreiDer Plan war relativ einfach: eine zylindrische Raumsonde in den Weltraum in Richtung Mond starten und die Schwerkraft den Rest erledigen lassen. Die Raumsonde war mit Kameras, einem fotografischen Verarbeitungssystem, Batterien, einem Funksender, einem Gyroskop zur Ausrichtung sowie Lüftungsanlagen zur Temperaturregelung ausgestattet.
Das Gerät hatte keine Raketenmotoren, die für Kurskorrekturen verwendet werden konnten, da sich die Wissenschaftler stattdessen auf die Schwerkraft des Mondes stützten, um das sogenannte „Schwerkraftunterstützungsmanöver“ durchzuführen. Nach dem Plan sollte die Raumsonde einmal zum Mond fahren, von der Schwerkraft des Mondes erfasst werden, ihn von Süden nach Norden passieren und in Richtung Erde zurückgeschleudert werden.
Die für diese Mission vorgesehene Raumsonde wurde „Luna 3“ genannt. Überraschenderweise bestand die größte Herausforderung nicht darin, die Umlaufbahn des Mondes oder des Satelliten zu berechnen, sondern Ausrüstung und Personal am Boden zu verwalten.
Das Signal von „Luna 3“ wurde von einer Funkantenne empfangen, die auf einem Berggipfel auf der Krim montiert war. Zu Koroljows Verzweiflung berichteten Mitarbeiter vor Ort über Kommunikationsprobleme. „Luna 3“ erhielt einige der Befehle von der Erde nicht. Der Chef befahl seinem Team, ihm auf die Krim zu folgen, um die Situation unter Kontrolle zu bringen.
Als der allmächtige Koroljow auf der Krim ankam, nahm er das Projekt selbst in die Hand und ergriff rigorose Maßnahmen. Auf seinen Befehl hin sollten die Schiffe der Schwarzmeerflotte die Kommunikation einstellen, während ein Spezialschiff das Schwarze Meer nach weiteren möglichen Störungsquellen für das Funksignal absuchen sollte. Die Verkehrspolizei sollte die Straßen in der Nähe des Observatoriums sperren.
Diese Maßnahmen trugen tatsächlich zur Verbesserung des Signals bei, es trat jedoch ein neues Problem auf. Zu seiner Überraschung erfuhr Koroljow, dass das Observatorium möglicherweise nicht über genügend Magnetfilm verfügte, um Bilder der Mondlandschaft aufzunehmen. Diese Art Film war so selten, weil sie aus abgestürzten amerikanischen Aufklärungsballons entnommen wurde. Das Material war von einer hohen Qualität, die von der sowjetischen Industrie nicht erreicht wurde.
Wütend befahl Korolew, zusätzliche Filme per Flugzeug und dann per Hubschrauber aus Moskau an das Observatorium zu liefern.
Am frühen Morgen des 7. Oktober 1959 wartete das Team der sowjetischen Wissenschaftler mit angehaltenem Atem, als „Luna 3“ sich dem Mond näherte. Plötzlich erschien das erste Bild auf Papier.
Ein Modell von „Luna 3“
Alexander Moklezow/SputnikDer Ingenieur, der für den Empfang der Daten verantwortlich war, schaute auf das Papier und riss zum Entsetzen der anderen Anwesenden das erste Foto von der dunklen Seite des Mondes in Stücke. Die Bildqualität war nicht gut und er vertraute darauf, dass weitere Aufnahmen besser sein würden.
Zur Erleichterung aller waren die folgenden Fotos in der Tat von viel besserer Qualität. Koroljow war erfolgreich gewesen. Er schrieb: „Das erste Foto von der Rückseite des Mondes, das unmöglich erschien.“ Er signierte es und schenkte es dem Direktor des Astrophysikalischen Observatoriums der Krim, Andrej B. Sewerni.
Wieder einmal hatte die sowjetische Wissenschaft triumphiert. Die Sowjets benannten neu entdeckte geografische Objekte auf dem Mond, während die Fotografien der dunklen Seite des Mondes auf der Titelseite der sowjetischen Zeitung „Prawda“ veröffentlicht wurden. Weltweit fand die Aufnahme große Beachtung.
In einem anderen Teil der Welt las der französische Winzer Henri Maire über die Leistung der sowjetischen Wissenschaftler und schickte wie versprochen 1.000 Flaschen Champagner per Post an die Akademie der Wissenschaften der UdSSR.
Deren Präsident ordnete an, einige Flaschen an das Team zu liefern, das am Luna 3-Projekt beteiligt gewesen war. „Wir hatten die Ehre, mehrere Dutzend Flaschen Champagner von der Akademie der Wissenschaften zu erhalten. Sie bekommen ein paar Flaschen, der Rest wird an andere verteilt, die nicht am Projekt beteiligt waren“, sagte Koroljow jedoch seinen Leuten.
Jahre später, als Koroljows Tochter Natalja Koroljowa diese Anekdote hörte, machte sie es sich zur Aufgabe, mindestens eine dieser Champagnerflaschen aufzutreiben. Es stellte sich heraus, dass Koroljows ehemaliger Sekretär eine Flasche aufbewahrt hatte. Sie war allerdings geleert worden.
Heute sind im Kosmonauten-Museum in Moskau eine Miniaturreplik von „Luna 3“ und diese Flasche zu sehen.
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