Auf der Flucht: Die Revolution von 1917 führte zum Exodus von Millionen von Russen (FOTOS)

Während des Bürgerkrieges verließen viele Russen ihre Heimat. Sie hofften auf ein Scheitern der Bolschewiki und eine baldige Rückkehr.

Ende 1919 war fast jedem klar, dass die Bolschewiki den Bürgerkrieg gewonnen hatten. Die Armeen der Weißen waren an allen Fronten besiegt. Im Herbst verpassten die sogenannten Streitkräfte Südrusslands (AFSR) in Moskau die letzte Chance, die Machtübernahme zu verhindern. Sie zogen sich hastig an die Schwarzmeerküste zurück. 

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Das Ausmaß an Grausamkeit und Gewalt auf beiden Seiten war beispiellos. Sowohl die Roten als auch die Weißen waren in Massenterror, Schießereien und Hinrichtungen verwickelt. Unter diesen Umständen konnten sich die Besiegten entweder den gnadenlosen Siegern nur ergeben oder fliehen.

Die Auswanderung aus Russland begann nach dem Zusammenbruch der Autokratie und des imperialen Systems im März 1917. Die reichen Bürger zogen in die Hauptstädte Westeuropas, wo sie ein angenehmes Leben führen konnten. Nach dem bolschewistischen Putsch und dem Beginn des Bürgerkriegs verließen immer mehr Menschen das Land. Als feststand, dass die Weiße Bewegung zum Scheitern verurteilt war, kam es zu einem wahren Exodus. 

Von Februar bis März 1920 wurden die besiegten und demoralisierten Einheiten der AFSR aus den Schwarzmeerhäfen evakuiert. Mit der Roten Armee im Nacken drängten sich die Emigranten, die die Weißen unterstützt hatten, auf den Schiffen in Noworossijsk. Es herrschten Chaos und Panik. „Die Menschen kämpften um einen Platz auf den Dampfern, es war ein Kampf um Erlösung ... In diesen schrecklichen Tagen spielten sich zahllose menschliche Tragödien ab“, erinnerte sich (rus) General Anton Denikin, Kommandeur der Weißen Streitkräfte.

Schiffe der Weißen beförderten zusammen mit italienischen, britischen und französischen Schiffen mehr als 30.000 Soldaten und zivile Flüchtlinge auf die Krim, in die Türkei, nach Griechenland und nach Ägypten. Mehrere Zehntausende weitere waren gestrandet. Als die Bolschewiki die Stadt besetzten, wurden viele der zurückgebliebenen Weißen Kosaken (freiwillig und gewaltsam) in die Rote Armee mobilisiert und an die polnische Front geschickt. Viel trauriger war das Schicksal der Offiziere. Einige wurden erschossen, andere begingen Selbstmord.

Die Krim wurde die letzte Hochburg der AFSR, die in Russische Armee umbenannt wurde. Vierzigtausend Weiße standen der viermal so zahlreichen Heeresgruppe der Südfront des Kommandanten der Roten Armee, Michail Frunse, gegenüber. Pjotr Wrangel, der Denikin als Kommandeur der Weißen abgelöst hatte, erkannte, dass er die Halbinsel nicht länger halten konnte. Lange vor der allgemeinen Offensive der Roten auf der Landenge von Perekop Anfang November 1920 gab er den Befehl, eine groß angelegte Evakuierung vorzubereiten.

Im Gegensatz zu Noworossijsk verlief die Evakuierung aus Jalta, Feodosia, Sewastopol, Jewpatorija und Kertsch mehr oder weniger geordnet. Als die Rote Armee die Landenge schließlich einnahm und die Krimhäfen erreichte, war die Evakuierung bereits abgeschlossen.

Mehr als 130.000 Soldaten und Zivilisten wurden an Bord von 136 Schiffen der Weißen Marine und der Entente-Mächte von der Halbinsel gebracht. Die erste Anlaufstelle war Istanbul, von wo aus sie sich bald auf der ganzen Welt zerstreuten. „Nennen Sie irgendeine Arbeit, ich habe sie gemacht: im Waschsalon, als Clown, Bildbearbeiter, Spielzeughersteller, Tellerwäscher, Donut- und Zeitungsverkäufer, Handleser, Hafenarbeiter“, erinnerte sich Georgi Fedorow an sein Leben in der damaligen Hauptstadt der Türkei. „Ich wollte in dieser riesigen, fremden Stadt keinesfalls verhungern.“ 

Im russischen Fernen Osten, weit entfernt von Moskau und Petrograd, hielt sich der Widerstand am längsten. Erst ab Ende 1922 regierte auch hier die Sowjetmacht. Die Mehrheit der Zehntausenden von Flüchtlingen aus dieser Region ließ sich im Nachbarland China nieder. Dieses Land war gespalten. Die Offiziere der Weißen waren bei den militärischen Widersachern wegen ihrer Kampferfahrung begehrt. Als die Japaner 1931 die Mandschurei eroberten, traten viele der Weißen in den Dienst des Landes der aufgehenden Sonne.

Während des gesamten russischen Bürgerkriegs verließen rund 1,3 bis zwei Millionen Menschen ihr Land. Einige Emigranten kehrten schon bald in ihre Heimat zurück. Sie hatten sich mit der neuen Regierung abgefunden. Andere hofften, dass die Bolschewiki vor Ablauf des Jahrzehnts verschwunden sein würden, damit sie zurück nach Hause kommen könnten, um ein neues Russland aufzubauen. Dieser Traum sollte sich niemals erfüllen. 

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