Porfiri Iwanow: Russischer Gesundheitsapostel oder verrückter Scharlatan?

Alexander Suschenok/TASS
Über 50 Jahre lang trug Porfiri Iwanow ausschließlich Boxershorts, auch im kalten Winter. Er wurde von den Nazis gefoltert und in Irrenanstalten weggesperrt. Wer war dieser Mann: Ein spiritueller Führer oder nur ein Verrückter?

Iwanow wurde 1898 in einem Dorf in der Region Lugansk in der Ukraine (damals Teil des Russischen Reiches) geboren. Was Porfiri auszeichnete, war seine außergewöhnliche Stärke und Größe. Mit 15 Jahren begann er in den Minen zu arbeiten.

Im Sowjetstaat führte Iwanow das Leben eines Raufbolds. Er spielte, trank und nahm an Dorfkämpfen teil. Aber bald änderte sich sein Leben grundlegend. Wie Iwanow selbst schrieb, entdeckte er eines Winters in den frühen 1930er Jahren bei sich Krebs. Die Ärzte sagten, er sei ein hoffnungsloser Fall. Verzweifelt übergoss sich Porfiri draußen in der Kälte mit eisigem Wasser. Er hoffte, auf diese Weise schneller zu sterben. Doch überraschenderweise führte dies zu dem gegenteiligen Effekt - seine Kraft und Energie kehrten zurück. Iwanow begann mit täglichen Kaltwassergüssen. 

Nach und nach verzichtete er auf Kleidung. Er trug nur noch knielange Shorts und lief auch im Winter barfuß. Er hörte auf, sich zu rasieren und sich die Haare zu schneiden, ließ seine Frau und zwei Söhne im Stich und wanderte durch die Ukraine und Südrussland, um seine neue „Lehre“ der Einheit mit der Natur zu verbreiten. Die Prinzipien waren einfach: kalte Güsse am Morgen und vor dem Schlafengehen, samstags fasten, regelmäßige Atemübungen im Freien… Doch wodurch erlangte Iwanow breite Bekanntheit? 

Genie oder Wahnsinn? 

So wie Iwanow aussah, war es für ihn ausgeschlossen, im Sowjetstaat der 1930er Jahre Arbeit zu finden. Doch er faszinierte die Menschen, denn in Zeiten der Unsicherheit, der Hungersnot und der antireligiösen sowjetischen Propaganda wies er den Weg zu einem gesunden Lebensstil. 

1935 wurde Iwanow erstmals festgenommen und in eine Nervenheilanstalt in Rostow am Don gebracht. Psychiater diagnostizierten bei ihm Schizophrenie, untersagten ihm die Arbeit und schickten ihn zu seinen Verwandten in der Region Rostow.

Es gibt wenig vertrauenswürdige Informationen über Iwanows Verbleib vor dem Zweiten Weltkrieg. Aber als die Nazis die Region Rostow eroberten, lernten Sie Iwanow als eine lokale Berühmtheit kennen. Die Nazis wollten ihn foltern und begruben ihn stundenlang unter Schnee.  Doch Iwanow erfror nicht. Nach seinen eigenen Berichten hatte er rote Haut und dampfte.  

In den Jahren nach dem Krieg verbreitete Iwanow seine „Lehre“ weiter. Der Ingenieur Eduard Protopopow erinnerte sich an eine Begegnung mit Iwanow im Jahr 1949 in Moskau, wohin er gekommen war, um zu heilen und zu unterrichten. „Der Lehrer wusch alle Füße mit kaltem Wasser aus einem Becken. Dann legte er die Schwerkranken auf die Couch und legte seine Hände auf sie: eine Hand auf ihren Kopf und die andere auf ihre Zehen. Anderen hielt er nur die Hände und sprach über Leben und Gesundheit. Danach gab er allen seinen Rat: „Geben Sie den Bedürftigen, seien Sie freundlich, spucken Sie nicht auf den Boden, trinken Sie nicht, rauchen Sie nicht, fasten Sie am Samstag, waschen Sie Ihre Füße zweimal täglich mit kaltem Wasser.“  Zudem empfahl er, barfuß zu laufen, frische Luft zu atmen und um Gesundheit zu bitten.  

Iwanow erregte die Aufmerksamkeit des KGB. Er wurde in die härtesten psychiatrischen Anstalten der UdSSR eingewiesen. In den Jahren 1951 bis 1954 wurde er wegen antisowjetischer Propaganda in gefängnisähnlichen Nervenheilanstalten zwangsbehandelt. Das Essen dort war normalerweise schlecht. In den 1950er Jahren wurden in psychiatrischen Kliniken fast keine Medikamente eingesetzt. Die „Sonotherapie“ war weit verbreitet: Gefangene erhielten große Dosen Schlaftabletten, so dass sie ständig schliefen, außer während der Mahlzeiten. Nur Iwanows wirklich außergewöhnliche Gesundheit half ihm zu überleben. 1964 wurde er erneut wegen Betrugs festgenommen, aber als psychisch krank eingestuft. Die nächsten vier Jahre verbrachte er erneut in psychiatrischen Anstalten.

Zu diesem Zeitpunkt war Iwanows Ruhm groß. Er reiste oft von seinem Dorf in der Region Rostow nach Moskau, um Menschen zu „heilen“. Einer seiner Schüler erinnerte sich: „Der Lehrer kam oft auf Einladung einiger kranker Menschen nach Moskau. Aus der ganzen Stadt kamen die Leute zum Bahnhof, um den Lehrer zu treffen. “

Die letzten Jahre 

In den 1970er Jahren wurde Porfiri Iwanow ein lokaler „Guru“ in Werchni Kondruschi, einem Dorf in der Region Lugansk in der Ukraine, wo er lebte und Besucher empfing. Im November 1975 bis März 1976 verbrachte er erneut Zeit in einer Nervenheilanstalt, diesmal, weil er einfach nur am 25. Kongress der Kommunistischen Partei der Sowjetunion teilnehmen wollte!

Im Alter von 77 bis 78 Jahren war Iwanow nicht mehr sehr stark und wurde im Krankenhaus fast zu Tode „behandelt“. Seine Schülerin und Freundin Valentina Sucharewskaja schickte ihn als unheilbar krank nach Hause. Drei Tage später besuchte ihn ein Arzt, um zu schauen, ob der alte Unruhestifter bereits tot war. Doch Porfiri öffnete selbst die Tür. 

1979 bekam Iwanow Hausarrest, nachdem eine große Zahl seiner Schüler und Anhänger in sein Dorf gekommen war, um seine Lehren zu feiern. Dieser Hausarrest endete erst 1982, als ein Artikel über Iwanow und seinen gesunden Lebensstil in „Ogonjok“, einem der beliebtesten Magazine der UdSSR, erschien. Insgesamt verbrachte er über zwölf Jahre in Gefängnissen, Krankenhäusern und Irrenanstalten. Porfiri Iwanow starb 1983 im Alter von 85 Jahren.

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