Wie erster Surfer der UdSSR die „kapitalistische“ Sportart beherrschte

Aus dem persönlichen Archiv
Inzwischen ist er fast 80 Jahre alt, aber er treibt noch jeden Tag Sport und erinnert sich an das erste Mal, als er vor mehr als einem halben Jahrhundert auf der Krim auf den Wellen ritt.

August 1966. Nach drei Tagen Warten kommt die Brandung schließlich zum Sandstrand des Kaps Tarchankut. Die Wellen beginnen nachts zu tosen. Bei Tagesanbruch beginnen Nikolaj Popow und seine Freunde, ein nach Vorlagen aus amerikanischen und australischen Zeitschriften gebautes Surfbrett zu testen. „Die Wellen gingen sehr unregelmäßig“, erinnert sich Nikolaj. „Aber trotzdem war es wahrscheinlich das erste Mal in unserem Land, dass jemand gesurft ist."

In der UdSSR gelang es nur wenigen Menschen, Australien, Neuseeland oder die Vereinigten Staaten zu besuchen, wo sich das Surfen entwickelte, mit Ausnahme von Diplomaten und den Korrespondenten der sowjetischen Nachrichtenagentur Nowosti (APN), die Büros in mehr als 120 Ländern unterhielt.

„1966 arbeitete ich für die APN und bat meine Kollegen gezielt um Ratschläge für meine Surfbegeisterung“, sagt Nikolaj. „Ich muss wohl einhundert Leute befragt haben, und es stellte sich heraus, dass, obwohl einige schon vom Surfen gehört hatten, niemand es selbst versucht hatte. In jenen fernen Tagen wurde den Sowjets nicht besonders empfohlen, alle Arten von exotischen Hobbies nachzugehen. Und so wurde mir klar, dass das Schicksal mir eine Mission gegeben hatte – der erste sowjetische Surfer zu werden."

Jack London und ein selbstgebautes Surfbrett

Aber das Interesse an dieser exotischen Sportart entstand bei Nikolaj, dem Kapitän des alpinen Ski-Teams der Moskauer Staatlichen Universität, bereits früher – 1961, als er Jack Londons Roman "Die Reise mit der Snark" in die Hände bekam. Der Autor beschrieb, wie er mit seinen Freunden eine Yacht baute, fast um die ganze Welt segelte und Hawaii und die Polynesischen Inseln besuchte, wo er zum ersten Mal Menschen sah, die auf einem Board surften.

„Das hat mich nachhaltig geprägt, und ich beschloss, auch zu surfen. Es war klar, dass man dafür irgendwo hin in ferne südliche Länder reisen muss, was sehr schwierig war“, erinnert sich Nikolaj.

„Deshalb kam es mir 1965, als ich meinen Universitätsabschluss gemacht hatte, in den Sinn, nach Vorlagen aus alten amerikanischen Zeitschriften selbst ein Board zu bauen. Durch mein Studium an der geografischen Fakultät der Moskauer Staatlichen Universität hatte ich Freunde aus der ozeanologischen Gemeinschaft – ich habe sie mit Fragen gelöchert, um geeignete Orte zum Surfen innerhalb des Landes zu finden.

Meine Freunde kamen zu dem Schluss, dass sich auf der Krim in der Region Jewpatorija und an der kaspischen Küste bei Machatschkala geeignete Surfwellen finden müssten. Es wurde beschlossen, eine Expedition auf die Krim zu organisieren und ein Board aus Styropor zu fertigen. Ich fuhr zusammen mit einem Freund mit dem Auto. Wir mieteten ein Haus am Ufer und begannen, ein Surfbrett zu bauen“, erinnert sich Popow. „Innerhalb von drei Tagen hatten wir geeignete Platten zugeschnitten, mit Epoxidharz verklebt, mit Glasfasermatten überzogen und einen Kiel hergestellt – alles so, wie es in den Zeitschriften stand. Das Board war natürlich nicht sehr langlebig, hielt aber fast einen Monat, bis es schließlich an einer steilen Welle zerbrach.“

Von den USA in die UdSSR

1970 fuhr Nikolaj im Rahmen einer sowjetischen Ausstellung nach Amerika. Diese tourte ein ganzes Jahr lang durch verschiedene Städte, darunter San Francisco und Los Angeles, wo Nikolaj schnell die einheimischen Surfer kennenlernte und fast einen Monat lang die berühmten amerikanischen Surfspots befuhr.

„Man musste schon ein wenig besessen davon sein“, erinnert sich Nikolaj. „Das Board an den Kopf zu bekommen ging ganz schnell, und mal kurz für eine Viertelstunde surfen, war nicht drin – man musste 2 – 3 Stunden Zeit haben, um auf die richtige Welle zu warten, und ich musste bereit sein, diese Zeit im kalten Wasser ohne Neoprenanzug zu verbringen, denn ich hatte damals noch keinen.“

Nach einer kurzen Pause kehrte Nikolaj für zwei Jahre, 1972 – 1974, in die USA zurück, wo er bis Mitte November jede Saison regelmäßig surfte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits einen eigenen Neoprenanzug und ein Board, das er bei befreundeten Surfern für 50 Dollar gekauft hatte.

Bei seiner Rückkehr in die Heimat 1975 setzte sich der erste sowjetische Surfer das Ziel, einheimische Surfspots zu erschließen: Zweimal reiste er mit seinem Zelt auf die Sulak-Halbinsel bei Machatschkala, surfte an der Küste von Riga, in der litauischen Palanga und in der Nähe von Jewpatorija.

„Ich hatte keine Schüler, aber manchmal ließ ich es jemanden auf meinem eigenen Board versuchen. Die Leute waren neugierig. Normalerweise wurde ich nie schräg angeguckt – alle, auch die Behörden und der Komsomol, behandelten mein Hobby mit Respekt und Anerkennung“, erinnert sich Nikolaj.

Beitrag zur Entwicklung

Mitte der Siebzigerjahre veröffentlichte Popow in der Zeitschrift Technika molodjoschi (Jugend und Technik) zwei Artikel über das Surfen, auf die er viele Rückmeldungen aus verschiedenen Teilen des Landes erhielt. Die Leute berichteten über ihre Versuche zu surfen, unter anderem auch auf Sachalin und Kamtschatka. „Das Einzige, worüber sie sich beschwerten, war, dass das Meer sehr kalt war – ohne Neoprenanzug könne man nur knietief ins Wasser“, erzählt Popow.

Dank den Publikationen wurde Nikolaj von Vertretern einer Werft bei Feodossija kontaktiert, die Windsurfbretter konstruierten. „Sie wollten es zusammenklappbar machen, damit man das drei Meter lange schwere Brett in ein Surfbrett verwandeln konnte. Ich habe ihnen geraten, wie man es besser macht und ihnen bei den Tests geholfen“, sagt Nikolaj. Nichtsdestotrotz erwies sich das Board am Ende als schwer manövrierbar, zu dick und nicht ganz zum Surfen geeignet, aber es war einer der ersten Versuche, Surfbretter in der UdSSR zu entwickeln.

Das letzte Mal surfte Nikolaj 1987. Seitdem liegen die beiden Surfbretter, die er in den USA gekauft hat, in seinem Gartenhaus. „Ob ich jetzt noch einmal surfen würde? Wahrscheinlich ja, aber nur wenn die Wellen nicht so hoch sind", lächelt er.

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