Die ersten Telefonleitungen in Russland wurden von Ausländern verlegt. 1881 erwarb das britische Unternehmen Alexander Bell einen Konzessionsvertrag mit 20 Jahren Laufzeit zum Bau von Telefonleitungen in St. Petersburg, Moskau, Odessa, Warschau und Riga.
Die erste russische Telefonzentrale wurde 1882 in St. Petersburg am Newski-Prospekt 26 installiert, und zwar auf einem 5-stöckigen Gebäude. Das war hoch genug, um Telefonkabelmasten auf dem Dach zu installieren. Die ersten Telefonleitungen sollten schnell aufzubauen und kostengünstig sein. Moskaus erste Schaltzentrale war im Popow-Haus in der Kusnezki-Most Straße 12 untergebracht.
Die ersten 26 Telefonbenutzer in Moskau waren sehr reich. Die jährliche Gebühr, die Bell für die Installation und Wartung eines Telefons berechnete, betrug 250 Rubel. Damals kostete der teuerste Pelzmantel 85 Rubel. Die ersten Nutzer in Russland waren also Geschäftsleute, Versicherungsunternehmen, Eisenbahndirektoren und so weiter.
Der erste Anruf in Russland wurde 1879 getätigt. Von St. Petersburg aus wurde im 150 Kilometer entfernten Bahnhof Malaja Wischera angerufen. Die Verbindung war wegen der großen Entfernung schlecht. Zu hören war vor allem das Pfeifen der Dampflokomotiven. Eine menschliche Stimme war kaum zu verstehen und hörte sich an, als käme sie aus dem Untergrund. Der zweite Versuch war erfolgreicher: der Anrufer von St. Petersburg war im 76 Kilometer entfernten Bahnhof Ljuban deutlich genug zu hören.
Die ersten Telefonanlagen waren sehr schwer. Sie wogen ungefähr acht Kilogramm. Um zu sprechen, musste man sich zum Bedienfeld des Geräts beugen und gut zuhören. Der Lautsprecher war zugleich das Mikrofon. Gleichzeitig zu sprechen war nicht möglich. Bald erschienen in Russland komfortablere Telefone von Ericsson aus Schweden mit separatem Sender und Empfänger. Sie eroberten das Land mit Ausnahme der fünf großen Städte, für die Bell die Lizenz hatte.
Adelige Fräuleins als Telefonistinnen
Die ersten Telefone hatten keine Wählscheiben. Man nahm einfach den Hörer ab und drehte den Magnetgriff (elektrischer Generator), um Wechselstrom zu erzeugen. Das Signal ging dann zur Telefonstation, wo ein Bediener den Anruf entgegennahm und weiterleitete. Die ersten Schaltzentralen wurden manuell von „Telefondamen“ bedient.
Die Anforderungen an die Telefonistinnen im Russland des späten 19. Jahrhunderts waren: 18 bis 25 Jahre alt, nicht weniger als 165 cm groß und eine gute Ausbildung. In Anbetracht der Tatsache, dass es zu dieser Zeit in Russland kaum Möglichkeiten für Frauen zur Ausbildung gab, mit Ausnahme der Adelskreise, waren die meisten Telefondamen daher auch junge Adlige aus verarmten Familien, Absolventinnen eines Instituts für Edle Jungfrauen. Sie waren höflich, geduldig und beherrschten Fremdsprachen, was sehr wichtig war, da ein großer Teil der ersten Telefonbenutzer in Russland Ausländer waren.
Die Bedienerin nahm den Anruf entgegen, fragte den Anrufer, welche Nummer er anrufen wolle und leitete entsprechend weiter, in dem durch Umstecken von Kabeln in der Schaltzentrale eine Verbindung aufgebaut wurde. Diese Arbeit erforderte große Konzentration und war oft nervenaufreibend. Die Kunden gaben häufig der Bedienerin die Schuld an einer schlechten Verbindung.
Die Tätigkeit war mit 30 bis 40 Rubel im Monat sehr gut bezahlt, doch die Arbeitszeiten waren hart. Eine Schicht dauerte zwischen sieben und acht Stunden, einschließlich Nachtschichten. Es gab einen freien Tag pro Woche und Urlaub erstmals nach zwei Jahren. „Nervöse Anfälle zwangen die armen Frauen oft dazu, ihre Stellung nach nur anderthalb Monaten aufzugeben, obwohl es so schwer gewesen war, diesen Job zu bekommen“, schrieb das St. Petersburger Magazin „Elektrizität“ im Jahr 1891.
Ericsson übernimmt
Im Jahr 1900 endete die Konzession von Bell und im Jahr 1900 wurden die Rechte von Lars Ericsson gekauft. Er berechnete nur 63 Rubel für die Installation eines Telefons und eroberte den Markt rasch mit seinen praktischen, leichten Telefonen. Bis 1910 gab es bereits 155.000 Teilnehmer im Land und es wurden ständig neue Fernsprechleitungen gebaut.
Ericssons zündende Idee, die ihm in Russland Wohlstand brachte, war die Herstellung kleiner tragbarer Schalttafeln, die zudem günstig waren. Zu dieser Zeit wollten viele lokale Behörden in Russland Telefonstationen installieren, um die Dörfer mit regionalen Zentren zu verbinden. Ericssons neue Schalttafeln deckten diesen Bedarf.
Kaiser Nikolaus II. benutzte das Telefon jedoch nicht oft, obwohl 1903 im Kreml ein Apparat installiert worden war. Auch im Kammerdienerzimmer im Kaiserpalast in Zarskoje Selo gab es ein Gerät. Seine Ehefrau Alexandra Fjodorowna hatte gleich drei Telefone installieren lassen: zwei in ihren Gemächern und eines in den Kinderzimmern.
Die erste automatische Telefonstation wurde 1924, als bereits die Bolschewiki herrschten, im Moskauer Kreml installiert. Die Leitungen und Telefonstationen Ericssons wurden 1917 ebenso wie das Unternehmen selbst von der Sowjetregierung verstaatlicht. Eine Kompensation dafür erhielt Ericsson nicht.