S nowim godom! - Die Neujahrsansprachen der russischen Präsidenten

Kremlin.ru
Das Anschauen der Fernsehansprache des Präsidenten ist in vielen russischen Haushalten ein wichtiger Bestandteil der Neujahrsfeiern.

Die Tradition entstand bereits zu Sowjetzeiten, genauer gesagt am 31.12.1935. Der damalige Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR (formelles Staatsoberhaupt), Michail Kalinin, hielt im Radio eine Ansprache, in der er den Zuhörern ein frohes neues Jahr wünschte. Diese erste Neujahrsansprache konnte allerdings nur von Polarforschern empfangen werden. Am Silvesterabend 1941 richtete Kalinin sich schließlich erstmals an das gesamte sowjetische Volk. Natürlich ging es in dieser Ansprache primär um die Ereignisse des Krieges. 

Michail Kalinin

Dies wiederholte Kalinin bis zu seinem Tod 1946. Danach gab es erstmal keine Neujahrsansprachen mehr. Lediglich 1954 und 1957 richtete sich Marschall Kliment Woroschilow, der damalige Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets, persönlich an die Sowjetbürger. Danach kamen die Neujahrswünsche nur noch allgemein von der sowjetischen Regierung. 

Die Fernseh-Ära

Das änderte sich 1970, als der damalige Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Leonid Breschnew, seine erste Fernseh-Neujahrsansprache hielt. Anders als es heute üblich ist, waren Breschnews Ansprachen allerdings eher Berichte über die Regierungsarbeit der letzten Jahre als Neujahrsglückwünsche.

Als Breschnew Ende der 70er-Jahre krank wurde, verlas der berühmte Nachrichtensprecher Igor Kirillow die Ansprachen. Auch Breschnews Nachfolger Juri Andropow und Konstatin Tschernenko traten nicht persönlich vor die Fernsehkameras. 

Erst Gorbatschow übernahm die Rede 1985 wieder selbst, allerdings nur um in den Jahren darauf den Weg für eine ganz besondere Lösung frei zu machen: Zwischen 1986 und 1988 übernahm US-Präsident Reagan die Neujahrsansprachen im sowjetischen Fernsehen, während Gorbatschow sich an die Amerikaner richtete. Es symbolisierte das Ende des Kalten Krieges. 

Im modernen Russland 

Die nächste besondere Neujahrsansprache gab es 1991. Gorbatschow selbst war im Dezember dieses Jahres zurückgetreten, so dass der damalige Präsident der Russischen Sowjetrepublik Boris Jelzin die Rede übernahm. Allerdings zeigte man Jelzins Ansprache bereits am 30. Dezember.

Zum eigentlichen Sendeplatz der Ansprache des Regierungschefs, am Silvesterabend kurz vor Mitternacht, sprach der Satiriker Michail Sadornow. Sadornow hielt sich leider nicht ganz an den Zeitplan, so dass die Zuschauer während der Live-Übertragung die Glocken des Spaskaja-Turms zu Mitternacht läuten hören konnten. 

In den Jahren hielt Jelzin, inzwischen offiziell Präsident der Russischen Föderation, seine Rede stets persönlich aus seinem Büro im Kreml. 1994 etablierte er eine neue Tradition, indem er zum Ende seine Rede ein Glas Champagner in die Hand nahm und über den Bildschirm mit den Russen zum neuen Jahr anstieß. Kein anderer Redner hatte dies zuvor getan. 

1999 passierte erneut etwas Unerwartetes: Jelzins Ansprache wurde bereits am Mittag gezeigt und statt den Russen nur zum neuen Jahr zu gratulieren, verkündigte Jelzin zudem auch seinen Rücktritt. Am späten Abend, kurz vor Mitternacht, wiederholte das russische Fernsehen Jelzins Rede und übertrug direkt danach die erste Ansprache von Jelzins Nachfolger Wladimir Putin. 

Seitdem haben weder Putin noch Medwedjew ihre Ansprachen verpasst. 

Die Produktion 

Es ist kein Geheimnis, dass die Rede im Voraus aufgezeichnet wird. Da Russland sich insgesamt über elf Zeitzonen erstreckt, gibt es ohnehin keine Alternative. Gefilmt wird irgendwann in der zweiten Dezemberhälfte, abhängig vom Wetter und vom Zeitplan des Präsidenten. Der Dreh beginnt ebenfalls nicht um Mitternacht, sondern sobald es dunkel wird. 

Rund eine Stunde vor Drehbeginn verjagen speziell dafür trainierte Falken die im Kreml lebenden Raben. Schon bevor der Präsident eintrifft, beginnen die ersten Vorbereitungen. Nachdem die Filmcrew das Equipment aufgebaut hat, gibt es eine kleine Generalprobe, in der ein Vertreter des präsidialen Medienteams die Rolle des Präsidenten übernimmt. Der Staatschef kommt erst an, wenn alles fertig ist. 

Seine Rede liest er dann - ähnlich wie zum Beispiel Nachrichtensprecher - von einem Teleprompter ab. Dennoch braucht es oft mehrere Anläufe, bis es perfekt ist. Normalerweise dauert das Filmen der Rede etwa 20 Minuten. 

Der Inhalt 

In den Neujahrsansprachen fasst der Präsident in der Regel zunächst die Ereignisse des vergangenen Jahres zusammen. 2004 betonte Putin zum Beispiel die damals gute Wirtschaftslage, während er 2014 an die Olympischen Winterspiele in Sotschi erinnerte. Außerdem wünscht das Staatsoberhaupt Russland und den Russen alles Gute für das neue Jahr. Medwedew wünschte den Russen zum Beispiel jedes Jahr Liebe und Glück. 2009 zeigte er sich optimistisch, dass das Land seine Schwierigkeiten überwinden würde. Putin wünschte Russland 2015 Wohlstand und Zufriedenheit. 

Nach der Rede des Präsidenten erklingen zunächst die Glocken des Spaskaja-Turmes. Danach wird die russische Nationalhymne gespielt. 

Die Orte 

Anders als ihre Vorgänger hielten Putin und Medwedjew ihre Reden nicht aus ihrem Büro aus, sondern normalerweise von verschiedenen Plätzen im Umkreis des Kremls. Putins Reden werden für gewöhnlich am Iwanowskaja-Platz innerhalb der Kremlmauern gefilmt. Im Hintergrund sieht man dann entweder den Troitskaja-Turm und den staatlichen Kremlpalast (so zum Beispiel zwischen 2001 und 2007) oder den Senatspalast und den Spaskaja-Turm (wie in den letzten Jahren). 

Medwedew dagegen hielt seine Reden üblicherweise von der Patriarschi-Brücke. Im Hintergrund sieht man von dort aus dann den gesamten Kreml. 

In Ausnahmefällen hat Putin seine Reden aber auch schon außerhalb der Kremlumgebung gehalten. 2013 reiste er nach Chabarowsk in Sibirien, um die unter den Folgen der Flutkatastrophe im Herbst des gleichen Jahres leidende Region zu unterstützen. Da am 29. und 30. Dezember ein Terroranschlag in Wolgograd stattfand, bei dem 34 Menschen starben, wurde die Rede am Silvesterabend im Kulturzentrum von Chabarowsk erneut aufgenommen, um auch den Opfern der Attacke in der Ansprache gedenken zu können. Das ganze Land, abgesehen von Kamtschatka und einigen anderen Regionen im äußersten Osten, wo eine Änderung aufgrund der Zeitverschiebung nicht mehr möglich war, sah die neue Rede. 

Im Jahr darauf hielt Putin die Rede dann wieder aus der Umgebung des Kremls. Da der Spaskaja-Turm aufgrund von Renovierungsarbeiten eingerüstet war, entschied man sich jedoch, den Großen Kremlpalast in den Hintergrund zu setzen. 

2018 sollen 15,1% der Russen (rus) Putins Rede im „Perwy Kanal“ (Erster Kanal) verfolgt haben. Damit war die Ansprache von 2018 die meistgesehene russische Neujahrsansprache aller Zeiten.  

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