Die berüchtigtsten Hochstapler der russischen Geschichte

Falscher Dmitry I. Aus Thesaurus picturarum, 1564-1606. Gefunden in der Sammlung der Universitäten und der Landesbibliothek Darmstadt.

Falscher Dmitry I. Aus Thesaurus picturarum, 1564-1606. Gefunden in der Sammlung der Universitäten und der Landesbibliothek Darmstadt.

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Diese Männer wollten den russischen Thron erobern und gaben sich dazu als totgeglaubte Thronfolger aus. Einer wurde sogar russischer Zar, wenn auch nur für kurze Zeit.

Falscher Dmitri I.

Dieser Mann war der erste in der russischen Geschichte, der nach einem Volksaufstand den Thron bestieg - und das unter falscher Identität! Wer dieser Mann wirklich war, wird noch immer heftig diskutiert. In der Zeit der Wirren tauchte er plötzlich auf und behauptete, Zarewitsch Dmitri Iwanowitsch (1582-1591) zu sein, der jüngste Sohn von Iwan dem Schrecklichen und Maria Nagaja, seiner letzten Frau. Angeblich habe er ein Attentat, das im Jahr 1591 auf ihn verübt worden war, überlebt.

„Dmitri“ gab sich in Polen als vermeintlicher Zarewitsch zu erkennen. König Sigismund III. Wasa erkannte ihn als Sohn Iwan des Schrecklichen an. Vielleicht glaubte ihm der polnische König nicht wirklich, aber er wollte den Betrüger benutzen, um russische Länder anzugreifen. Dmitri versammelte mehrere tausend Soldaten und fiel in das von Unruhen heimgesuchte Russland ein, wo er plötzlich viele Anhänger fand, die in ihm den Sohn des Zaren sahen.

Passenderweise starb Zar Boris Godunow unerwartet in Moskau. Dmitri versprach sowohl den Adligen als auch den Bauern große Veränderungen. Er zog im Juni 1605 in den Moskauer Kreml ein und wurde einen Monat später zum russischen Zaren gesalbt. Er holte viele Bojaren aus dem Exil zurück, schaffte in einigen russischen Ländern die Steuern ab und erhöhte sie in anderen. Zudem beschlagnahmte er Ländereien der russischen Kirche.

Skizze für das Gemälde „Zeit der Wirren. Falscher Dmitri I.“ von Sergei Kirillow.

Schon bald verdächtigten die Russen Dmitri, ein Hochstapler zu sein. Er hielt sich nicht an die Fastenzeiten und kannte die russischen Kleidungs- und Alltagstraditionen nicht. Für Empörung sorgte vor allem, dass er Schinken aß, was nach russischen Gepflogenheiten strengstens verboten war. Er trug europäische Kleidung, verbrachte seine Zeit mit Ausländern und heiratete Marina Mniszech, eine katholische polnische Adlige. Dmitri brach fast jeden russisch-orthodoxen Brauch, den ein Zar hätte beachten sollen.

Am Ende wurde der falsche Dmitri kaum eine Woche nach seiner Hochzeit am 17. Mai 1606 von einer Menge aufgebrachter Adliger gewaltsam getötet. Die Menge wurde von Wassili Schuiski (1552-1612) angeführt, der der nächste Zar werden sollte.

Falscher Dmitri II.

Falscher Dmitri II.

Kurioserweise gab es in der russischen Geschichte nicht nur einen falschen Dmitri, sondern sogar vier! Aber nur die ersten beiden wurden als Zaren bezeichnet. Der erste falsche Dmitri wurde tatsächlich zum Zaren gesalbt, während der zweite falsche Dmitri nur über sein selbst erschaffenes Zarenreich herrschte, das für eine kurze Zeit auf russischem Territorium existierte.

Die Identität des zweiten falschen Dmitri ist bis heute unbekannt. Da die Leiche des ersten falschen Dmitri schwer verstümmelt war, dachten einige, er habe den Mordanschlag überlebt und dieser neue Dmitri sei noch immer der Sohn Iwan des Schrecklichen. Im Jahr 1607 fand Michail Molchanow (gest. 1611), ein russischer Adliger und Hochstapler, der an der Ermordung von Boris Godunows Sohn und Frau beteiligt war, einen Belorussen, der dem ersten falschen Dmitri ähnelte, und brachte ihn mit einer Mischung aus Drohungen und Versprechungen dazu, sich zum überlebenden Zarewitsch Dmitri zu erklären.

Über diese Person ist nichts wirklich bekannt, außer dass sie die russisch-orthodoxen Bräuche kannte und fließend Polnisch sprach. Sehr bald legte die Garnison der Stadt Starodub (jetzt in der Region Brjansk in Russland), in der der zweite falsche Dmitri erschien, einen Eid auf ihn als Zar ab, und seine Armee begann zu wachsen. Im Winter 1608 eroberte er die Stadt Orjol.

1608 zerschmetterte die etwa 30.000 Mann starke Armee von Dmitri die Armee von Zar Wassili Schuiski. An der Eroberung Moskaus scheiterten Dmitris Soldaten. Er ließ ein  Militärlager in Tuschino errichten, nordwestlich der Hauptstadt (heute ein Bezirk von Moskau). Dies brachte ihm den Beinamen „Dieb von Tuschino“ ein.  Dort herrschte Dmitri als Zar und akzeptierte den Schwur verschiedener russischer Städte. Irgendwann war der größte Teil des russischen Zarenreichs unter seiner Kontrolle, mit Ausnahme der größten Städte Nowgorod, Kasan, Smolensk und Nischni Nowgorod, die Wassili treu blieben. Es gab in Russland eine Weile zwei Zaren, zwei Dumas sowie zwei Patriarchen und zwei Verwaltungen. Darüber hinaus prägte die Regierung des zweiten falschen Dmitri auch ihre eigenen Münzen.

Zur gleichen Zeit wurde Russland von der polnischen Armee unter der Führung von Sigismund III angegriffen. Dmitri und seine Soldaten zogen nach Kaluga und versuchten dann erneut, Moskau anzugreifen. 1610 wurde Wassili Schuiski abgesetzt und die Übergangsregierung der „sieben Bojaren" gab die Kontrolle über Moskau an die polnische Garnison ab.

Es waren jedoch nicht die Polen, die den zweiten falschen Dmitri im Dezember 1610 ermordeten, sondern der tatarische Fürst Pjotr Urusow, sein eigener Sicherheitschef. Dies geschah in der Region Kaluga, wo Dmitri auch begraben wurde - als einfacher Mann, nicht als Zar. Der genaue Ort seiner Grabstätte ist unbekannt.

Falscher Alexis I.

„Stepan Rasin“ von Sergei Kirillow.

Der dritte und der vierte falsche Dmitri waren nicht annähernd so erfolgreich wie die ersten beiden. Die Russen hörten einfach auf, an die Möglichkeit zu glauben, dass Iwans Sohn überlebt haben könnte. Lange Zeit gab es keine potenziellen Familienangehörigen des Zaren, die „verkörpert" werden konnten - bis Simeon Alexejewitsch (1665-1669) und Alexei Alexejewitsch (1654-1670), die Söhne des Zaren Alexei Michailowitsch (1629-1676), starben.  Gerüchten zufolge wurden beide Söhne des Zaren von Bojaren vergiftet, die versuchten, die Macht in Russland zu übernehmen. Es ging auch das Gerücht herum, dass der 15-jährige Alexei, der Thronfolger, auf wundersame Weise entkommen und in die Wolga-Region geflohen sei.

Diese Gerüchte wurden vom Kosakenkommandanten Stepan Rasin (1630-1671) benutzt, dem Anführer des Bauernaufstands, der in der Wolga-Region tobte. Der falsche Alexis I., der wahrscheinlich in Wahrheit ein unbekannter Bauer war, erschien im August 1670 in Razins Lager, als Rasins Bauernarmee in der Region Samara stationiert war. Zunächst war Rasin dem Betrüger gegenüber feindselig gestimmt gewesen und soll ihn sogar „geschlagen und an den Haaren gezogen“ haben. Später jedoch stellte er ihn der Öffentlichkeit als den auf wundersame Weise überlebenden Thronfolger vor. Rasin erzählte dem Volk, dass er auf einer Mission sei, den wahren Erben dessen Vater, Zar Alexei Michailowitsch, in Moskau zurückzugeben. Der falsche Alexis reiste per Schiff, das standesgemäß mit rotem Samt ausgeschlagen worden war. Seine Fahrt wurde von Treueschwüren des russischen Volkes begleitet.

Über den falschen Alexis I. ist weiterhin nicht viel mehr bekannt, außer dass er wahrscheinlich im Oktober 1670 gefangen genommen wurde, nachdem Razins Armee in der Nähe von Simbirsk (heute Uljanowsk, Russland) niedergeschlagen worden war. Alexis wurde im Juni 1671 in Moskau hingerichtet, kurz nach Razins Hinrichtung.

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