Der Krieg, den Nazi-Deutschland gegen die Sowjetunion führte, war ein Vernichtungskrieg. Während die Aggressoren in den besetzten westlichen Ländern ebenfalls nur ein Mindestmaß an zivilisiertem Verhalten gegenüber der einheimischen Bevölkerung zeigten, wahrten sie diesen Anstand gegenüber den sogenannten „Untermenschen“ des Ostens nicht.
Siebeneinhalb Millionen Bürger wurden in den besetzten Gebieten der UdSSR systematisch ermordet, weil sie verdächtigt wurden, die Partisanen zu unterstützen - darunter Juden, Sinti und Roma, Kommunisten und Zivilisten.
Kriegsverbrechen wurden nicht nur von den Einsatzgruppen - paramilitärischen Todesschwadronen, die speziell für die Vernichtung von Juden und Bolschewiken aufgestellt wurden - begangen, sondern auch von Soldaten der Waffen-SS und der Wehrmacht. Sie wurden aktiv von baltischen, weißrussischen, ukrainischen und russischen Kollaborateuren unterstützt.
Babyn Jar
Am 19. September 1941 nahmen deutsche Truppen Kiew, die Hauptstadt der sowjetischen Ukraine, ein. Acht Tage später begannen dort Massenerschießungen. Die ersten Opfer waren 752 Patienten einer örtlichen psychiatrischen Klinik.
Ihnen folgte die jüdische Bevölkerung Kiews, die den Befehl erhielt, sich am 29. September um 8 Uhr morgens in der Schlucht von Babyn Jar im Nordwesten der Stadt einzufinden, angeblich zur Zählung und Umsiedlung. Auf Gehorsamsverweigerung stand die Todesstrafe.
Tausende packten ihr Hab und Gut und machten sich ahnungslos auf den Weg in den sicheren Tod. Diejenigen, die ihr Schicksal erahnten und versuchten zu fliehen, wurden mit Gewalt in die Schlucht geschleift. „Meine Mutter versuchte, uns so gut wie möglich abzuschirmen, damit die Schüsse sie und nicht uns trafen“, erinnerte sich Genja Bataschewa, die wie durch ein Wunder überlebte: „Die Leute rissen sich an den Haaren, schrien hysterisch, wurden verrückt. Ich sah ein Baby am Boden weinen. Ein Faschist ging auf das Baby zu und schlug mit dem Gewehrkolben dessen Kopf ein. Wahrscheinlich verlor ich das Bewusstsein, ich weiß nicht mehr, was dann geschah.“
An der Hinrichtungsstätte wurden die Verurteilten in Gruppen von 30 bis 40 Personen am Rande des Abgrunds aufgereiht und mit Maschinengewehren hingerichtet. Die Schüsse wurden durch Musik und den Lärm eines über die Schlucht fliegenden Flugzeugs übertönt. Kleine Kinder wurden noch lebend einfach nach unten gestoßen.
Am 29. und 30. September wurden 33.771 Menschen auf diese Weise erschossen. So vernichteten die faschistischen Invasoren in zwei Tagen fast die gesamte jüdische Bevölkerung Kiews. Bis zur Befreiung der Stadt durch die Rote Armee im Jahr 1943 wurden in Babyn Jar etwa 70.000 bis 200.000 Menschen ermordet.
Chatyn
Am Morgen des 22. März 1943 geriet eine deutsche Einheit des 118. Schutzmannschaftsbataillons in der Region Minsk im sowjetischen Weißrussland in einen Hinterhalt der Partisanenbrigade von Wassili Woronjanski. Bei dem Feuergefecht wurden mehrere Soldaten getötet, darunter auch ein Günstling Adolf Hitlers, der Berliner Olympiasieger im Kugelstoßen von 1936, Hans Welke.
Die Partisanen wurden von Mitgliedern des Bataillons, hauptsächlich ukrainischen Kollaborateuren, sowie der berüchtigten SS-Brigade Dirlewanger in das Dorf Chatyn zurückverfolgt. Nach einem kurzen Scharmützel musste das Dorf aufgegeben werden und wurde sofort von den Todesschwadronen eingekesselt.
Die Bewohner wurden aus ihren Häusern in eine Scheune getrieben und dort eingesperrt. Als die Ukrainer das Strohdach in Brand setzten, brach Panik aus. Die Menschen schrien, weinten, flehten um Gnade und versuchten, die verschlossenen Türen aufzubrechen. Als es ihnen schließlich gelang, die Türen aus den Angeln zu heben und aus dem brennenden Schuppen zu fliehen, wurden sie mit Maschinengewehrfeuer empfangen. „Mein 15-jähriger Sohn Adam und ich waren in der Nähe der Wand, abgeschlachtete Menschen fielen auf mich, die noch Lebenden rauschten wie eine Welle vorbei, Blut strömte aus den Körpern der Verwundeten und der Toten“, erinnert sich Joseph Kaminski. „Das brennende Dach stürzte ein, das wilde, schreckliche Heulen der Menschen verstärkte sich. Diejenigen, die sich darunter befanden, verbrannten bei lebendigem Leibe, schrien und zuckten, das Dach drehte sich buchstäblich.“ Kaminski überlebte, verlor aber seinen Sohn.
149 Menschen wurden in der verschlossenen Scheune bei lebendigem Leibe verbrannt, darunter 75 Kinder, von denen das jüngste, Tolik Jaschkewitsch, erst sieben Wochen alt war. Nach der Ermordung der Bevölkerung von Chatyn plünderten die Deutschen und Ukrainer das Dorf und brannten es danach nieder.
Chatyn war keineswegs das erste oder letzte sowjetische Dorf, das von den Nazis mitsamt seinen Bewohnern dem Erdboden gleich gemacht wurde. Aber es wurde zu einem der stärksten Symbole für die Nazi-Grausamkeit in den besetzten Gebieten.
Die Vernichtung von Chatyn ist die Basis der Handlung eines der schrecklichsten Filme über den Zweiten Weltkrieg, „Komm und sieh“ von Regisseur Elem Klimow aus dem Jahr 1985. „Ich dachte mir: Die Welt weiß nichts über Chatyn! Sie weiß von der Hinrichtung polnischer Offiziere, aber nichts über Weißrussland, obwohl dort mehr als 600 Dörfer niedergebrannt wurden! Also beschloss ich, einen Film über diese Tragödie zu drehen“, erklärte der Regisseur.
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Korjukowka
In der Nacht des 27. Februar 1943 griff eine Gruppe unter der Führung des legendären sowjetischen Partisanen Alexej Fedorow die ungarische Garnison an, die im Dorf Korjukowka in der Region Tschernihiw in der sowjetischen Ukraine stationiert war. Dabei wurden 78 feindliche Soldaten getötet und acht gefangen genommen. Außerdem wurden eine Holzmühle, die Kommandantur, der Bahnhof, eine Brücke und ein Treibstofflager in die Luft gesprengt und über hundert Gefangene aus dem Gefängnis befreit.
Als Vergeltung zielten die Besatzer nicht auf die Partisanen, sondern auf die Einwohner von Korjukowka. Am 1. März kesselten SS-Kommandos und Einheiten der 105. ungarischen Division und der ukrainischen Hilfspolizei das Dorf in einer Zangenbewegung ein. Unter dem Vorwand, Dokumente zu prüfen, drangen die Todesschwadronen in die Häuser ein und erschossen die Bewohner. Andere wurden in ihren Wohnungen eingeschlossen und bei lebendigem Leib verbrannt. Flüchtige wurden erschossen. Das örtliche Theater, die Schule, das Restaurant und die Klinik wurden zu Orten von Massenexekutionen. In der Hoffnung, zu entkommen, flüchteten etwa 500 Menschen in die Kirche, aber auch sie wurden ermordet, zusammen mit dem Priester.
„Meine kleine Tochter lag auf meiner Brust, als sie im Restaurant anfingen, auf uns zu schießen. Die Menschen wurden wie Vieh in ein Schlachthaus getrieben... Ein Faschist schoss mir ins Auge... An alles andere erinnere ich mich nicht. Drei meiner Kinder wurden getötet. Ich konnte sie nicht einmal begraben... Die elenden Mörder haben sie verbrannt“, erinnert sich der Überlebende Jewgenij Rymar.
Zwei Tage lang wüteten die Todesschwadronen in dem Dorf, brannten 1.390 Häuser nieder und töteten etwa 6.700 Menschen (5.612 Leichen konnten nicht identifiziert werden), was das Massaker von Korjukowka zu einem der schlimmsten Kriegsverbrechen der Nazis im Zweiten Weltkrieg machte.