Wie Peter der Große Maurer nach Sankt Petersburg zwang

Russia Beyond (Foto: Walentin Serow/Tretjakow-Galerie; Gemeinfrei; Pixabay)
Für einen kurzen Zeitraum in der russischen Geschichte waren steinerne Häuser ausschließlich in Sankt Petersburg erlaubt.

„Da es schwer ist, Maurer und andere Handwerker zu einem vernünftigen Preis zu finden, dauert der Bau steinerner Gebäude hier in Sankt Petersburg länger als erhofft. Daher ist jede steinerne Konstruktion für einige Jahre verboten und wird mit Exil und Enteignung des betreffenden Gebäudes geahndet.“ - Dies war der Wortlaut der Verordnung, mit der Peter der Große den Russen 1714 den Bau steinerner Gebäude untersagte. 

Zehn Jahre nach der Gründung Sankt Petersburgs war es immer noch schwer, Maurer und Steinmetze zu finden. Mit dem Verbot steinerner Gebäude außerhalb Sankt Petersburgs wollte Peter der Große Maurer und Steinmetze aus dem ganzen Land dazu zwingen, in Sankt Petersburg zu arbeiten. Dazu kamen noch andere Maßnahmen, um den Bau der neuen, steinernen Hauptstadt zu beschleunigen. 

Tödliche Bauarbeiten 

Peter der Große beim Bau von St. Petersburg.

Für den russischen Staat war der Bau Sankt Petersburgs auch ein Prestigeprojekt. Der komplette Neubau einer modernen europäischen Hauptstadt auf den sumpfigen Böden an der Newa-Mündung verhalf dem einst als rückständig geltenden Zarenreich zu neuem Ansehen in ganz Europa. Dafür nahm man auch in Kauf, dass zahlreiche Arbeiter auf der Baustelle ums Leben kamen. 

Der französische Gesandte Jacques de Campredon schätzte die Zahl der Opfer 1723 auf 150.000, der Brite Francis Dashwood ging zehn Jahre später sogar von der doppelten Zahl aus. Heutige Historiker sind dagegen der Meinung, dass die Sterberate auf der Baustelle nicht signifikant höher war als im restlichen damaligen Russland. 

In Sankt Petersburg gab es zwei Gruppen von Bauarbeitern. Den größten Teil stellten die unqualifizierten Arbeiter, die als Leibeigene ohnehin dem Staat gehörten. Die russische Historikerin Jekatarina Andrejewa geht davon aus, dass zwischen 1703 und 1712 rund 190.000 unqualifizierte Bauern auf Befehl des Zaren zur Baustelle nach Sankt Petersburg geschickt wurden. Die Arbeiter erhielten Löhne, hatten Zugang zu medizinischer Versorgung (was damals absolut keine Selbstverständlichkeit war) und konnten nach drei Monaten wieder nach Hause gehen. 

Die andere Gruppe bestand aus qualifizierten Arbeitern wie Steinbrucharbeitern, Steinmetzen, Schmieden und Zimmerer. Diese wurden etwas besser bezahlt als die Leibeigenen. Andrejewa schätzt, dass zwischen 1704 und 1711 rund 14.000 dieser qualifizierten Arbeiter in Sankt Petersburg arbeiteten. Somit scheint es unmöglich, dass beim Bau der Stadt Hunderttausende gestorben sein sollen. Es waren schlicht nie so viele Arbeiter in der Stadt. 

Dennoch fehlten Arbeiter an jeder Ecke. „Der größte Mangel besteht an Schmieden, ohne sie stehen einige Baustellen komplett still. Auch Zimmerer werden dringend gebaucht.“ schrieb ein Sankt Petersburger Beamter 1705. 

Fehlende Steine 

Der Beginn des Baus von St. Petersburg.

Der größte Rückschlag für die Bauarbeiten war aber das Fehlen von Steinen. In den ersten Jahren des Baus verbrauchten die Steinbrennereien der Region fast das gesamte vorhandene Feuerholz, wodurch ab 1710 Holz aus anderen Landesteilen importiert werden musste. Der Historiker Sergej Luppow schätzt, dass die Steinbrennereien der Region Sankt Petersburg in den 1710er Jahren jährlich rund 15 Millionen Steine produzierten, was für etwa 30 Regierungsgebäude reichte. Die meisten Steine wurden ohnehin für die Peter-und-Paul-Festung oder den Winterpalast benötigt. Die meisten Häuser waren daher noch aus Holz gebaut. Um Stein zu sparen, teilten viele Häuser sich einige Wände mit den Nachbargebäuden.  

1709 ordnete Peter der Große an, dass Minister, Generäle und Adelige in Sankt Petersburg steinerne Häuser bauen sollten. 1713 wurde die Verordnung auf alle Beamten des Hofs ausgeweitet.

Petersburg in 1705.

1714 trat schließlich das Verbot steinerner Häuser außerhalb Sankt Petersburgs in Kraft. Wirklich erfolgreich war es jedoch nicht. Um 1717 waren immer noch die meisten Häuser auf dem Petrowskaja-Ufer, wo Peters Entourage wohnte, hölzern. Nur der Kanzler Gavrijil Golowkin lebte in einem Steinhaus, dazu kamen der Sommerpalast, der Winterpalast und einige Adelsresidenzen am Fluss Fontanka.  

Einfache Leute mussten in einer gewissen Entfernung von Stadtzentrum und Winterpalast  auf der Wassiljewski-Insel bauen. Im Jahre 1726 war jedoch immer noch nicht einmal die Hälfte der Grundstücke auf der Insel vergeben. 1741 endete das Steinverbot in Russland. Sankt Petersburg blieb dennoch noch lange Zeit eine hauptsächlich hölzerne Stadt. 1798 waren 1.834 von 6.072 Häusern steinern, 1833 waren es 2.730 von 7.976 Häusern. Selbst die Wünsche Peters des Großen wurden nicht alle wahr. 

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!