Holocaust: Diese Russen retteten Juden vor den Nazis

Galina Sanko/МАММ/МДФ/russiainphoto.ru
Während des Großen Vaterländischen Krieges gewährten sie den Juden in ihren Häusern Schutz und riskierten dabei ihr eigenes Leben und das ihrer Familien.

Vom 17. Januar bis zum 4. Februar finden in Russland anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktags am 27. Januar eine Reihe von Gedenk- und Bildungsveranstaltungen statt.

An diesem Tag gedenken wir auch der Menschen, denen der Staat Israel den Titel Gerechter unter den Völkern verliehen hat. Dieser Titel wurde an Nicht-Juden verliehen, die während der Besetzung Europas durch die Nazis und während des Zweiten Weltkriegs ethnische Juden gerettet haben. In Russland wurde der Titel Gerechter unter den Völkern an 215 Personen verliehen. Wir erzählen von vier von ihnen.

Jekaterina Korolkowa: die Retterin von Frieda Rabinowitz

Kurz vor Kriegsbeginn arbeitete Jekaterina Korolkowa als Krankenschwester in einem psychiatrischen Krankenhaus im Dorf Kolmowo, das in der Nähe von Welikij Nowgorod lag und heute innerhalb der Stadtgrenzen liegt. Während der Besatzung wurde das Krankenhaus in ein Lazarett für verwundete Soldaten und Zivilisten umgewandelt. Eines Tages traf eine Frau das achtjährige Mädchen Frieda Rabinowitz, die Tochter eines ehemaligen Kollegen, die am Bein verwundet war. Die Mutter des Mädchens wurde zusammen mit anderen Juden gezwungen, das Dorf auf Befehl der Nazis zu verlassen.

Obwohl das Krankenhauspersonal von Friedas jüdischer Herkunft wusste, halfen alle bei ihrer Behandlung und versteckten das Kind vor der Nazi-„Justiz“. Jekaterina Korolkowa nahm das Mädchen mit nach Hause und wurde ihre zweite Mutter. Während der Durchsuchungen versteckte die Frau das Kind und beschloss später, Frieda taufen zu lassen, um eine Geburtsurkunde mit einem neuen Namen zu erhalten. Frieda hieß von nun an Ljuba Korolkowa.

Ende 1943 wurde das Krankenhauspersonal nach Litauen verlegt und auch die Familie von Jekaterina Korolkowa blieb nicht von der Deportation verschont. Im August 1941 hatten Nazi-Soldaten ihren Sohn erschossen und ihre Tochter wurde zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt.

Nach dem Krieg wurde das jüdische Mädchen von ihrem Onkel gefunden und nach Leningrad gebracht. Trotz der Trennung blieb Frieda mit ihrer zweiten Mutter bis zu deren Lebensende in Kontakt.

1999 wurde Jekaterina Korolkowa der Titel Gerechte unter den Völkern verliehen.

Tamara Artemjewa: das Kindermädchen, das seinen Zögling rettete

Vor dem Zweiten Weltkrieg lebte Tamara Artemjewa in Leningrad, wo sie das Kindermädchen des dreijährigen jüdischen Jungen Mark Feldman war. Im Sommer 1941 machte die Familie Feldman (die Großmutter und Mark) zusammen mit Tamara Urlaub in dem Dorf Sagromotje (Gebiet Pskow), wo alle Verwandten des Kindermädchens lebten.

Am 22. Juni waren sie im Dorf, aber die Großmutter des Jungen musste in die Stadt zurückkehren. Sie beschloss, ihren Enkel an diesem ruhigen Ort zurückzulassen, weil sie glaubte, dass das Dorf während des Krieges der sicherste Ort für ein Kind sei. Aber auch hierher kamen die Nazis.

Die Einheimischen wussten über Marks Nationalität Bescheid, so dass die Familie Artemjew nach dem Einmarsch der Invasoren befürchtete, dass jemand sie denunzieren würde. Doch kein einziger Mensch verriet das Geheimnis des Kindes. Während des Krieges hatte Tamara Artemjewa viel Pech: Ihr Vater starb an einem Herzinfarkt und ihr Haus brannte ab, so dass sie gezwungen waren, umzuziehen. Im Frühjahr 1944 kehrte Mark nach Hause zu seiner Mutter und Großmutter zurück.

1995 wurde Tamara Artemjewa und ihren Eltern Wassilij und Polina der Titel Gerechte unter den Völkern verliehen.

Vera Burjatschok: eine kleine Familie

Vera Burjatschok lebte allein (ihre Verwandten wurden nach Sibirien verbannt, ihr Mann und ihr Sohn wurden getötet) auf dem Gehöft Nesajmanowskoje im Bezirk Timaschewsk.

Die Region wurde im August 1942 von den Nazis besetzt. Eines Tages erfuhr die Frau von einem fünfjährigen jüdischen Jungen, der aus Leningrad evakuiert und ohne Eltern zurückgelassen worden war. Gena (dessen richtiger Name Heinrich lautete) lebte eine Zeit lang bei Vera Burjatschoks Nachbarn, aber seine neue Familie kümmerte sich nicht um ihn und der Junge vagabundierte den ganzen Tag auf den Straßen umher und bettelte bei den Leuten um Essen. Vera beschloss, ihn bei sich aufzunehmen, obwohl sie sich des Risikos bewusst war, das sie damit einging. Die beiden kamen sich so nah, dass er ihr den toten Sohn ersetzte, während sie zur Mutter des Jungen wurde.

Nach der Befreiung bat die Frau die Behörden, das Kind adoptieren zu dürfen, da sie davon ausging, dass seine Eltern tot waren. Doch 1943, nach langer Suche, erschien Genas Schwester auf den Hof. Trotz ihrer starken Zuneigung zu dem Jungen und ihrer Einsamkeit ließ Vera Burjatschok das Kind gehen, da sie verstand, dass seine leibliche Mutter auf ihn wartete und sich sehr nach ihm sehnte.

Gena lebte wieder bei seinen Eltern, aber jeden Sommer besuchte die ganze Familie seine Retterin und half ihr im Haushalt.

Der Titel Gerechte unter den Völkern wurde Vera Burjatschok 1997 verliehen.

Inna und Isabella: unzertrennliche Schwestern

Isabella Dudina lebte zu Beginn des Krieges in Leningrad und wurde später zu ihrem Vater nach Kursk gebracht. Fast unmittelbar danach drangen die Nazis in die Stadt ein.

Im Jahr 1941 kam eine Frau zum Haus der Familie Dudin mit der Bitte, ihre Nichte zu retten, die niemand aufnehmen wollte. Isabellas Vater Nikolai und ihre Stiefmutter Ljubow stimmten zu, die kleine Inna bei sich zu behalten, obwohl das Verstecken von Juden mit großen Gefahren verbunden war. Während des Krieges machten die Nazis nicht nur Jagd auf erwachsene Juden, sondern auch auf Kinder, die sich deshalb verstecken mussten. Gleich am nächsten Tag wurde beschlossen, Inna taufen zu lassen, damit sie einen neuen Namen erhielt, der bei den Nazis keinen Verdacht erregen würde. Das Mädchen hieß nun Nina Larina und wurde offiziell Isabellas Schwester.

Die Nachbarn mochten die Familie nicht, die das jüdische Kind heimlich versteckt hatte, aber die deutschen Soldaten ignorierten aus irgendeinem unbekannten Grund die Denunziationen. Isabellas Familie rettete nicht nur das Mädchen, sondern half auch dabei, Soldaten und Offiziere, die aus der Gefangenschaft entkommen und heimlich in der Stadt behandelt wurden waren, sich im Wald zu verstecken. Unter ihnen befanden sich auch mehrere Juden.

Während des Krieges wurde Inna mehrmals zur Polizeistation gebracht, wobei sie von ihrer „Schwester“ begleitet wurde. Mit großen Anstrengungen hatte Isabella ihrer Schwester beigebracht, akzentfrei zu sprechen und bei Befragungen selbstbewusst aufzutreten.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam Innas Vater in die Stadt, um ihr Grab zu suchen. Er war überglücklich, als er erfuhr, dass sie am Leben war und die liebevolle Familie Nikolai Dudins sie aufgenommen hatte.

Im Jahr 1997 wurde Nikolai, Ljubow und Isabella Dudin der Titel Gerechte unter den Völkern  verliehen.

>>> Russische Schindlers: Drei Russen, die Juden vor dem Tod bewahrten

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