Diese russischen Juden kämpften im Zweiten Weltkrieg in der deutschen Wehrmacht

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Nach der Rassenlehre der Nazis hätte ihr Leben in einem Konzentrationslager geendet. Doch diese russischen „jüdischen Mischlinge“ machten innerhalb der Wehrmacht Karriere.

„Jüdische Mischlinge

Einigen Juden gelang es, den Konzentrationslagern und dem Holocaust zu entgehen. Zehntausende kämpften im Zweiten Weltkrieg für Deutschland und erhielten sogar Auszeichnungen. 

Sogenannte „jüdische Mischlinge (solche Juden, die jüdische und „arische Wurzeln hatten) durften zwar in den Reihen des Militärs dienen, offiziell jedoch nicht aufsteigen. In der Praxis hing eine erfolgreiche Militärlaufbahn jedoch davon ab, wie nützlich man für das Regime war. Daher gelang es einigen „jüdischen Mischlingen“, bis zum Befehlshaber über militärische Einheiten befördert zu werden.

Einer von ihnen war der Flugfeldmarschall Erhard Milch, dessen Vater ein Jude war. Er wurde sehr geschätzt von Hermann Göring, der sagte: „Wer ein Jude ist und wer nicht, entscheide ich.

(v.l.n.r.) Erhard Milch, Hugo Sperrle, Adolf Hitler, Hermann Göring und Albert Kesselring

Die Behandlung von deutschen und osteuropäischen „jüdischen Mischlingen war sehr unterschiedlich. In den besetzten Gebieten Polens und der UdSSR interessierte es die Nazis nicht, ob diese auch „arisches Blut hatten. Dort existierten keine „Mischlinge“, alle wurden als Juden eingestuft und entsprechend wartete auf sie ein schreckliches Schicksal. 

Dennoch gelang es auch einigen russischen Juden, sich nicht nur selbst zu retten, sondern sogar hohe Positionen in der Wehrmacht zu erreichen.  

Balkan-General

Die Niederlage der Wehrmacht in Jugoslawien im Jahr 1941 wurde vom ehemaligen russischen Oberst der kaiserlichen Armee und dem russischen Bürgerkriegsveteranen Boris Schteifon miterlebt, der 1919 auf Seiten der Weißen Garde gekämpft hat. 

Er fand danach Zuflucht auf dem Balkan, wo er seine Memoiren schrieb und Professor für Militärwissenschaft wurde. Schteifon war bereits 59 Jahre alt und hatte nicht die Absicht, seine militärische Karriere noch einmal wieder aufzunehmen. Doch das änderte sich mit dem Vorrücken der Deutschen. 

Die jugoslawischen Kommunisten unter Josip Broz Tito verstärkten ihren Widerstand gegen die Invasoren. Ihnen fielen jedoch auch häufig russische Emigranten, ehemalige Mitglieder der Weißen Bewegung, zum Opfer. 

Boris Schteifon

Als Gegenpart zu Titos Partisanen gründeten die Deutschen das 11 000 Mann starke Russische Schutzkorps (RPC) aus antikommunistisch eingestellten russischen Emigranten. Die Jagd auf Kommunisten war eine Aufgabe dieser Wehrmachtseinheit. Zudem sicherte das Schutzkorps Kommunikationsleitungen und führte Strafoperationen durch. 

Später geriet es in den direkten Konflikt mit der vorrückenden Roten Armee. Der russische Bürgerkrieg wiederholte sich inmitten des Zweiten Weltkrieges, wenn auch in kleinerem Format. Boris Schteifon wurde der Posten des RPC-Stabschefs angeboten, den er akzeptierte. Die Deutschen wussten ganz genau, dass sein Vater ein assimilierter Jude war, doch sie entschieden sich, dies zu ignorieren. 

Der Historiker Ilja Kuksin erklärt, dass die Wehrmacht in Schteifon vor allem einen erfahrenen, hochqualifizierten Taktiker und engagierten Antikommunisten sahen. Ihnen reichte die Tatsache, dass er der Sohn einer Russin und christlich getauft war.

Generalleutnant Boris Schteifon befehligte das Korps bis zu den letzten Kriegstagen und starb am 30. April 1945 an einem Herzinfarkt. Das Korps selbst drang bis nach Österreich vor. Dort ergab es sich schließlich den Briten. Die Sowjetunion forderte die Auslieferung der Korpssoldaten, doch scheiterte mit ihrer Forderung, da die meisten niemals Bürger der UdSSR gewesen sind.  

Ein Offizier, zwei Geheimdienste 

Der spätere Generalmajor der Wehrmacht, Boris Smyslowsky, alias Art(h)ur Holmston oder Art(h)ur von Regenau, stammte aus einer Adelsfamilie jüdischer Herkunft. Er hatte wie viele andere russische Offiziere im Ersten Weltkrieg und im russischen Bürgerkrieg gekämpft und landete später im Exil. Im Gegensatz zur Mehrheit ehemaliger Angehöriger der Weißen Garde, die sich nur während des Krieges bei den Deutschen engagierten, um sich an den Bolschewiki zu rächen, schloss sich Smyslowsky dem deutschen Militär schon viel früher an, bereits vor Hitlers Machtergreifung. 

In den Jahren 1928 bis 1932 wurde er beim Truppenamt der Reichswehr Ausbilder für Aufklärung. Dort knüpfte er wichtige Kontakte, die seinen Aufstieg bis zum Sonderführer möglich machten. Die jüdische Herkunft eines solch qualifizierten Spezialisten stand niemals zur Debatte. 

Boris Smyslowsky

1943 setzte sich Admiral Wilhelm Canaris, Leiter der militärischen Abwehr, persönlich für seinen Offizier ein, der wegen Hochverrates verhaftet worden war. Smyslowsky hatte sich einem Einsatz an der Westfront verweigert. Er war der Meinung, dass die Russen im Krieg nur gegen die Bolschewiki kämpfen sollten. 

Während des Krieges war Smyslowsky verantwortlich für Aufklärungsmissionen und Sabotageakte im Rücken der Roten Armee. Er spürte Partisaneneinheiten auf und eliminierte sie. Für diese Missionen wurde ihm das Kommando über die 10 000 Mann starke Russland-Division übertragen, die gegen Ende des Krieges in 1. Russische Nationalarmee umbenannt wurde. Im Mai 1945 führte er die Überreste seiner „Armee, mehrere hundert Personen, nach Liechtenstein, wo sie interniert wurden. Die Regierung dieses winzigen Staates weigerte sich jedoch, sie an die UdSSR auszuliefern. Auch zu einer Anklage wegen Kriegsverbrechen kam es nicht, aus Mangel an Beweisen.  

Smyslowsky setzte seine Geheimdienstaktivitäten fort, diesmal im Dienste der USA. Er wurde unter anderem Berater des Generalstabs der Bundeswehr und des argentinischen Präsidenten Juan Peron. Boris Smyslowsky starb 1988 im Alter von 90 Jahren in Liechtenstein, wo er seine zweite Heimat gefunden hatte. 

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