Warum wurde die Miliz in der UdSSR nach dem Tode Stalins populär? (FOTOS)

Geschichte
BORIS JEGOROW
Das sowjetische Volk hatte lange an die Unfehlbarkeit der Milizionäre geglaubt. Kurz vor dem Zerfall der Sowjetunion wurden sie bitter enttäuscht.

Starke, mutige, prinzipientreue und einfühlsame Ritter in glänzender Rüstung - so sah die sowjetische Öffentlichkeit ihre Ordnungshüter. Der Staat hatte große Anstrengungen unternommen, um ein ideales Bild der Miliz zu schaffen. Die Realität sah etwas anders aus.

Bis Mitte der 1950er Jahre wurde in der UdSSR wenig für die Popularisierung des Polizeidienstes getan. Er war „rau und schmutzig und nicht so romantisch wie die Aktivitäten der Geheimdienste oder der Spionageabwehr. Auch die Beteiligung der Miliz an der politischen Unterdrückung der jüngeren Vergangenheit war aus dem kollektiven Gedächtnis nicht verschwunden.

Mit dem Beginn einer gewissen Liberalisierung des politischen und gesellschaftlichen Lebens während des so genannten „Tauwetters der Chruschtschow-Ära kurz nach Stalins Tod begannen die staatlichen Behörden jedoch, sich um mehr Offenheit zu bemühen, und es begann eine Phase der „Humanisierung der Miliz. In Zeitungen und Zeitschriften erschienen Artikel, in denen Milizionäre als ganz normale Menschen dargestellt wurden, die sich in ihrer Freizeit mit Zeichnen, Musizieren, Chorgesang und Gärtnerei beschäftigten.

Die Aufgabe, das Image der Miliz in den Augen der Bevölkerung zu verbessern, wurde vom Staat zum Teil an die Kulturschaffenden übertragen. Im Jahr 1954 schrieb der Dichter und Schriftsteller Sergej Michalkow ein Gedicht mit dem Titel „Djadja Stjopa“ (dt.: Onkel Stepa), in dem das legendäre Bild des ranghohen Wachmanns gezeichnet wird, der die Bürger raffiniert aus allen möglichen Schwierigkeiten rettet.

Mit der Veröffentlichung von Arkadij Adamows Roman „Delo Pjostrych (dt.: Die bunte Bande aus Moskau) wurde 1956 das Genre des Kriminalromans in der Sowjetunion neu erschaffen. Der Autor tauchte voll und ganz in die Welt der Moskauer Miliz ein, nahm an Verhaftungen teil und war bei Überfällen vor Ort. Die zwei Jahre später entstandene Verfilmung markierte den Beginn einer ganzen Reihe von Filmen über tapfere Verteidiger von Recht und Ordnung, von denen „Ko mne, Muchtar (dt.: Polizeihund Muchtar) über die Abenteuer eines Polizeileutnants und seines treuen Hundes sowie die Trilogie über den liebenswürdigen und gewitzten Dorfpolizisten Fjodor Aniskin besonders beliebt waren.

Ihre Blütezeit durchlebte die sowjetische Miliz in den späten 1960er und 1970er Jahren, als Nikolai Schtschelokow das Innenministerium leitete. Er sorgte dafür, dass die Löhne und Sozialleistungen deutlich erhöht und in großem Umfang Wohnungen bereitgestellt wurden. In der ganzen UdSSR entstanden Bildungseinrichtungen des Innenministeriums, die junge Menschen in Scharen anzog. „Er hat enorm hart gearbeitet, vor allem in den ersten Jahren, als er die Wurzeln der Kriminalität genau unter die Lupe nahm. Die Miliz genoss, solange er das Innenministerium leitete, in der Bevölkerung ein größeres Ansehen, schrieb der stellvertretende Innenminister Juri Tschurbanow über seinen Chef.

Auf Initiative von Nikolai Schtschelokow entstanden zahlreiche Bücher, Filme und Serien über das Alltagsleben der sowjetischen Miliz in der Sowjetunion. Am 10. November wurde der Berufsfeiertag alljährlich mit einem großen Konzert gefeiert, das ebenso beliebt war wie die Silvesterfeierlichkeiten.

Die Fernsehserien „Sledstwije wedut ZnaToKI (dt.: ZnaToKi ermitteln) und „Mesto wstretschi ismenit nelsja‟ (dt. Titel: Die schwarze Katze) wurden zu echten Kultfilmen. Tausende von Briefen aus dem ganzen Land erreichten die Redaktion der „ZnaToKs mit der Bitte um Hilfe bei der Untersuchung von Hinrichtungsfällen. „Das Vertrauen in die Figuren war so groß, dass viele Leute dachten, das Theater sei ein Hobby von uns, während wir eigentlich für die Miliz arbeiteten‟, erinnert sich Leonid Kanewski, der eine der Rollen spielte.

Am späten Abend des 26. Dezember 1980 hielten Milizionäre an der Metro-Station Schdanowskaja (heute Wychino) einen betrunkenen KGB-Major fest und schlugen so auf ihn ein, dass er einige Tage später im Krankenhaus starb. Daraufhin „durchsiebte ein Ausschuss gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft buchstäblich das gesamte Innenministerium, und es wurden zahlreiche skandalöse Übergriffe von Milizionären aufgedeckt, darunter Raubüberfälle und Morde an betrunkenen Fahrgästen in der U-Bahn. Die Ermittlungen verschonten auch den allmächtigen Minister selbst nicht. Schtschelokow, der der Korruption beschuldigt und seines Amtes enthoben wurde, erschoss sich 1984.

Noch lange nach dem Vorfall an der Metro-Station Schdanowskaja waren die Menschen misstrauisch und abweisend gegenüber den Milizionären, die auf den Bahnhöfen Dienst taten. Je näher der Niedergang der Sowjetunion rückte, desto mehr entlarvende Vorfälle von Polizeigewalt kamen ans Licht und desto deutlicher waren die Verluste der lange Zeit hochgehaltenen Autorität der Beamten.

Nach dem Zerf der UdSSR in den „wilden 1990er Jahren änderte sich das Bild des Polizisten in der Mainstream-Kultur völlig. Er war kein Ritter in glänzender Rüstung mehr, sondern bestenfalls ein gebrochener, mittelloser, dabei aber ehrlicher Offizier, der inmitten des allgemeinen Verfalls und der Korruption seine Pflicht gewissenhaft erfüllt. Jetzt konkurrierte er mit den neuen Helden der Buchromane und Fernsehserien - den Banditen - um die Aufmerksamkeit der Zuschauer.

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