1. 102 Weltrekorde, 5.600 Flugstunden, Flugerfahrung mit 40 verschiedenen Flugzeug- und Hubschraubertypen, ein Doktortitel in Ingenieurwissenschaften, 15 Bücher, darunter eine Gedichtsammlung – all das kann Marina Popowitsch, eine der berühmtesten Pilotinnen der Nachkriegs-UdSSR (auch bekannt als „Madame MiG“) für sich verbuchen.
2. Popowitsch (geborene Wassiljewa) stammt aus einer Musikerfamilie, aber seit ihrer Kindheit während des Kriegs träumte sie von der Militärfliegerei: „Wir wurden ständig bombardiert, dann sah ich das Grauen des Krieges... Ich erinnere mich, wie vor meinen Augen die Faschisten aus ihrem Flugzeug auf ein Mädchen schossen, das mit einem Joch Wasser in Eimern trug. Es war schrecklich... Und ich wollte Pilotin werden, weil ich dachte, dass man die Faschisten nur mit dem Flugzeug verjagen kann. Die Zeit verging... Als ich größer war, war der Krieg zu Ende, es gab keine Faschisten mehr, aber der Wunsch, das Fliegen zu lernen, blieb.“
3. Die Schwierigkeiten des eingeschlagenen Weges bekam Marina Lawrentjewna fast sofort zu spüren – mit ihrer Körpergröße von 1,50 Metern wurde sie nicht in den Fliegerclub aufgenommen. „Meine Füße reichten nicht einmal bis zu den Pedalen“, erinnert sich die Fliegerin. „Da habe ich mir das Ziel gesetzt, meine Beine zu strecken. Ich fand ,Langbeinerʻ und bat darum, mich kopfüber zu halten. Entweder bin ich dadurch größer geworden oder ich bin einfach nur gewachsen (ich war 16), aber schließlich betrug meine Körpergröße 1,61 Meter und der Weg zum Fliegerclub war frei. Zuerst bin ich mit dem Fallschirm gesprungen, dann habe ich angefangen zu fliegen.“
4. Der Fliegerclub war der jungen Frau nicht genug, sie wollte an eine Flugschule. Allerdings wurden nach dem Ende des Krieges keine Frauen mehr aufgenommen. Popowitsch wandte sich an den Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR, Marschall Kliment Woroschilow, persönlich und überredete ihn, ihr eine Chance zu geben. 1954 schloss Marina Lawrentjewna die technische Luftfahrtschule in Saransk als Fluglehrerin mit Auszeichnung ab.
5. Der Einstieg in die Militärfliegerei mit deren großen Belastungen war für eine junge Frau fast unmöglich, aber Popowitsch meisterte auch dies. 1961 war sie die erste sowjetische Frau, die Testpilotin 1. Ranges wurde.
6. Dann beschloss die ehrgeizige Frau, die inzwischen den Kosmonauten Pawel Popowitsch geheiratet hatte, die kosmischen Weiten zu erobern. Doch dieses Mal war ihr das Glück nicht hold. Sie selbst glaubte, dass sie keine Kosmonautin geworden sei, weil sie nicht schwimmen konnte und außerdem bereits ein Kind hatte. „Marina, sei nicht so wild darauf, in den Weltraum zu fliegen“, tröstete sie der Kosmonaut German Titow. „Wir fliegen ja [durch das Weltall] und sitzen dabei auf der Erde.“
7. Aber Popowitsch blieb nicht untätig. Im Jahr 1964 durchbrach sie als erste Frau auf einer MiG-21 die Schallmauer, wofür die mutige Pilotin in der westlichen Presse den Beinamen „Madame MiG“ erhielt. In der Folgezeit stellte sie einen Rekord nach dem anderen auf, bis es schließlich mehr als einhundert waren. Zur gleichen Zeit flog sie nicht nur Überschall-Jagdflugzeuge, sondern auch solche Giganten wie das Transportflugzeug AN-22 Antej mit einem Startgewicht von 250 Tonnen.
8. Mehr als einmal blickte Marina Lawrentjewna dem Tod ins Auge: „Einmal versagte beim Start der Nachbrenner des Triebwerks meiner MiG-21... das Flugzeug stürzte beim Start ab, die Kanzel (der durchsichtige Teil der Kabine) klemmte. Ein Wunder rettete mich: Es gelang mir, die Kanzel zu zerbrechen und ich wurde aus dem brennenden Flugzeug geschleudert... Zuerst hatte ich überhaupt keine Angst. Aber dann, eines Nachts, als ich den Flug in meinen Träumen noch einmal erlebte, wachte ich schreiend auf. Am Morgen ging ich ins Krankenhaus, aber drei Tage später war wieder alles in Ordnung und ich begann erneut mit den Testflügen.“
9. Nach ihrer Pensionierung griff Marina Popowitsch zur Feder. Sie war Mitautorin eines Dutzends von Büchern über die Luftfahrt, schrieb Drehbücher für mehrere Filme und veröffentlichte eine Sammlung ihrer Gedichte. Mehrere ihrer Werke sind der Ufologie gewidmet, die „Madame MiG“ mit Leidenschaft betrieb. „Die kaum erforschten anormalen Phänomene sind nach dem Himmel meine zweite Liebe geworden“, gestand sie.