Der Mann hatte alles: eine Luxusvilla, eine Sammlung von Luxusautos, ein Vermögen von mehreren Millionen Pfund Sterling und sogar einen von Königin Elisabeth II verliehenen Ehrentitel. Aber es handelt sich nicht um einen britischen Aristokraten, sondern um einen echten sowjetischen Spion.
Im Geheimdienst gegen Ihre Majestät
Konon Molódy wurde 1954 unter dem Namen des Kanadiers Gordon Lonsdale nach Großbritannien entsandt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der zweiunddreißigjährige sowjetische Geheimdienstoffizier mit dem ungewöhnlichen Namen bereits am Zweiten Weltkrieg teilgenommen, dessen Ende er in Berlin im Rang eines Leutnants erlebte, an der juristischen Fakultät in seiner Heimatstadt Moskau studiert und natürlich eine Spezialausbildung an einer Geheimdienstschule absolviert.
Die sechs Jahre, die er in den Vereinigten Staaten verbracht hatte, halfen ihm dabei, sich unter die Studenten der University of London zu mischen, wo Molódy sich einschrieb. Nach dem frühen Tod seines Vaters war der zehnjährige Konon vorübergehend bei seiner Tante in San Francisco untergebracht. Der Teenager kehrte 1938 in die Sowjetunion zurück und verfügte über ausgezeichnete Englischkenntnisse, die er später perfektionierte. Darüber hinaus beherrschte der Spion Deutsch, Französisch und sogar Chinesisch, das er an der Universität erlernt hatte.
„Er ist ein Mann ohne besondere Eigenschaften. Alles an ihm ist durchschnittlich: Größe, Körperbau, Körperfülle, Nase, Augen... Sein Äußeres weist keine auffälligen nationalen Merkmale auf. Er kann leicht als Engländer oder Skandinavier, aber auch als Deutscher, Slawe oder sogar Franzose durchgehen“, äußerte sich sein Freund, der Journalist Leonid Kolossow, über den jungen Lonsdale.
Der gesellige und redegewandte Lonsdale hatte die Aufgabe, britische Militärkreise zu infiltrieren, um Informationen über die Entwicklung bakteriologischer Waffen und den Zustand der britischen Marine zu sammeln. Unter dem Decknamen Ben hielt er über die verdeckten Ermittler Maurice und Leontine Cohen, die sich als Antiquitätenhändlerfamilie Kroger ausgaben, Kontakt zur Moskauer Zentrale.
Millionär und Aufklärer
Um seine legale Position im Königreich zu rechtfertigen, beschloss der „Kanadier“ Lonsdale nach seinem Universitätsabschluss, in die Wirtschaft einzusteigen und erwarb einige Verkaufsautomaten, um sie zu weiterzuverkaufen. „In meinen Automaten konnte man Notizbücher, Wasser, Wein, Filzstifte, Sandwiches, Aspirin kaufen – alles, was in ihren gefräßigen Bauch passte!“, erinnerte sich der Spion.
Anfangs musste der KGB immer wieder für die Verluste des glücklosen Unternehmers aufkommen, doch mit der Zeit wurde es besser. Molódy wurde sogar Miteigentümer der Firma, bei der er die Automaten kaufte.
Im Jahr 1959 kam es zu einem echten Durchbruch in der Karriere des Aufklärers und Geschäftsmannes. Einer der Angestellten seiner Firma bot ihm an, die Erfindung seines Vaters zu bewerten – ein Autoalarmsystem mit Verriegelung, das car guard genannt wurde. Der junge Mann verliebte sich in diese Erfindung, fand Investoren und begann mit der Produktion.
Das Geld floss in Strömen und 1960 wurde der „Auto-Wächter“ auf einer internationalen Ausstellung in Brüssel sogar mit der Großen Goldmedaille ausgezeichnet. Dies blieb von den Behörden der Krone nicht unbemerkt. Für seinen Beitrag zur Entwicklung der Technologie in Großbritannien und dafür, dass er „glorified the country at a major international exhibition“, wurde Lonsdale von Elisabeth II. mit einer Verdiensturkunde ausgezeichnet.
Molódy wurde ein sehr reicher Mann. Er besaß bereits vier Firmen, die „Automaten verkauften“, acht Autos verschiedener Marken, eine Villa am Stadtrand von London und mehrere Zimmer in den besten Hotels der Stadt, die er „dauerhaft“ gemietet hatte. „Die Maske eines Millionärs gab mir, so scheint es, das Recht auf ein luxuriöses Leben, aber ich nutzte dieses Recht mit Zurückhaltung und gerade genug, um kein schwarzes Schaf unter den Millionären zu sein... Nüchternheit des Geistes, Beherrschung und Selbstdisziplin – das sind unsere drei Säulen“, bekräftigte Konon Trofimowitsch.
Das Scheitern
Der Reichtum, der auf ihm lastete, hinderte den Aufklärungsoffizier nicht daran, seine unmittelbaren Aufgaben zu erfüllen. Über angeworbene zivile Mitarbeiter des Marinestützpunkts in Portland, wo sich das geheime Royal Naval Research Centre befand, erhielt er wichtige Informationen für Moskau.
Harry Frederick Houghton und seine Geliebte Ethel G. versorgten Lonsdale mit geheimem Material im Umfang von mehr als 17.000 Blatt, das ein vollständiges Bild des Zustands der britischen Marine und der Aussichten für ihre Entwicklung vermittelte. Die in die Sowjetunion übermittelten Daten wurden an Institute und Konstruktionsbüros weitergeleitet und aktiv in der Praxis genutzt. So wurde eine ganze Reihe sowjetischer Sonare zur Untersuchung der Bodentopographie auf der Grundlage britischer Sonare entwickelt.
Allerdings scheiterte Konon Molódy schließlich an Houghton und G. Die britische Spionageabwehr MI5 kam ihnen durch den Verrat eines polnischen Agenten in Europa auf die Spur. Lonsdale selbst geriet daraufhin ins Visier der Geheimdienste. Am 7. Januar 1961 wurde er während eines Treffens mit Informanten verhaftet. Bald wurden seine Kontaktpersonen, die Cohens, verhaftet.
Molódy verweigerte die Zusammenarbeit und wurde zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Drei Jahre später wurde er gegen einen vom KGB gefangengenommen englischen Spion, Greville Wynne, ausgetauscht. Im April 1964 kehrte er nach Moskau zurück, wo seine Frau und seine Kinder auf ihn warteten. Die Familie, die er während seiner heimlichen Besuche in der UdSSR nur wenige Male im Jahr besuchte, war überzeugt, dass er für eine Handelsvertretung in China arbeitete. Die Wahrheit wurde ihnen erst mitgeteilt, nachdem Lonsdale gescheitert war.
Zu Hause war er mit der Ausbildung neuer Aufklärer beschäftigt. Er hörte nie auf, davon zu träumen, wieder in der Illegalität zu arbeiten und wollte sich sogar einer plastischen Operation unterziehen. Dazu kam es jedoch nicht. Molódy starb am 11. Oktober 1970 im Alter von nur 48 Jahren an einem schweren Herzinfarkt.