Ostermann, Nesselrode, Lamsdorf: Deutsche in der Spitze der Diplomatie des Russischen Reiches

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Die Diplomatie gilt heute als eine geschlossene Sphäre, in die Ausländer nicht vordringen. Im Russischen Reich galten in dieser Frage jedoch andere Regeln. Diplomatische Vertreter des Landes wurden nicht selten Ausländer in russischen Diensten und deren Nachkommen.

Mitte des 19. Jahrhunderts waren etwa 80 Prozent der Stellen im Außenministerium mit Deutschen besetzt. Diese bekleideten zwar überwiegend untere Dienste, es gab aber auch gebürtige Deutsche, die in die höchsten Ränge des Außenministeriums aufstiegen.

Heinrich Johann Friedrich Ostermann

Der Westfale Heinrich Johann Friedrich Ostermann begann seine diplomatische Laufbahn als einfacher Beamter, der Latein, Deutsch, Französisch, Niederländisch, Italienisch und Russisch beherrschte und sich mit ausländischer Korrespondenz und Übersetzungen befasste. Ostermanns erster ernsthafter Einsatz war die Benachrichtigung des polnischen Königs über die Einnahme Rigas während des russisch-schwedischen Krieges. Es folgten Reisen nach Preußen und Dänemark: Diese Länder mussten davon überzeugt werden, sich aktiver in den Konflikt einzubringen.

Später war der Deutsche in mehreren europäischen Ländern tätig und nahm mit der Türkei und Schweden an verschiedenen Friedensverhandlungen teil. Letztere zogen sich über viele Jahre hin. In den Jahren 1718-1719 fand der Åland-Kongress statt, auf dem Ostermann offiziell als stellvertretender Leiter der russischen Delegation auftrat, diese aber faktisch sogar leitete und bei informellen Treffen geschickt Kontakte mit der schwedischen Seite knüpfte. Im Jahr 1721 wurde der Krieg mit dem Kongress von Nystadt beendet, auf dem es ihm gelang, günstige Friedensbedingungen für Russland zu erwirken, darunter den Erhalt der Stadt Wyborg für das Russische Reich.

Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte der Westfale in einer Phase politischer Umwälzungen, in der er Zeitzeuge von insgesamt vier Regierungswechseln war (und wenn nicht nur Thronfolgen von Monarchen, sondern auch die Ablösung von Regenten berücksichtigt werden, sogar fünf). Ostermann stand lange Zeit an der Spitze der Außenpolitik des Landes, von 1734 bis 1740 als Leiter des Außenministeriums. Er galt als Initiator eines Bündnisses mit Österreich, das den Kurs der russischen Außenpolitik für viele Jahre bestimmte, und schloss den Belgrader Friedensvertrag mit der Türkei. Gleichzeitig unterhielt Ostermann enge Verbindungen mit anderen europäischen Ländern, insbesondere Preußen, Großbritannien und Dänemark.

Bemerkenswert ist, dass Ostermanns Sohn Iwan Andrejewitsch (unter Katharina der Großen) ebenfalls die Geschicke der russischen Außenpolitik lenkte. Seine 16-jährige Amtszeit war jedoch weniger erfolgreich: Zeitgenossen zufolge hatte Ostermann der Jüngere eher eine dekorative Funktion, ohne wirklichen Einfluss auf die internationalen Beziehungen zu nehmen.

Karl Robert von Nesselrode

Viele Zeitgenossen sprachen von Nesselrode mit offensichtlicher Feindseligkeit und warfen ihm mangelnden Patriotismus gegenüber Russland, Engstirnigkeit und andere Unzulänglichkeiten vor. Im Laufe der Zeit setzte sich diese Sichtweise auch in der Geschichtswissenschaft durch. Inzwischen gibt es vermehrt Vorstöße, die Bewertung seiner Person zu überdenken. Einige Forscher weisen darauf hin, dass positive Äußerungen über Nesselrode in der Vergangenheit zu wenig berücksichtigt wurden und dass der Politiker etwa in Briefen sehr warmherzige Gefühle zu Russland zum Ausdruck brachte.

Nesselrode hatte bereits unter Alexander I. (und nach dessen Tod unter seinem Bruder Nikolaus I.) während des Russisch-Preußisch-Französischen Krieges 1806-1807 und des Sechsten Koalitionskrieges 1813-1814 diplomatische Aufgaben wahrgenommen, bevor er die Leitung der Außenpolitik des Reiches übernahm. Die Initiative für diese Feldzüge gegen Napoleon und für die Befreiung Westeuropas ging von Nesselrode selbst aus. Seine Signatur findet sich auf vielen Abkommen der damaligen Zeit im Zusammenhang mit dem Kampf der europäischen Mächte gegen Frankreich sowie auf dem Vertrag über den Erster Pariser Frieden. Außerdem nahm der Deutsche am Wiener Kongress 1814-1815 und an allen Kongressen der Heiligen Allianz teil.

Im Jahr 1816 wurde Nesselrode Außenminister. Um Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen politischen Positionen zu schaffen, wurde die Außenpolitik zur gleichen Zeit auch in die Hände eines anderen Politikers – Ioannis Antonios Graf Kapodistrias, des späteren ersten Präsidenten Griechenlands, gelegt. Am Ende war es jedoch Nesselrode, der die Gunst des Zaren gewann und alleiniger Leiter des Amtes blieb. Sein Rekord von 40 Jahren im Amt wurde bisher von keinem Außenminister übertroffen.

Nesselrode stand politisch für einen pro-österreichischen Kurs, nicht zuletzt wegen seiner engen Beziehung zum österreichischen Kanzler Metternich. Darüber hinaus lehnte Nesselrode als Konservativer die revolutionären Tendenzen in den europäischen Ländern ab. Seine größte Fehleinschätzung betraf die internationalen Beziehungen am Vorabend eines weiteren Krieges mit der Türkei. Mit der Niederlage Russlands in diesem Konflikt war auch die Karriere des Deutschen beendet.

Wladimir Lamsdorf

Auch die Figur des Wladimir Lamsdorf, Außenminister unter Nikolaus II. von 1901 bis 1906 (ein relativ üblicher Zeitraum für das Russische Reich zu Beginn des 20. Jahrhunderts), erfuhr im Laufe der Zeit eine Neubewertung. Bereits unter seinem Mentor Nikolai Geers hatte Lamsdorf vollen Zugang zu allen Informationen über die Außenpolitik des Landes - auch zu geheimen Informationen. Wegen seines enormen Wissens wurde er sogar als „wandelndes Archiv“ des Ministeriums bezeichnet.

Historischen Quellen zufolge fühlte der Deutsche sich den Grundsätzen der Wahrhaftigkeit und Offenheit verpflichtet und zog diese dem Machiavellismus vor. Die gleichen Qualitäten bestätigte auch sein enger Mitarbeiter, der russische Finanzminister Sergej Witte: „Der Graf war ein sehr edler und in jeder Hinsicht anständiger Mensch. Intelligent, unendlich fleißig ... Er kannte sich in seinem Arbeitsgebiet sehr gut aus. Er war kein Adler, sondern ein vernünftiger Mensch. Er wurde von allen Diplomaten respektiert, weil man sich darauf verlassen konnte, dass, wenn er etwas sagte, dies die Wahrheit war“.

In seinen Beziehungen zu Europa strebte Lamsdorf ein Gleichgewicht zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien an. Auch im Fernen Osten, der damals eine große strategische Bedeutung hatte, vertrat er eine gemäßigte Politik. Diese widersprach jedoch den Ansichten des Zaren, sodass Lamsdorfs Einfluss in dieser Frage begrenzt war. Seine Warnungen vor den Risiken des von Nikolaus II. eingeschlagenen Weges wurden zu spät beherzigt, als der Russisch-Japanische Krieg (1904-1905) bereits unvermeidlich war. Es blieb Lamsdorf nichts anderes übrig, als die Arbeit des Außenministeriums an die neuen Gegebenheiten anzupassen und später die Folgen der Niederlage zu glätten.

Der Deutsche brachte sich auch engagiert in der Balkanfrage ein, indem es den russischen Einfluss in der Region wiederherstellte und mehrere gefährliche lokale Krisen überwand, die in einen Krieg hätten münden können. Doch sowohl die angeblich zu passive Politik Lamsdorfs auf dem Balkan und im Nahen Osten als auch die Niederlage im Russisch-Japanischen Krieg, die der Deutsche zu vermeiden suchte, wurden dem Minister in der öffentlichen Wahrnehmung und in den russischen Medien zur Last gelegt. Dem folgenden Machtkampf in der Regierung hielt Lamsdorf nicht stand, und so legte er sein Amt einige Zeit nach dem Rücktritt seines Verbündeten Witte nieder.

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