Wie Ex-Angehörige der Sicherheitsbehörden den größten Raub in der Geschichte der UdSSR begingen

Kira Lisitskaya (Photo: Walerij Matyzin, Alexander Tschumitschew/TASS)
Bei diesem gewagten Raubüberfall in der sowjetischen Hauptstadt starben sechs Menschen.

Es war am späten Abend, als ein Geldtransporter vor einem schicken Kaufhaus auf der Moskauer Moschajskoje-Chaussee anhielt. Einer der drei Wachmänner ließ seine beiden Partner im Transporter zurück und trat über die Schwelle des Geschäfts, um die Tageseinnahmen des Geschäfts einzusammeln. Er wusste nicht, dass er nur noch ein paar Minuten zu leben hatte.

Die Schießerei

Das Kaufhaus Molodjoschnyj war ein Anziehungspunkt für viele Käufer in der sowjetischen Hauptstadt. Manchmal bot es den Kunden Waren an, die in der UdSSR Mangelware waren. Es überrascht nicht, dass sich am Ende des Arbeitstages eine große Geldsumme angesammelt hatte.

Der Saal des Kaufhauses Molodjoschnyj.

Der Abend des 14. Novembers 1986 bildete da keine Ausnahme. Die Kassierer hatten über 330.000 Rubel eingenommen – eine beträchtliche Summe, wenn man bedenkt, dass der durchschnittliche Monatslohn in der UdSSR zu dieser Zeit zwischen 180 und 250 Rubel lag.

Kaufhaus Molodjoschnyj auf der Moschajskoje-Chaussee.

Es war die Aufgabe des Wachmanns, dieses Geld am Ende des Tages einzusammeln.
Um 21.10 Uhr hielt der Geldtransporter vor dem Haupteingang des Ladens an. Zwei Wachmänner blieben im Fahrzeug, während der dritte – er hieß Nowikow – hineinging. In dem Geschäft gingen viele Leute ein und aus, so dass niemand auf einen Mann in Milizuniform mit einer Aktentasche in der Hand achtete, der in der Nähe der Eingangstür stand. Die Wachleute machten sich weder um den Mann in Zivil, der in der Nähe der Eingangstür auf jemanden wartete, noch um einen Militäroffizier mit einer sperrigen Tasche in der Hand Sorgen.

Ein paar Minuten später kam Nowikow mit dem Geld aus dem Laden. Er ging zu dem Geldtransporter und öffnete die Tür. Genau in diesem Moment traf ihn eine Kugel.

Auf der Straße entbrannte eine heftige Schießerei. Die Männer in Miliz- und Militäruniformen eröffneten wahllos das Feuer auf die Wachleute und töteten sie alle. Der zivil gekleidete Mann mit der Tasche blieb stehen und zögerte, ob er die ihm bei dem Überfall bestimmte Rolle wahrnehmen sollte.

Eine Milizionärin namens Wera Alfimowa, die nach ihrem Dienst zufällig in der Nähe war, als die Schießerei begann, stürzte sich auf die Räuber. Einer von ihnen tötete sie mit vier Kugeln. 

Die diensthabende Polizeibeamtin Wera Alfimowa, die bei der Schießerei ums Leben kam.

Es folgte Stille, nachdem die Schießerei abrupt aufgehört hatte. Die Angreifer schnappten sich das Bargeld und flüchteten zu Fuß.

Die Verfolgungsjagd

Um die Miliz abzulenken, rannten zwei der Räuber – Igor Knigin und Walerij Finejew – in einen Innenhof eines nahe gelegenen Moskauer Wohnhauses, wo ihr „Kollege“ Konstantin Golubkow in einem Auto auf sie wartete.

Der in Zivil gekleidete Mann, der mit einer Tasche am Eingang gestanden hatte, war Jewgenij Subatschow, der vierte Räuber. Er sollte eigentlich einige Molotowcocktails auf den Eingang des Geschäfts werfen, um eine Panik auszulösen und die Miliz von ihrer Spur abzubringen. Er verließ jedoch seinen Posten, als er den Überfall sah, und rannte zu seinem Haus.

Walerij Finejew; Igor Knigin; Jewgenij Subatschow; Konstantin Golubkow.

Die meisten der Räuber hatten berufliche Erfahrung in den Sicherheitsorganen – der Armee, dem KGB oder der Miliz. Knigin war ein ehemaliger Milizionär, der wegen Dienstvergehen entlassen worden war; Finejew musste seinen Dienst bei der Miliz aufgeben, da er einen Verdächtigen während eines Verhörs geschlagen hatte und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war; Subatschow war wegen eines nicht näher bekannten Vergehens aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen worden. Der Fahrer schließlich, Konstantin Golubkow, war ein ehemaliger KGB-Mitarbeiter.

Als die Räuber ins Auto stiegen, bemerkten sie, dass es einen Zeugen gab: Ein Anwohner ging gerade mit seinem Hund spazieren und sah die flüchtenden Männer und deren Auto. Sie versuchten, ihn zu töten, aber zum Glück für den unschuldigen Mann hatten die Angreifer während der Schießerei ihre Magazine geleert, so dass sie den Zeugen in Ruhe lassen und wegfahren mussten.

Das Auto fuhr davon und der Fahrer versuchte verzweifelt, die sie verfolgenden Milizionäre abzuschütteln. Der Zeuge hatte jedoch bereits die Informationen über das Auto weitergegeben und der Miliz die beiden Verdächtigen beschrieben. Nun waren alle Ordnungshüter in Moskau auf der Jagd nach dem blauen Lada.

Bald entdeckte eine der Streifen einen ähnlichen Wagen. Die Milizionäre forderten den Fahrer auf, anzuhalten, und dieser kam der Aufforderung auch sofort nach. Die Ordnungshüter sahen, wie der Fahrer aus dem Auto stieg, konnten ihn aber anhand der Beschreibung nicht als Verdächtigen erkennen. Plötzlich eröffneten Knigin und Finejew aus dem Auto heraus das Feuer auf die Milizionäre, verletzten einen von ihnen und flüchteten mit dem Auto. 

Einige Zeit später wurde das Auto verlassen in einem Moskauer Hinterhof gefunden. Golubkow, der Fahrer, wurde bei dem Schusswechsel mit der Miliz angeschossen und von seinen Kumpanen getötet. Sein toter Körper wurde zusammen mit dem Geld im Auto zurückgelassen. Es war unklar, warum die Räuber das Geld bei ihrem toten Freund gelassen hatten.

Gerechtigkeit

Die Verbrecher trennten sich daraufhin. Von der Miliz umzingelt, nahm Knigin zunächst eine Geisel, tötete sich dann aber selbst, als er merkte, dass es für ihn kein Entkommen gab.

Subatschow, der seinen Teil der Mission nicht erfüllt hatte und nun untergetaucht war, wurde durch Dokumente, die in dem verlassenen Auto gefunden wurden, kompromittiert. Er wurde in seinem Haus verhaftet. Die Ermittler zwangen ihn zu einem Geständnis, erfuhren alle Einzelheiten und nahmen etwa fünfzehn Stunden später Walerij Finejew, den letzten Verdächtigen, fest.

Der Chefermittler Issa Kostojew übergab den Fall im Herbst 1987 an ein Militärgericht.

Issa Kostojew.

Das Gericht verurteilte Subatschow zu zehn Jahren Haft und Finejew, der zwei weitere Morde gestanden hatte, zur Todesstrafe durch Erschießen.

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