Wie sich die Sowjetunion auf den Krieg mit Nazideutschland vorbereitete

Militärparade auf dem Roten Platz.

Militärparade auf dem Roten Platz.

Georgij Petrusow/МАММ/МDF/russiainphoto.ru
Die Sowjetunion war sich sicher, dass eine militärische Konfrontation mit Nazideutschland unvermeidlich war. Sie versuchte jedoch mit aller Macht, sie bis 1942 hinauszuzögern.

Praktisch seit ihrer Gründung begann die UdSSR, sich auf einen neuen Weltkrieg vorzubereiten, den ihre politische Führung für unvermeidlich hielt. Die groß angelegte militärische Konfrontation mit dem kapitalistischen Westen würde, so war zu befürchten, brutal und blutig sein.

Nach der sowjetischen Militärdoktrin musste die Rote Armee dem ersten Schlag des Feindes standhalten, ihn in Kämpfen an der Front besiegen, eine Großoffensive starten und den entscheidenden Sieg erringen.

Die Rote Armee führt die Manöver durch.

„Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken wird auf jeden Angriff des Feindes mit einem vernichtenden Schlag aus voller Kraft ihrer Streitkräfte antworten...“, hieß es in der Felddienstordnung der Roten Armee von 1939: „Wir werden den Krieg offensiv führen, indem wir ihn in das feindliche Gebiet hineintragen. Die Rote Armee wird bis zur Vernichtung kämpfen, mit dem Ziel, den Feind vollständig zu besiegen“.

Wehrpflicht entscheidend

Für ein Land, das einen verheerenden Bürgerkrieg und eine Invasion durch ausländische Mächte hinter sich hatte, war die Modernisierung der Streitkräfte eine wichtige, aber schwierige Aufgabe. Erst die 1929 einsetzende Industrialisierung der UdSSR ermöglichte es, mit einer umfassenden Reformierung und Aufrüstung der Armee zu beginnen.

Sowjetische Truppen führen die Manöver durch.

Aufgrund wirtschaftlicher Probleme rekrutierte die Rote Armee ihre Streitkräfte lange Zeit nach einem territorial-militärischen Prinzip: Die Wehrpflichtigen erhielten eine kurze Kampfausbildung in der Nähe ihres Wohnorts, dabei gab es nur sehr wenige Berufssoldaten (vor allem unter den kommandierenden Offizieren). In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wurden eine allgemeine Wehpflicht und ein System von Berufssoldaten eingeführt.  Von 1,9 Millionen Mann am Vorabend des Zweiten Weltkriegs war die Rote Armee bis zum Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion auf 5 Millionen Soldaten angewachsen. Die Schaffung neuer Truppenteile und Großverbände war in vollem Gange. So stieg allein die Zahl der Divisionen von 98 auf 303. Ein derart schnelles Wachstum musste zwangsläufig organisatorische Probleme, Engpässe bei den kommandierenden Offizieren und eine Verschlechterung ihrer Qualität zur Folge haben.

Militärparade auf dem Roten Platz.

Die Massenrepressionen der Jahre 1937-1938, denen Zehntausende von Menschen zum Opfer fielen, trafen auch den Führungsstab empfindlich Von den ersten fünf Marschällen des Landes waren im Frühjahr 1939 nur noch zwei am Leben.

Die Folgen des „großen Terrors“ traten im Winterkrieg gegen Finnland (1939-1940) zutage. Nach diesem Krieg wurde die Führung der Streitkräfte grundlegend umgestaltet, und viele von den Repressionen betroffene Befehlshaber, darunter der künftige Marschall Konstantin Rokossowski, kehrten aus den Gefängnissen zurück.

Gut gerüstet und mit schnellen Panzertruppen ausgestattet

Militärparade auf dem Roten Platz anlässlich des 20. Jahrestages der Großen Oktoberrevolution, 1937.

In den Vorkriegsjahren schritt die technische Aufrüstung der Roten Armee rasch voran. Von 1939 bis 1941 kletterte die Zahl der Panzer in der Roten Armee von 10 auf 25 Tausend (einschließlich der Übungspanzer), die der Kampfflugzeuge von 5 auf 14 Tausend und die der Artilleriegeschütze von 34 auf 91 Tausend.

Zu den neuesten Waffen gehörten das Selbstladegewehr Tokarew SWT-40, die Maschinenpistole des Typs „Schpagin“, die 76-mm-Divisionskanone, die 122-mm-Haubitze, die 85-mm-Flugabwehrkanone, der mittlere Panzer T-34, der schwere Panzer KW-2, die Jagdflugzeuge Yak-1, MiG-3, das „Iljuschin“-Schlachtflugzeug Il-2 und das Mehrzweckflugzeug Petljakow Pe-2.

Sowjetische Panzer auf dem Weg zur Front.

Im Sommer 1941 war der Anteil der modernen Ausrüstung in der Armee jedoch immer noch gering, und manchmal gingen sogar die alten Geräte aus. „Mit Bitterkeit betrachtete ich unsere alten T-26, BT-5 und einige BT-7 und erkannte, dass sie für lange Kampfeinsätze nicht geeignet waren“, erinnerte sich Rokossowski, der in den ersten Tagen der Operation „Barbarossa“ das 9. mechanisierte Korps befehligte.

Inspektion von Militärflugzeugen.

Zu Kriegsbeginn verfügte die sowjetische Luftwaffe über die Jagdflugzeuge MiG-3 und LaGG-3, deren taktische und technische Eigenschaften denen der deutschen Luftwaffe nicht unterlegen waren. Allerdings stand ihre Produktion 1941 noch am Anfang, und die Bestände der Kampfmaschinen setzten sich aus alten Modellen zusammen.

Die „Stalin-Linie“

Die Rote Armee mit ihren vielen Millionen und gut bewaffneten Soldaten musste dem Feind in vorbereiteten Verteidigungsstellungen entlang der Landesgrenze entgegentreten und ihn schlagen. Im Jahr 1928 wurde mit dem Bau eines Netzes befestigter Räume in Weißrussland, der Ukraine, der Region Pskow und Karelien begonnen, die als „Stalin-Linie“ in die Geschichte einging.

Befestigter Bezirk der

Jeder befestigte Raum war ein System von miteinander verbundenen Stützpunkten. Entlang der Stalin-Linie, die sich über 1.835 Kilometer erstreckte, war es aufgrund der großen Entfernungen zwischen den Befestigungen fast unmöglich, koordiniert zu handeln.

Nach dem Anschluss der Westukraine und Westweißrusslands an die UdSSR im Jahr 1939 sowie der baltischen Staaten im Jahr 1940 verschoben sich die sowjetische Grenze um Hunderte von Kilometern nach Westen. Der Bau der Stalin-Linie wurde gestoppt und die Verteidigungsanlagen wurden stillgelegt.

Deutsche Soldaten stehen am Eingang eines mit Sprengladungen zerstörten Bunkers an der

Man begann mit dem Bau von befestigten Räumen an der neuen Grenze. Zu Beginn der Operation „Barbarossa“ waren sie jedoch höchstens zu 20 Prozent fertiggestellt und konnten den Vormarsch des Feindes nicht aufhalten.

Zeit gewinnen

Trotz der verstärkten Vorbereitung auf den Krieg gegen Nazideutschland, an dessen Unvermeidlichkeit niemand zweifelte, waren noch viele Probleme ungelöst.

Brennender sowjetischer Panzer T-26.

Obwohl die Rote Armee der Wehrmacht an Panzern und Flugzeugen zahlenmäßig überlegen war und wirklich beeindruckend aussah, waren viele Verbände technisch nicht ausreichend ausgestattet.

Viele Einheiten waren unzureichend militärisch ausgebildet, hatten keinen angemessenen Zusammenhalt und litten unter einem Mangel an Nachwuchsoffizieren - die Militärschulen kamen nicht mit der Ausbildung für die schnell wachsende Armee hinterher. Zudem bestanden katastrophale Probleme mit der Verfügbarkeit von Funkverbindungen in den Truppen und eine schlechte Organisation der Hauptquartiere und der Truppenführung.

Die sowjetische Führung war sich der aktuellen Probleme im Allgemeinen bewusst und versuchte, den Beginn des Konflikts um mindestens ein Jahr hinauszuzögern. Die Grenzsoldaten und die an der Grenze stationierten Truppenteile wurden angewiesen, „sich nicht provozieren zu lassen“.

Zerstörter sowjetischer Flammenwerferpanzer ХТ-130 und T-34-Panzer, Juni 1941.

Bereits im Februar 1941 bemerkte Stalin in einem Gespräch mit dem stellvertretenden Volkskommissar für Verteidigung, Kirill Merezkow: „Bis 1943 können wir uns natürlich nicht aus dem Krieg heraushalten. Wir werden zwangsläufig hineingezogen werden. Aber es ist möglich, dass wir uns bis 1942 aus dem Krieg heraushalten“.

Für 1942 war geplant, zahlreiche Programme zur Reorganisation und Umrüstung von Heer, Luftwaffe und Marine abzuschließen, die im Sommer 1941 auf Hochtouren liefen. Die Sowjetunion brauchte dringend eine Atempause. Diese war ihr aber letztendlich nicht beschieden.

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