Warum wurden russische Städte so oft umbenannt?

Geschichte
JULIA CHAKIMOWA
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurden alle deutschstämmigen Namen russischer Städte für politisch unpassend gehalten. So wurde St. Petersburg im August 1914 in Petrograd umbenannt und 1915 wurde z. B. aus Jekaterinenstadt in der Wolgaregion die Stadt Jekaterinograd.

In den Jahren 1920-1930, nach der Revolution von 1917 und dem Bürgerkrieg, wurden die Bezeichnungen massenhaft geändert. Alle Namen, die mit dem zaristischen Regime verbunden waren, wurden ersetzt, und die Städte erhielten neue Namen zu Ehren der Begründer des Marxismus und der Bolschewiki. Zum Beispiel:

Petrograd („Stadt des Peter“) → Leningrad (1924)

Jekaterinograd („Stadt der Jekaterina“) → Marxstadt (1920) → Marx (1942)

Jekaterinodar („Geschenk von Jekaterina“) → Krasnodar (1920, wörtlich „rotes Geschenk“)

Jekaterinburg („Burg der Jekaterina“) → Swerdlowsk (1924, nach dem Bolschewik Jakow Swerdlow)

Zarizyn („Ort der Zaren“) → Stalingrad (1925)

Nowokusnezk → Stalinsk (1932)

Nischnij Nowgorod → Gorki (1932, nach Schriftsteller Maxim Gorki)

Im Jahr 1945 wurde Ostpreußen als deutsche Reparationszahlung in Folge des verlorenen Zweiten Weltkriegs Teil der UdSSR.

Königsberg → Kaliningrad (1946, „Stadt Kalinins“, nach Michail Kalinin)

Pillau → Baltijsk

Tilsit → Sowetsk

Um die Ergebnisse der Friedensverträge mit Finnland zu konsolidieren, wurden 1948 die Namen der Städte an der Karelischen Landenge geändert.

Antrea → Kamennogorsk (nach den kristallinen Lagerstätten und einer Granitmine in der Nähe)

Kexholm → Priosersk (wörtlich: „Am See“)

Koivisto → Primorsk (wörtlich: „Am Meer“)

1956 wurde der Personenkult um Josef Stalin offiziell beendet.

Stalingrad → Wolgograd („Stadt an der Wolga“)

Stalinsk → Nowokusnezk („Neue Schmiedestadt“)

Die Politik der Entstalinisierung betraf auch jene Toponyme, die von den Namen von Stalins Genossen abgeleitet worden waren.

Molotow (nach Wjatscheslaw Molotow) → Perm

Woroschilow (nach Kliment Woroschilow) → Ussurijsk

Tschkalow (Waleri Tschkalow) → Orenburg

1968, nach dem Tod von Juri Gagarin, wurde dessen Geburtsstadt Gschatsk in Gagarin umbenannt.

Während der Perestroika (1985-1991) erhielten viele Städte ihre historischen Namen zurück.

Gorki → Nischnij Nowgorod

Leningrad → St. Petersburg

Swerdlowsk → Jekaterinburg

Kuibyschew → Samara

Kalinin → Twer

Übrigens wurden die Regionen Leningrad und Swerdlowsk nach einem Referendum nicht zurückbenannt.

>>> Eine Stadt mit vielen Namen: Warum wurde St. Petersburg so oft umbenannt?

>>> 10 führende Sowjets, nach denen Städte benannt wurden (TEIL 1)

>>> 10 führende Sowjets, nach denen Städte benannt wurden (TEIL 2)