Handwerker waren im vorrevolutionären Russland auf dem Lande unverzichtbar – aber sie hatten auch einen schlechten Ruf. In grauer Vorzeit schien die Entstehung eines massiven Gefäßes aus zähflüssigem Ton und von Metallgegenständen aus klumpiger Erde und Erz ein wahres Wunder zu sein, und ihre Urheber galten als Zauberer und Hexenmeister. Deshalb fürchteten die Bauern sie.
Der Müller
Die Russen glaubten, dass der Müller mit bösen Geistern im Bunde war, weil er einen Léschij (in einer Windmühle) oder einen Wodjanój (in einer Flussmühle) für sich arbeiten ließ. Die Müller selbst glaubten, wenn der Wind die Flügel der Mühle brach, dass der Léschij zornig war. Man glaubte auch, dass in der Mühle kleine Teufelchen lebten, denen der Müller ein „Geschenk“ hinterlassen musste. Er warf Brotkrümel und Tabak ins Wasser, vergoss Wodka an Feiertagen, damit das Wasser nicht stieg und das Rad nicht zerbrach.
„Die Inbetriebnahme einer Mühle wurde von einer Opfergabe begleitet, die an den Wassergeist gerichtet wurde, der so zum ständigen Schutzpatron der Mühle wurde, wie der Hausgeist, der beim Betreten eines neuen Hauses besänftigt wird“, schreibt Anna Petkjewitsch in dem Artikel Wasseropfer in der russischen Kulturtradition.
Auch Ertrunkene galten als solch eine „Opfergabe“. Offensichtlich war die Mühle ein sehr gefährlicher Ort. Der Müller konnte sich beim Reparieren des Mechanismus oder des Rades verletzen. Es war nicht unwahrscheinlich, beim Betreiben einer Wassermühle zu ertrinken. Man glaubte, dass diejenigen, die in der Mühle umkamen, von bösen Mächten als Bezahlung für die ungestörte Arbeit der Mühle „mitgenommen“ wurden. Die Mühle war ja schließlich eine der Hauptquellen für Wohlstand und Einkommen der Bauernschaft. Natürlich ertränkte niemand in der Mühle absichtlich Menschen zu Opferzwecken – deshalb wurden als „Ersatz“-Opfer gewöhnlich Tiere wie Hunde, Schafe oder Hähne mit schwarzem Fell bzw. Federkleid verwendet.
Die Beschäftigung des Müllers mit solchen Ritualen brachte ihm den Ruf eines Zauberers ein. Seine Behausung war für Mädchen, verheiratete Frauen und Kinder ein verbotener Ort.
Der Ofensetzer
Der Ofen als Mittelpunkt des bäuerlichen Hauslebens war mit vielen Glaubensvorstellungen und Ritualen verbunden. Man glaubte, er könne Krankheiten heilen. Die Asche des Ofens war ein obligatorischer Bestandteil von Salben und wässrigen Extrakten. Die Ofenbauer genossen ein hohes Ansehen. Aber warum waren sie gefürchtet?
Einen Herd zu bauen ist keine leichte Aufgabe. Er sollte nicht qualmen, bei starkem Wind nicht pfeifen oder heulen und die Wärme gut halten. Man glaubte, dass niemand mit dem Ofenbauer streiten sollte, damit dieser ihm keinen Ärger an den Hals schickt. Die Ofenbauer nahmen für ihre Leistungen recht viel Geld, also verliehen sie ihrem Beruf einen strengen Ruf. Die Kunden sollten glauben, dass es sich nicht lohne, den Ofenbauer mit ihrem Geiz zu verärgern. Der Handwerksmeister konnte den Ofen so beschädigen, dass der Fehler zunächst nicht sichtbar war. Er konnte einen schrägen Ziegelstein im Schornstein lassen, um den Abzug des Rauchs aus dem Haus zu verschlechtern. Am unangenehmsten war es schließlich, „den Teufel ins Haus zu lassen“ oder „eine Kikímora ins Haus zu bringen“.
Eine Kikímora wurde zum Beispiel in das Mauerwerk des Schornsteins „eingepflanzt“, indem man eine leere Flasche mit dem Hals nach außen einsetzte. Wenn der Wind stark genug war, gab sie ein wildes Heulen von sich.
Der Schmied
Während sich die modernen russischen Männer im Dorf in der Garage oder in der Werkstatt versammeln, um über Männerfragen zu diskutieren, wurde die Rolle einer solchen „Männerrunde“ im vorrevolutionären Dorf von einem Schmied übernommen. Der Hufschmied war für das Beschlagen der Pferde und das Ausbessern von Metallwerkzeugen zuständig, und aufgrund seiner Geschicklichkeit mit Schmiedeofen und Hammer sah er sich selbst als Zauberer des Elements Metall.
Da der Hufschmied die Pferde beschlug, hing es von ihm ab, ob die Familie die Ernte einbringen und ihre Ernährung sichern konnte. Und natürlich war es ein Schmied, der die Eheringe für die Frischvermählten des Dorfes schmiedete – so verband sich mit seinem Bild die Vorstellung einer starken und dauerhaften Ehe, die der Schmied für die Brautleute buchstäblich schmieden musste. Außerdem war der Schmied eine häufige Figur in verführerischen Beschwörungsformeln. An eine davon erinnert Tatjana Schtschepanskaja in ihrem Artikel über den Schmied für die Enzyklopädie Männer und Frauen: Das Männliche und das Weibliche in der traditionellen russischen Kultur. „Wie der Schmied des Herrn das Eisen schmiedet und es mit dem Eisen verschweißt, so wird der Knecht Gottes für immer und ewig geschmiedet und verschweißt sein.“ Zusätzlich zu den Ringen konnte ein Schmied auch ein Hufeisen als Glücksbringer schmieden. (Übrigens, um das Glück im Haus zu „sammeln“, wird ein Hufeisen mit den Hörnern nach oben über der Tür aufgehängt).
Die Schmiede war ein Ort des Trinkens, der Initiation junger Männer, des Klärens von Konflikten. „In der Schmiede wurde getrunken und ständig gestritten2, erinnert sich ein Einwohner des Wologdaer Dorfes Salesje. Für Frauen und vor allem für Kinder war es ein verbotener Ort, auch weil er außerhalb des Dorfes lag (Schmieden wurden aus Gründen des Brandschutzes am Rande des Dorfes gebaut).
Dem Schmied als Besitzer eines heiligen Ortes wurden überirdische Kräfte zugeschrieben. Man glaubte, dass er eine Hexe erkennen konnte: Der Teufel soll verwandelte Hexen als Pferde benutzt haben. Ein Bewohner von Poschechonje, geboren 1901, erinnerte sich: „Ein Mann kam, um ein Pferd beschlagen zu lassen. Als es beschlagen war, bedankte er sich nicht, lachte und ging. Der Hufschmied sagte: „Das waren keine Pferdehufe, sondern ein Frauenbein. Als er ging, bedankte er sich nicht, das heißt, er war kein Mann.“