5 Fakten über die russische Hexe (TEIL 1)

Wasilissa, 1899.

Wasilissa, 1899.

Iwan Bilibin/Public Domain
Die russische Hexe ähnelte ihren europäischen Standesgenossinnen nur teilweise. Es gab in Russland weniger Hexen als Hexenmeister, sie wurden verbrannt, aber nicht auf dem Scheiterhaufen. Und schließlich wurden ihre Dienste manchmal vom Adel und sogar Mitgliedern der Zarenfamilie in Anspruch genommen.

Eine Hexe bedeutet auf Russisch jemand, der etwas „weiß“ und über geheimes Wissen verfügt. Im vorpetrinischen Russland hatte die Hexe, die Wahrsagerin, das Kräuterweib einen festen Platz in der Gesellschaft. Die Domäne der Hexen war die Heilung und Verwünschung, aber auch der Zauber, der Liebeszauber und die Entzauberung der Brautleute, die Vorhersage der Zukunft anhand von Zauberbüchern - ganz allgemein alles, weshalb sich die Menschen an Kartenlegerinnen und „Heilerinnen“ wenden. Der Unterschied bestand darin, dass man die Menschen im 17. Jahrhundert dafür mit Peitschenhieben bestrafte, und wer Verderbnis anrichtete, in einem Holzhaus verbrannt werden konnte. 

  1. Geächtete

Geächtete, Firs Schurawljow.

Im Dorf konnte man wegen eines von der Gesellschaft als „falsch“ angesehenen Lebens zur Hexe erklärt werden. „Den Status einer Hexe hatten meist Frauen, die vom normalen Lebensweg abwichen, vor allem im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Familienrollen“, schreibt die Ethnografin Tatjana Schtschepanskaja in einem Artikel über Hexen für die Enzyklopädie „Muschiki i Baby: Muschskoe i schenskoje w russkoj tradizionnoj kulture“ (Männer und Frauen: Das Männliche und das Weibliche in der russischen traditionellen Kultur“). „Leichte Mädchen“, das heißt, Mädchen, die vor der Ehe gesündigt hatten, junge Frauen, die ohne Zustimmung der Eltern geheiratet hatten, Ehelose - solche Frauen konnten mit großer Wahrscheinlichkeit den Verdacht auf sich ziehen, Hexerei und Wahrsagerei zu betreiben.

Keith Thomas legt in seinem Buch „Religion and the decline of magic“ (Religion und Niedergang der Magie) dar, dass diese Frauen, die oft auch Hilfe zum Leben brauchten, die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft waren. Als Vorwand, um ihnen diese Hilfe zu verwehren, wurden sie zu Hexen „erklärt“ und aus den Häusern gejagt. Natürlich gab es auch Frauen, die als Hexen Geld verdienten.

Hexen im alten Russland waren jedoch nicht immer unverheiratet. In seinem Buch „Koldowstwo w Moskowskoj Russi XVII weka“ (Hexerei im Moskauer Reich des 17. Jahrhundert) beschreibt Nikolai Nowombergskij den Familienstand einiger städtischer Hexen. Sie sind die Ehefrauen von Küstern, Angehörigen der Artillerie, Dragonern, „Zugezogenen“, Bogenschützen oder Söldnern. Zugleich stammen die meisten von ihnen aus niedrigen Schichten: Leibeigene, Bauern und Ausländer.

Im Allgemeinen zeichneten sich die russischen Hexen und Magierinnen dadurch aus, dass sie sehr arm waren. Die Dienste der Hexen kosteten nur Kopeken, und viele Hexen, die wir kennen, waren auf Almosen angewiesen. „Die Hexerei war die Waffe der Schwachen und Hilflosen“, schreibt Nada Boschkowska. „Die Frauen nutzten die Angst vor Hexenzauber, um diejenigen zu erschrecken, die mächtiger und stärker waren.“

Und in der Tat verbreiteten sie Schrecken. Während des Aufstandes vоn Stepan Rasin  (1667-1671) erlangte die Hexe Anna Arsamasskaja (Temnikowa), eine bäuerliche Atamanin, die Krankheiten anhexen konnte und ihre Kunst an andere weitergab, Berühmtheit.

  1. Wichtige Aufgaben in der Gesellschaft

In russischen Quellen werden keine Hexen erwähnt, die Hagel und Unwetter schicken, den Teufel beschwören oder Menschenopfer bringen. Die russische Gesellschaft brauchte sie für rituelle Handlungen, Volksmedizin und sogar für... die Aufdeckung von Diebstählen.

Wahrsagerinnern in Dorfgemeinschaften und Hexen sowie einfache Witwen und alleinstehende Frauen nahmen an verschiedenen, aus heidnischer Zeit überlieferten Riten teil, z. B. am Brauch des „Pflügens“, der die Tiere des Dorfes vor dem „Kuhsterben“, d. h. dem einfachen Verlust des Viehs, schützte. Witwen und unverheiratete Frauen waren für diesen Ritus unerlässlich.

Wo es keine medizinische Hilfe gab, waren es die Geistheiler und Kräuterfrauen, die bei Zahnschmerzen, Leistenbruch, Epilepsie und anderen verbreiteten Leiden helfen konnten. Im Jahr 1642 übermittelte ein Strelize einer Bekannten eine wahrscheinlich von einer Kräuterhexe erworbene Beschwörungsformel gegen die Fallsucht. Die Witwe Ulita Schtschipanowa aus der Region Wologda lernte von ihrer Mutter das Heilwissen und besaß einen Vorrat an Wurzeln und Steinen gegen alle Krankheiten, sogar gegen Läuse.

Wenn Hexen heilen können, können sie natürlich auch Krankheiten und Verderben verbreiten. Im Dorf wurden die Hexen am häufigsten beschuldigt, Schluckauf, hysterische Anfälle und männliche Impotenz zu verursachen. Ein gesonderter Bereich waren Leistenbrüche - sie wurden „abgeschreckt“, konnten aber auch „verzaubert“ werden, zum Beispiel durch das Trinken abgekochten Sumpfwassers. Auch die Ver- und Entzauberung von Braut und Bräutigamen fielen in den Bereich des Hexenwissens.

An Hexen und Kräuterfrauen wandten sich Personen, die bestohlen und betrogen worden waren, Menschen mit Problemen bei der Arbeit - kleinere Konflikte von Bauern und armen Beamten, mit denen sich die Gerichte nicht befassen wollten. An wen hätte man sich sonst wenden sollen? Im Jahr 1647 wurde der Bauer Simon in Moskau ausgeraubt, und er suchte Beistand bei der Zauberin Daryiza, die den Schuldigen benannte. Im Jahr 1658 erwarb eine Bäuerin in Luch verhextes Salz und streute es aus, um ihren Mann aus dem Gefängnis zu befreien. Moskauer Hexen „verkauften“ Beschwörungsformeln für einen erfolgreichen Handel, und ein Hexendoktor empfahl: „Vergrabe einen Bärenkopf in der Mitte des Hofes, und das Vieh wird getrieben“.

  1. So wurde man eine Hexe

Hütte in einem Winterwald, Alexej Sawrasow, 1888.

Im alten Russland glaubte man, dass man eine Hexe werden konnte - aber nicht durch den Kontakt mit dem Teufel, sondern durch die Kommunikation mit jenseitigen Kreaturen. Schtschepanskaja schreibt, dass das Nowgoroder Mädchen, das von ihrem Freund verlassen wurde, einen Traum von einem Zauberbären hatte, der ihr geheimes Wissen offenbarte. Das Mädchen wurde eine bekannte Heilkünstlerin. Das Geschenk, das sie erhielt, war das Ergebnis einer Verbindung mit einem jenseitigen Gönner, der ihren Ehemann „ersetzte“ und ihrem Leben einen neuen Sinn gab - die Hexenkunst.

Ein Schutzgeist oder eine geheime Macht konnte zum Beispiel von einem anderen Zauberer oder einer Hexe zum Zeitpunkt seines Todes empfangen werden. In der Region Nowgorod gibt es Geschichten über Schlangenwickel. Man kann sie herstellen, indem man ein „Hahnenei“ (ein unentwickeltes, weiches Hühnerei von der Größe eines Wachteleis) findet und es vierzehn Tage lang unter dem Arm trägt, während man ein Schweigegelübde ablegt. Man glaubte, dass aus einem solchen Ei eine Schlange schlüpfen und die Milch der Kühe anderer Leute holen würde - dazu musste man nur leere Töpfe und Gläser nachts auf ein offenes Fensterbrett stellen.

>>> 5 Fakten über die russische Hexe (TEIL 2)

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