Wie Deng Xiaoping in Moskau studierte

Russia Beyond (Photo: Public domain)
Der spätere Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas studierte in Moskau. Was hat er gegessen, welche Kleidung hat er getragen und welche Fächer hat er studiert?

Am 8. Januar 1926 durchsuchte die Polizei den Schlafsaal der Arbeiter des Renault-Werks in Paris. Sie suchten nach einem verdächtigen Arbeiter chinesischer Nationalität, der unter seinen Kollegen kommunistische Propaganda betrieben hatte. Die französischen Behörden waren bereit, diesen Aufrührer namens Deng Xiaoping des Landes zu verweisen, aber als sie ihn durchsuchten, war der chinesische Kommunist bereits auf dem Weg nach Russland.

Deng Xiaoping (und 17 weitere chinesische Kommunisten) waren vom Europa-Büro der Kommunistischen Partei Chinas nach Moskau geschickt worden, um die bolschewistischen Erfahrungen beim Aufbau des Kommunismus zu studieren. Als Deng am 17. Januar in der Stadt ankam, ließ er sich zunächst ... im Passionskloster nieder, einem alten Kloster an der Stelle des heutigen Puschkin-Denkmals im Zentrum Moskaus. Es war der Sitz der Kommunistischen Universität der Werktätigen des Ostens, an die Deng Xiaoping zunächst zum Studium geschickt wurde.

Deng Xiaoping

Wie und wo chinesische Studenten in Moskau lebten

Eine Woche nach seiner Ankunft trat Deng Xiaoping in die nach Sun Jat-sen benannte Chinesische Universität der Werktätigen (CUW) ein, die sich in der Wolchonka-Straße 16 befand. Hier war früher der Sitz des 1. Moskauer Gouvernements-Gymnasiums, eines der ältesten in der Hauptstadt. Das Gebäude stand im Schatten eines gewaltigen Moskauer Heiligtums – der Christ-Erlöser-Kathedrale, des ursprünglichen Gebäudes, das 1931 abgerissen wurde (die heutige Kathedrale wurde Ende der 90er Jahre wiedererrichtet). Der Rektor der CUW war Karl Radek, ein Weggefährte Lenins und Trotzkis und einer der Gründer des Sowjetstaates.

Am 29. Januar 1926 erhielt Genosse Den einen Studentenausweis mit der Nummer 233 auf den Namen Iwan Dosorow sowie alle Dinge des täglichen Bedarfs: Anzug, Mantel, Stiefel, Hemd, Handtuch, Waschlappen, Taschentücher, Kamm, Seife, Schuhe, Zahnbürste und Zahnpulver. Die Kopfbedeckungen und Krawatten, ohne die ein Herrenanzug im Moskau der 1920er Jahre unvorstellbar war, wurden von den Studenten selbst gekauft.

Die chinesischen Studenten in Moskau, 1920er Jahre

Der chinesische Kommunist Scheng Jue, der in den 1920er Jahren ebenfalls an der CUW „Sun Jat-sen“ studierte, erinnerte sich: „Wir passten uns der aktuellen Mode an. In der Regel trugen wir eine French-Jacke, wie die von Lenin, oder ukrainische Nationalhemd in Blau, die  auf der linken Seite zugeknöpft wurde, obwohl wir auch europäische Anzüge bekamen. Im Winter, wenn es furchtbar kalt war, bekamen wir Wintermäntel und warme Mützen. Außerdem wurden wir mit Stiefeln für Schnee und Regen und Sandalen für den Sommer ausgestattet.“

Die Studenten waren in Wohnheimen untergebracht, die sich im Zentrum Moskaus befanden, oft in ehemaligen Adelspalästen. Von den Wohnheimen aus mussten die Studenten die Verkehrsmittel benutzen, aber der Studentenausweis war nur bis zum Unterrichtsbeginn vor 8 Uhr morgens gültig, so dass diejenigen, die verschlafen hatten, zu Fuß gehen mussten. Der abendliche Rückweg durch das dunkle Zentrum Moskaus war gefährlich – der Bürgerkrieg lag noch nicht all zu lange zurück und in der Stadt wimmelte es noch immer von Banditen und Prostituierten, so dass, wie sich Scheng Jue erinnerte, „wir versuchten, in Gruppen zu gehen, um das Risiko eines Überfalls zu verringern.“

Wolchonka-Straße 16

Die drei Mahlzeiten, die die Studenten täglich zu sich nahmen, waren „quantitativ reichlich und qualitativ sehr hochwertig. Zum Frühstück gab es z. B. Eier, Brot und Butter, Milch, Wurst, Tee und manchmal sogar Kaviar. Ich glaube nicht, dass die reichen Leute irgendwo ein reichhaltigeres Frühstück hatten als wir... Als wir des russischen Essens überdrüssig wurden, beeilten sie sich, uns zufrieden zu stellen, indem sie einen chinesischen Koch einstellten.“

Was hat Deng Xiaoping in Moskau studiert?

Die CUW-Studenten lernten „die russische Sprache, die Geschichte der Entwicklung der Gesellschaftsformen (historischer Materialismus), die Geschichte der chinesischen revolutionären Bewegung und der revolutionären Bewegungen im Westen und im Osten, die Geschichte der WKP(B), Wirtschaftsgeographie, Politökonomie, Parteiaufbau, Militärwissenschaft und Journalismus“ – das Studium dauerte acht Stunden pro Tag, sechs Tage die Woche. Das Programm umfasste bereits die Geschichte der chinesischen revolutionären Bewegung und die Geschichte der WKP(B). Die Vorlesungen für die chinesischen Studenten wurden in russischer Sprache mit Simultanübersetzung gehalten – mehr als 150 Lehrkräfte, Spezialisten und Übersetzer arbeiteten mit etwa fünfhundert Studenten.

Deng Xiaoping ging von Montag bis Samstag jeden Morgen um 8 Uhr durch diese Allee zu seiner Universität. Derzeit befindet sich an dieser Stelle eine Tankstelle.

Bei seinem Eintritt in die CUW schrieb Deng Xiaoping einen kurzen Lebenslauf, in dem er erklärte, warum es für ihn wichtig war, in Moskau zu studieren. „Wir, die Jugend des Ostens, haben einen sehr starken Wunsch nach Befreiung, aber es ist schwierig für uns, unsere Ideen und Aktionen zu systematisieren... Ich kam deshalb vor allem nach Russland, um zu lernen, die eiserne Disziplin einzuhalten und die kommunistische Weihe zu erhalten, um meine Ideen und Aktionen vollständig zu kommunizieren.“

Deng Xiaoping

Währenddessen verbrachte Feng Yuxiang, der spätere Marschall der Republik China, im Sommer 1926 drei Monate in Moskau. Es gelang ihm, mit der sowjetischen Regierung über eine kleine materielle Unterstützung und die Entsendung von Beratern zu verhandeln. Die sowjetische Führung hielt es für angebracht, Feng unter anderen auch einige der besten Studenten der Chinesischen Universität der Werktätigenzu schicken. Unter den Auserwählten war auch Deng Xiaoping, der dadurch gezwungen war, sein Studium zu unterbrechen. Am 12. Januar 1927, fast genau ein Jahr nach seiner Ankunft in Moskau, wurde Deng von der CUW exmatrikuliert und verließ sie noch am selben Tag. Das abschließende Zeugnis, das ihm die Universität ausstellte, lautete: „Sehr aktiv und energisch, einer der besten Organisatoren. Diszipliniert und fleißig. Beim Studium ist er einer der Besten. Er ist sehr gut vorbereitet.“ In China wartete bereits die Revolution auf Genosse Deng, und die Chinesische Universität der Werktätigen in Moskau sollte in der Tat seine einzige „kommunistische Schule“ bleiben.

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