Eine Illustration für "Der Regierungsinspektor" von Nikolai Gogol.
L. Konstantinowskij„Wer [das Radlager] nicht schmiert, der kann nicht fahren“, „Ein trockener Löffel kratzt den Mund“ – scheinen sich diese Sprichwörter etwa nicht auf Bestechungsgelder zu beziehen? Aber nein, eigentlich geht es um die Kultur der offiziellen Geschenke in Russland. Sie reicht bis in das Altertum zurück, und die Geschenke können in verschiedene Kategorien unterteilt werden: Podárok (dt.: Geschenk), kormlénije (dt.: Fütterung, Speisung), podtschéstj (dt.: Ehrenerweisung), msdá (dt.: Schmiergeld), lichwá (dt.:Gerwinn) und natürlich wsjátka (dt.: Bestechung, Bestechungsgeld) sind allesamt verschiede Dinge. Wie unterschieden sie sich voneinander, und wo begann der Gesetzesbruch? Lassen Sie uns der Sache auf den Grund gehen.
"In der Staatsanwaltschaft", von Alexey Maksimov, 19. Jahrhundert.
SputnikTatsache ist, dass Arbeit für Geld im Gegensatz zum Dienst für den Herrn als entwürdigend angesehen wurde, schreibt die Historikerin Olga Koscheljowa. Das Wort rabota (dt.: Arbeit) selbst stammt im Russischen von dem Wort rab (dt.: Sklave) ab und hat eine abwertende Konnotation, wie auch die Begriffe bosotá (dt.: Lumpenproletariat), pechóta (dt.: Infanterie, dasFußvolk) oder auch nisóta (dt.: die Niederen). „Arbeiten“ waren nur etwas für Menschen aus den unteren Schichten der Gesellschaft oder für jene, die in Schuldknechtschaft gefangen waren. Eine respektable Person erhielt eine Vergütung vom Fürsten, „Ehrenerweisungen“ (d. h. materielle Geschenke) vom Volk und offenbar auch moralische Befriedigung durch seinen Dienst. Das reichte ihm.
Eine Besonderheit dieses Verhältnisses war, dass nicht nur das gemeine Volk Ehrenerweisungen leisteten, sondern dass ein Fürst manchmal auch ein Geschenk, d. h. eine Gabe für geleistete Arbeit, machen konnte. Dies konnte in Form eines Pelzmantels, eines Pferdes, einer Waffe oder eines Fasses Wein geschehen. Diese Geschenke stärkten die Bindung zwischen dem Herren und seinen Bediensteten, weil sie ein Symbol der Zugehörigkeit zur Macht waren, erklärt Koscheljowa. Die wertvollsten Geschenke konnten ganze Dörfer oder Städte sein. Aber es ist eine Sache, wenn ein Fürst seinem Diener ein Dorf schenkte un dieser dann Einkünfte daraus beziehen konnte, ohne etwas zu tun. Eine andere Sache war es, wenn ein Fürst seinen Untergebenen in eine Wolost entsande, also in eine Region, in der er von den dortigen Bewohnern verpflegt werden sollte.
"In einem Zivilamt im Moskauer Zarenreich", 1907.
Sergej IwanowIm Rahmen des Subsistenzsystems lebten die aus dem Zentrum entsandten Beamten auf Kosten der lokalen Bevölkerung, waren aber verpflichtet, die Funktion von Gericht und Verwaltung wahrzunehmen: Dekrete des Herrschers zu verkünden, im Notfall Entscheidungen zu treffen und die Ordnung aufrecht zu erhalten. Dafür sammelten die kormlénstschiki (dt.: die zu Fütternden) dreimal im Jahr Naturalien bei der Bevölkerung ein – Brot, Fleisch, Käse, Hafer und Heu für die Pferde und vieles mehr. Außerdem zogen die kormlénstschiki Abgaben ein: Gerichts-, Zoll- und Einkommensabgaben, Abgaben für die Aufrechterhaltung des Einzel- und Großhandels und andere. Von diesen Abgaben lebten sie und unterhielten ihre Bediensteten – und natürlich wurde ein erheblicher Teil der Abgaben nach Moskau geschickt.
All dies erfolgte im Rahmen der Gesetze. Aber was galt damals als Bestechung?
"Die Ankunft der Voevoda", 1909.
Sergej IwanowIwan der Schreckliche ersetzte die Abgaben durch das System der Woiwodschaften, auch weil seine Statthalter die Bevölkerung ausraubten. Die Woiwoden und Strelizen erhielten nun regelmäßige Gehälter, die nicht immer in gleichen Raten und nicht regelmäßig gezahlt wurden. Es war also nicht einfach, die Tradition der Tributzahlungen abzuschütteln. Ab dem 16. Jahrhundert arbeiteten die russischen staatlichen Institutionen weiterhin auf der Grundlage von Tributen – der so genannten podtschéstj (Ehrenerweisung).
Prikasnýje tschinówniki (dt.: Behördenbeamte), Woiwoden und Gubnýje stárosty (dt.: Bezirks-Schulzen) arbeiteten unermüdlich, fast ununterbrochen. Der Schriftsteller Iwan Pososchkow verglich ihr Tun mit der unermüdlichen Arbeit der Mönche in den Klöstern. „Gehe [erst] nachts nach Hause. ... Komme vor dem Volk in die Kanzlei und gehe als Letzter dann wieder hinaus. ... Und lebe immer in der Kanzlei“, schrieb er in einer Anweisung an einen jungen Beamten. Und solche Beamten wurden durch die Gaben der Bittsteller, eben jene „Ehrenerweisung“, ernährt.
Im 16. und 17. Jahrhundert wurde nicht immer Geld gegeben – die Leute brachten Fisch, Kaviar, teuren Honig, Felle seltener Tiere oder wertvolle Kleidung. Wenn die „Ehrenerweisung“ angenommen wurde, war alles gut. Aber „mit einer Nase zurückgelassen“ zu werden (mit dem, was man mitgebracht hatte), bedeutete Misserfolg. Gleichzeitig bestraften die Gesetze die Beamten nicht für die Annahme solcher „Ehrenerweisungen“.
Nur diejenigen, die sich bestechen ließen, d.h. diejenigen, die nicht nur die pódtschesj, sondern auch eine zusätzliche msdá annahmen, bekamen Ärger!
Es war auch verboten, Geld anzunehmen, das nicht für die Prüfung eines Vorganges, sondern für eine bestimmte Lösung versprochen wurde – das sogenannteposúl. Das war bereits eine Form der lichoímstwo (dt.: Vorteilnahme), die als Bestechung angesehen wurde. Das Wort leitet sich von lichój (dt.: draufgängerisch) ab und stand für eine kriminelle, ungerechte Lösung des Falles im Austausch gegen ein Bestechungsgeld.
"Fürstin Praskowja Jusupowa vor ihrer Tonsur", 1886.
Nikolai NewrewÜberraschenderweise wurde die Korruption im vorpetrinischen Russland nie ausgerottet. Der Volksmund glaubte, dass „eine Bestechung kein Vergehen ist“ und „die Arbeit eines jeden Menschen eine Belohnung verdient“. Deshalb brachten die Bittsteller immer wieder Lebensmittel und Geld zu den Institutionen, um nicht „mit einer Nase zurückgelassen zu werden“. Es gab sehr viel zu tun, aber es standen nicht genug Beamte zur Verfügung. Und wie könnte man ein Problem mit leeren Händen lösen? Die anderen Bittsteller würden doch sicher etwas mitbringen!
Der wichtigste russische Kämpfer gegen die Korruption heißt Peter der Große. Er führte das Institut der Fiskal- und Staatsanwälte ein. Am 24. Dezember 1714 erließ Peter das Dekret Über das Verbot von Schmier- und Bestechungsgeldern und die Bestrafung für deren Annahme.
„Da die Vorteilsnahme in so starkem Maße zugenommen hat“, schrieb Peter, „ist es allen Dienstgraden verboten, vom Staat und vom Volk Gelder anzunehmen ... mit Ausnahme ihrer Gehälter.“ Die Strafe erfolgte in Form körperlicher Züchtigung, bis hin zur Todesstrafe.
Konnte das Dekret das Problem lösen? Sicherlich nicht. Der Forscher Dmitrij Serow stellt fest, dass nur wenige Fälle, die von den Finanzbeamten Peters des Großen (die mit besonderen Befugnissen zur Untersuchung von Korruptionsfällen ausgestattet waren) eingeleitet wurden, in Gerichtsurteilen endeten. Der Zar selbst wusste, dass seine rechte Hand, Seine Durchlaucht Fürst Menschikow, der erste Veruntreuer von Staatsgeldern im Reich war. Aber was konnte er dagegen tun?
Bereits unmittelbar nach dem Tod des Zaren wurden seine Korruptionsgesetze so gut wie nicht mehr angewandt. Am 23. Mai 1726 erließ die Zarin Katharina I. das Dekret Über die Gewährung von Gehältern an die Kollegialbeamten..., das es den Beamten tatsächlich erlaubte, podnoschénija (dt.: Präsente, Darreichungen), aber keine Bestechungsgelder anzunehmen – auch wenn es sich im modernen Sinne um solche handelte). Allerdings musste dies in angemessenen Grenzen erfolgen. Gehälter sollten nur an die Beamten der Kollegien (Ministerien) gezahlt werden, und Beamte ohne Rang sollten... richtig, etwas von den Bittstellern erhalten. Nur ohne übermäßige wsjátki, wie es in dem Dokument barmherzig heißt.
"Im Warteraum eines örtlichen Polizeiinspektors am Vorabend einer großen Feier", 1832
Pawel FedotowDie Historikerin Elena Kortschmina beschrieb einen Fall von 1764, als ein Gouverneur, der Kollegienassessor Wassilij Koslow, das Problem des russischen Kampfes gegen die Korruption formulierte. „Es gab für mich keine Möglichkeit, diese Abgaben (der ihm unterstellten Beamten) zu stoppen“, weil die Regierung sie nicht für ihre Arbeit bezahlte. Und wenn Woiewode Koslow selbst festgelegt hätte, wie viel genau die Beamten von den Antragstellern einnehmen durften, wäre er wegen Amtsanmaßung bestraft worden. In den Gesetzen waren keine „zulässigen Beträge“ festgelegt.
Dieses unbeständige System blieb im 18. und 19. Jahrhundert bestehen. Das Wesen und die Ergebnisse der Korruptionsbekämpfung änderten sich nicht. Die Russen betrachteten die Bestechungsgelder am Hof weiterhin als etwas Natürliches, und sie hatten zugegebenermaßen auch ihre Argumente.
Puschkins Zeitgenosse, der Schriftsteller und Informant des zaristischen Sicherheitsdienstes Thaddeus Bulgarin, schrieb: „Der Unterschied liegt im Handeln. Einige verlangen [Bestechungsgeld] von den Bittstellern und vereiteln ein gerechtes Anliegen, wenn sie nicht bezahlt werden, andere tun ihre Pflicht, aber wenn ihnen jemand für seine Sache etwas gibt, weigern sie sich nicht [es anzunehmen]. Nun, warum soll man einem guten Menschen nicht eine Freude bereiten? Und du wirst nicht mit einer Nase zurückbleiben.“
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