Wofür wäre man im vorpetrinischen Russland hingerichtet worden?

Kira Lisitskaya (Photo: Legion Media; Public domain)
Damals war ein Ehemann, der seine Frau schlug, in den Augen der Gesellschaft oder des Staates kein Verbrecher. Aber Blasphemie oder Respektlosigkeit gegenüber den Eltern wurde mit der Peitsche bestraft, was oft zu Invalidität oder Tod führte.

Der „grausame Tod“ wurde in Russland bei Hochverrat gegen den Herrscher, Vernachlässigung von Eltern und Kindern, Mord, Gotteslästerung und einigen Arten von Unzucht vollstreckt.

Attentat auf den Zaren

„Peter der Große stürzt sich auf die Verschwörer im Haus von Zykler, 23. Februar 1697“, А. I. Scharleman, 1884

Böswillige Absicht in Bezug auf das Leben und die Gesundheit des Zaren und dessen Familienangehörigen und erst recht die Vorbereitung eines Attentats auf sie war in der Rus das schwerste Vergehen. Wurde der Vorsatz nachgewiesen, drohte allen Beteiligten sowie denjenigen, die von dem Anschlag wussten und ihn nicht angezeigt hatten, die Todesstrafe.

Um ein Attentat auf den Herrscher zu melden, musste man im 17. Jahrhundert die „geweihten“ Worte sagen: Wort und Tat gegen den Herrscher! – das bedeutete, dass der Sprecher von dem Wort (der Verschwörung) oder der Tat (dem Attentat) gegen den Zaren wusste. Solche Leute sollten nach Moskau zu den Sicherheitsbehörden des Staates geschickt werden.

Nach der Kórmtschaja kníga, einer Sammlung von Regeln der orthodoxen Kirche mit Gesetzen über das Verhältnis von Kirche und Staat, war Bosheit gegen den Zaren sowohl für Männer als auch für Frauen der Hauptgrund für die sofortige Scheidung vom Ehepartner. Natürlich wurde ein Mann, der eine Verschwörung gegen den Zaren angezettelt und anderen davon erzählt hatte, wie die Pest gemieden und in neun von zehn Fällen angezeigt.

Vernachlässigung von Familie, Eltern, Kindern

„Trauer

Sammlungen kirchlicher Lehren, wie z. B. Domostrój, schrieben vor allem vor, sich um die Familie und das im Hause lebende Gesinde zu kümmern.

Die Achtung vor Eltern und Kindern war die erste Pflicht eines jeden Christen. Die Eltern wurden geehrt und ihnen wurde gehorcht. Formal galt zwar der älteste Mann als Familienoberhaupt, aber wenn seine Mutter im Haushalt lebte, war ihre Meinung dennoch maßgebend. Die Missachtung der alten Mutter und des alten Vaters sowie das Zurücklassen der eigenen Kinder ohne Nahrung, der Söhne ohne Erbe und der Töchter ohne Mitgift führte zu einer Verurteilung durch die Gesellschaft. Nach dem wichtigsten Gesetzeswerk des 17. Jahrhunderts, dem Sobórnoje uloschénije (dt.: Reichsgesetzbuch) von 1649, sollte eine solche Person mit der Peitsche gezüchtigt werden – eine schwere körperliche Bestrafung, die zu Behinderung und gar dem Tode führen konnte.

Ermordung von Familienmitgliedern

Vollstreckung mit der Peitsche.

Die schrecklichsten Verbrechen in Russland waren der Mord an Familienmitgliedern, insbesondere der Vatermord und der Mord an einer Ehefrau durch ihren Ehemann. Konnte man in der Rus bei Vatermord sich noch durch eine, wenn auch hohe, Geldstrafe freikaufen, so wurden Mörder von Familienangehörigen ab Mitte des 17. Jahrhunderts hingerichtet.

Der Mord einer Ehefrau an ihrem Ehemann wurde damit bestraft, dass sie lebendig eingegraben wurde. Die Verbrecherin wurden in eine Grube gesteckt (in der Regel an einem öffentlichen Ort) und bis zum Hals oder bis zur Brust in der Erde vergraben. Bei der Verurteilten wurde eine Wache aufgestellt, damit Familie und Freunde sie nicht füttern oder tränken konnten. Nur Priester durften sich ihr nähern, um Gebete zu lesen. Und die Vorbeigehenden durften Geld für die Beerdigung der Unglücklichen zuwerfen.

Wenn man die Hinrichtung beschleunigen wollte, wurde der Boden um die Eingegrabene herum festgestampft – sie begann zu ersticken und starb in Panik. Normalerweise ließ man die Eingegrabenen jedoch langsam sterben. Die Hinrichtung konnte sich über Tage hinziehen, es war jedoch möglich zu entkommen. 1677 schlug Fetjuschka Schukowa aus Wladimir, die die Misshandlungen ihres Mannes nicht mehr hatte ertragen können, ihm mit einer Sense den Kopf ab. Lebendig eingegraben, blieb sie einen ganzen Tag lang in der Grube und wurde auf Bitten einer gutherzigen Nonne in ein Kloster gebracht. Eine Rolle spielten dabei zweifellos Fetjuschkas aufrichtiges Geständnis und das Bewusstsein der anderen, dass ihr Mann „zu Recht“ getötet worden war.

„Wolostnoje sud“, 1888, Michail Schoschtschenko (1857-1907).

Die Ermordung der eigenen Kinder durch die Eltern galt als schweres Vergehen, aber es gab viele Fälle, in denen Säuglinge von unerfahrenen jungen Müttern „erdrückt“ und „eingeschläfert“ wurden. Ein solcher Mord galt immer als Totschlag und wurde mit jahrelangem Fasten bestraft – ebenso wie das Austreiben eines Fötus mit Tränken, wofür man auf Lebenszeit exkommuniziert werden konnte. Die Strafe für die Tötung außerehelicher Kinder war härter – ab 1649 wurde sie mit dem Tod geahndet.

Gotteslästerung

Hinrichtung mit der Peitsche, Stich aus dem 18. Jahrhundert.

In der vorchristlichen Periode der russischen Geschichte war Gotteslästerung die Entweihung heidnischer Heiligtümer. Sergej Lukjanow schreibt in seinem Artikel Gotteslästerung als eine Art religiösen Vergehens, dass im altrussischen heidnischen Recht der Begriff des religiösen Vergehens als Verletzung heidnischer Riten und Rituale sowie als Beleidigung heidnischer Götter galt.

Die frühen russischen Gesetze enthalten keine Strafen für Gotteslästerung. Die Nikonchronik berichtet, dass im Jahre 1004 der Mönchsanwärter Andrian, ein Kastrat, der „die kirchlichen Gesetze und Bischöfe schmähte“, von Metropolit Leontes ins Gefängnis gesteckt wurde, wo er „nach und nach bekehrt wurde und zur Reue kam“.

Aber im Jahre 1371 wurden die Heiden in Nowgorod vom Volk selbst gemeuchelt. Drei Ketzer – Strygolniki, die auf Kreuze spuckten, Ikonen in Senkgruben warfen und dies den „Schwachen“ beibrachten – wurden von den Nowgorodern im Fluss Wolchow ertränkt. Bereits 1505 wurden „die verwegensten Ketzer“ zum Tode oder zu lebenslänglichem Kerker verurteilt. Weitere Gesetze bestätigten und verschärften die Strafe für Gotteslästerung. Das Sobórnoje uloschénije schrieb im ersten Paragrafen vor, dass Gotteslästerer „überführt und verbrannt“ werden sollten. Und diese Fälle wurden nicht von der Kirche, sondern von einem weltlichen Gericht entschieden. Übrigens wurden Schismatiker durch Verbrennung hingerichtet, was in der Rus eine alptraumhafte Reihe von Selbstverbrennungen Altgläubiger in Gang setzte.

Unzucht und die „Sünde von Sodom“

Die russische Fleischeslust wurde von ausländischen Reisenden als etwas Wildes wahrgenommen. Der dänische Adlige Jacob Ulfeldt, der das Moskau Iwans des Schrecklichen besuchte, war schockiert, als ihm eine Frau vom Fenster des Nachbarhauses aus ihre „schändlichen Stellen“ zeigte. Vor allem Ausländer waren schockiert über den russischen Brauch, nackt aus einem Badehaus zu springen. Adam Olearius, ein deutscher Reisender des 17. Jahrhunderts, schrieb, dass er auf dem Roten Platz Frauen sah, die zum Verkauf angeboten wurden: „Sie standen da, hatten Ringe im Mund (meistens mit Türkisen) und boten diese zum Verkauf an. Wie ich gehört habe, bieten sie den Käufern gleichzeitig mit diesem Handel noch etwas anderes an.“

Die russische Kirche bekämpfte jedoch jegliche Manifestation von Fleischeslust und Begierde mit aller Schärfe. „Sünde von Sodom“ bedeutete vom 16. bis 17. Jahrhundert alles, was von der Kirche verboten war: gleichgeschlechtliche Beziehungen, Zoophilie, Inzest. Aber auch alle Arten von heterosexuellem Geschlechtsverkehr, mit Ausnahme der Missionarsstellung, waren verboten und galten als „große Sünde“. Die Stellung Frau oben wurde mit fünf Jahren Fasten bestraft.

Heute lesen sich die Bußbücher, die Fragen enthalten, die den Männern und Frauen in der Beichte gestellt wurden, wie pornografische Literatur. „Hast du deine Freundin bestiegen, oder hat deine Freundin dich bestiegen und damit eine Sünde begangen, wie bei einem Ehemann? Oder hat sie ihre Zunge in den Mund eines anderen gesteckt? Oder hat sie einem anderen Ehemanne aus Wollust zugezwinkert? Oder hat sie ihre Scham vor jemandem gezeigt?“

Die Strafen für Unzucht und Sodomie variierten je nach der Schwere des Vergehens und dem Geschlecht der verurteilten Person. Für aufgedeckte und nachgewiesene gleichgeschlechtliche Beziehungen von Frauen war die Verbrennung vorgesehen, aber häufiger wurde eine schwere Buße auferlegt. Die Häufigkeit der Fragen in den Bußbüchern, ob sie „mit ihren Freundinnen wie mit einem Mann gespielt“ habe, deutet darauf hin, dass die Hinrichtung in diesem Fall eine zu harte Strafe gewesen wäre. Der Beamte Grigorij Kotoschichin und der Erzdiakon Pawel Aleppskij schreiben unabhängig voneinander darüber.

Hier können Sie unserem Telegram-Kanal beitreten: t.me/rbth_deu

Aktivieren Sie die Push-Benachrichtigungen auf unserer Website!

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!