Wie die russischen Zaren die Geburt ihrer Kinder feierten

Geschichte
GEORGI MANAJEW
Vor der Geburt organisierte die Zarin einen Empfang, und die Geburt selbst weckte ganz Moskau auf – die Glocken aller Kirchen läuteten. Und wir kennen – dank besonderer Ikonen – die Körpergröße der Zarenkinder bei der Geburt.

Als der Zar erfuhr, dass seine Frau schwanger war, hoffte er vor allem auf einen Sohn als Erben. Für den Zaren war es von grundlegender Bedeutung, dass die Erbfolge, die in Russland über die männliche Linie weitergegeben wurde, nicht unterbrochen wurde. Viele Zaren hatten als erstgeborenes Kind ein Mädchen. Aber die aufeinander folgende Geburt von zwei Töchtern, wie im Fall von Michael Fjodorowitsch und Zarin Jewdokija Lukjanowna, wurde zu einem Anlass für unangenehme Gerüchte und Klatsch am Hof.

Aber auch Mädchen waren natürlich begehrte Kinder in der Zarenfamilie, und die Feierlichkeiten anlässlich ihrer Geburt waren nicht weniger üppig als die des Thronfolgers.

Wie verlief die Geburt?

Die Schwangerschaft einer Zarin galt als heiliger Zustand, während dessen niemand mit ihr sprechen durfte oder sie sah: Die Zarin wurde besonders sorgfältig vor Verderbnis bewahrt. Außerdem wurde für sie gebetet, man schickte ihr wundertätige Ikonen in ihre Gemächer und verteilte Almosen für sie.

Wenn sich abzeichnete, dass die Zarin bald gebären würde, lud sie einen inneren Kreis von Bojarinnen in ihre Gemächer ein und erschien vor ihnen auf einem schön geschmückten Bett sitzend. Danach durfte sie bis zur Geburt des Kindes niemand mehr sehen. Gleichzeitig besuchte der Zar nacheinander alle wichtigen heiligen Stätten des Kremls: die Mariä-Entschlafens-, die Erzengel- und die Mariä-Verkündigungs-Kathedrale, das Tschudow- und das Himmelfahrts-Kloster.

Die Geburt selbst war offensichtlich ein intimer Vorgang. Der einzige, der über Geburten der Zarenfamilie schrieb, war Grigorij Kotoschichin (1630-1677), ein Beamter, der das Leben im Zarenpalast kannte: „Die Zarin ist im Waschraum, zusammen mit der Muhme und wenigen anderen Frauen. Wenn die Wehen einsetzen... schicken sie nach einem Beichtvater, um der Wöchnerin und dem Säugling sowie der Muhme und anderen heiratsfähigen Frauen, die bei ihr waren, ein Gebet zu sprechen und dem Neugeborenen einen Namen zu geben. Und nachdem der Beichtvater das Gebet gesprochen hat, betritt der Zar den Waschraum, um das Neugeborene zu sehen. Aber ohne dass ein Gebet gesprochen wurde, geht niemand in den Waschraum oder verlässt ihn.“

Wie die Geburt von Zarewitsch und Zarewnas verkündet wurde

Sobald ein Kind geboren wurde, läuteten in ganz Moskau die Glocken, und in der Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale wurde ein feierlicher Gottesdienst abgehalten. Aus dem Palast kamen Boten – die Oberhäupter der verehrten Klöster, die wichtigsten Heerführer an der Front, die Ehefrauen und Familien der edelsten Bojaren wurden über die Freude der Zarenfamilie informiert. Und überall im Land wurden Gebetsbriefe verschickt. Sie wurden öffentlich in den Kirchen verlesen, woraufhin in allen Städten Gebete abgehalten wurden. Danach sollte der Name des neugeborenen Zarewitschs oder der neugeborenen Zarewna in den Gottesdiensten zusammen mit den Namen der anderen Mitglieder der Zarenfamilie genannt werden.

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Der Zar verteilte bei der Geburt des Kindes ein großes Almosen. Und wie bei Hochzeiten der Zarenfamilie und noch mehr bei Beerdigungen gewährte er allen außer den wegen schwerer Verbrechen Verurteilten eine große Amnestie. Auch verteilte der Zar in seiner Freude gewöhnlich große Posten an die Verwandten seiner Frau – unmittelbar nach der Geburt von Zarewitsch Peter Alexejewitsch wurden sein Großvater Kirill Naryschkin und Artamon Matwejew, der Vormund der Zarin, zu Okolnitschiks (dem Äquivalent von Ministern) ernannt. Alle Geburtsriten wurden in einem offiziellen Dokument, dem Tschin roschdenija (dt.: Geburtenrang) festgehalten.

Leider, so schreibt die Historikerin Margarita Rakitina, hat keines dieser Dokumente vollständig überlebt, sondern nur die erste Seite des Geburtenrangs von Zarin Feodora Alexejewna aus dem Jahr 1649.

Was geschah nach der Geburt des Zarewitschs?

Nach drei bis vier Tagen wurde eine Geburtentafel veranstaltet. Sie war voll mit Süßigkeiten. Sogar bei den Bauern war es zu diesem Anlass üblich, Tee mit Kuchen zu trinken. Und bei den Zaren war das Verschenken von Süßigkeiten ein Zeichen der Barmherzigkeit des Herrschers gegenüber seinen Höflingen – schließlich war Zucker sehr teuer und gezuckerte Nachspeisen wurden nicht einmal bei gewöhnlichen Festen des Zarenhofs serviert.

Auf der Geburtentafel von Peter Alexejewitsch stand:

„Ein großer gezuckerter Lebkuchen in Form des Wappens des Staates Moskau,
ein großer Zuckerkopf, bemalt mit Farbe mit einem Gewicht von zwei Pud und 20 Funt (das sind 40 Kilogramm Zucker!),
ein großer aus Zucker gegossener weißer Adler,
ein weiterer Zuckeradler, ebenfalls groß, aber rot, mit den Reichsinsignien, mit einem Gewicht von jeweils eineinhalb Pud (24 kg),
ein gegossener Zuckerschwan mit einem Gewicht von 2 Pud (32 kg),
eine gegossene Zuckerente mit einem Gewicht von 20 Funt (8 kg),
ein Papagei aus Zuckerguss mit einem Gewicht von 10 Pfund (4 kg),
eine Taube aus Zuckerguss mit einem Gewicht von 8 Funt,
ein Zucker-Kreml mit Menschen zu Pferd und zu Fuß,
ein großer Turm mit einem Adler,
ein mittelgroßer Turm mit einem Adler,
eine viereckige Stadt mit Kanonen...“

An diesem Tag wurden die Bettler mit Süßigkeiten beköstigt und es gab im Kreml spezielle Tische für sie auf der Straße.

Für die Taufe eines Kindes wurde eine Tauftafel ausgerichtet, zu dem eine große Anzahl von Geschenken getragen und geschickt wurde. Ausgewählte Gäste erhielten otdáriwánija (dt.: Geschenke) von der Zarenfamilie, die in der Regel viel teurer waren als die Geschenke für den Zaren. Die Tauftafel war für viele Höflinge obligatorisch – selbst wenn sie wegen Krankheit nicht teilnehmen konnten, wurden ihnen Jawstwa (dt.: Speisen) und Wein nach Hause geschickt, und Abgesandte sorgten dafür, dass sie diese auch tatsächlich probierten und kosteten – so streng waren die Rituale in der Zarenfamilie.

Für jedes Neugeborene in der Zarenfamilie wurde außerdem eine Messikone mit dem Bild des namensgebenden Heiligen angefertigt, die mit einem teuren Messgewand geschmückt und in den persönlichen Gemächern des Zarewitschs und der Zarewna aufbewahrt wurde. Ihre Größe musste genau der „Länge und Breite“ des Kindes entsprechen. So zeigt beispielsweise eine maßstabsgetreue Ikone von Alexej Michailowitsch aus den Moskauer Kreml-Museen, wie groß der Vater von Peter dem Großen bei der Geburt war – 57 mal 19 Zentimeter! Peter selbst war bei seiner Geburt nicht ganz so groß: 49,5 Zentimeter. Die Messikone begleitete ihren Besitzer sein ganzes Leben lang, und nach seinem Tod wurde sie auf dem Grab in der Erzengelkathedrale aufgestellt.

Nach der Geburt eines Zarewitschs oder einer Zarewna war es wichtig, eine Amme für das Kind auszuwählen. Es sind keine Dokumente darüber gefunden worden, wie dies geschah. Es ist jedoch klar, dass es sich bei der Amme um eine Adelige, eine gewöhnliche Stadtbewohnerin oder eine Bäuerin handeln konnte. Grigorij Kotoschichin bezeugt: „Sie wählen eine Frau für das Aufziehen des Zarewitschs oder der Zarewna... eine gute, saubere und gesunde Frau mit süßer Milch, und diese Frau lebt zum Aufziehen ein Jahr lang bei der Zarinim Werch [in den Gemächern der Zarin im Oberteil des Palastes].“

In der Tat konnte das Stillen ein bis zwei Jahre dauern. Nach Ablauf dieser Zeit verließ die Amme das Werch der Zarin, verlor aber danach nie mehr den Kontakt zu ihr. Zunächst waren die Ammen selbst und alle ihre Angehörigen lebenslang von Steuern und Abgaben befreit. Ihr Ehemann und ihre Kinder bekamen lukrative Posten. Die Amme des Nachkommens des Zaren erhielt selbst meist eine andere Stellung am Hof, etwa als Gouvernante oder Zofe. Wenn sie sich entschied, ins normale Leben zurückzukehren, erhielt sie weiterhin jedes Jahr zum ihrem Tag des Engels [Namenstag] Geschenke vom Palast.

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