Hätten sowjetische Frauen einfach nur Hausfrau sein können?

Kira Lisitskaya (Photo: Public domain; DOM, Imagebroker/Global Look Press)
In der Sowjetunion arbeiteten die Frauen gleichberechtigt mit den Männern. Jeder Bürger – unabhängig vom Geschlecht – war verpflichtet, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Im Strafgesetzbuch gab es für nicht erwerbstätige Bürger einen Paragrafen für „Schmarotzertum“. Aber waren alle sowjetischen Frauen gezwungen, zu arbeiten?

In der UdSSR hatten Frauen mehr Möglichkeiten als z. B. die Frauen in den Vereinigten Staaten. Im Jahr 1924 erhielten sie das Wahlrecht. Sie hatten das Recht, zu arbeiten und den gleichen Lohn zu erhalten wie Männer. Unter ihnen waren Ministerinnen, Fabrikdirektorinnen, Akademiemitglieder, Universitätsrektorinnen und Parteifunktionärinnen. Und sie hatten eine gemeinsame Pflicht gegenüber dem Staat – der Gesellschaft zu dienen. Denn offiziell hieß es: Es gibt keine männliche oder weibliche Arbeit, alle müssen gleichermaßen arbeiten.

Hört sich das nach Gleichberechtigung an? Mit Sicherheit nicht.

Warum haben die Bolschewiki das getan?

Heute stellen Forscher fest: Die sowjetische Regierung nutzte das Thema der Geschlechterfreiheit, um wirtschaftliche Probleme zu lösen.

„Die bolschewistische Partei löste, wie jede andere Partei auch, ganz bestimmte praktische Probleme, indem sie Frauen in die Politik und den Staatsaufbau einbezog. Es ist kein Zufall, dass die aktive Mobilisierungspolitik während des Bürgerkriegs begann, als die Sowjetmacht am seidenen Faden hing und absolut alle Ressourcen eingesetzt werden mussten, einschließlich der weiblichen Arbeitskräfte“, erklärt die Genderforscherin Olga Schnyrowa.

Selbst als die Sowjetmacht in den 1930er Jahren mehr oder weniger gefestigt war, wurden für die umfassende Industrialisierung und Kollektivierung immer noch sehr viele Arbeitskräfte benötigt. Das Land brauchte deshalb werktätige Frauen. Zu diesem Zeitpunkt war die Diskussion über die Rolle der Frau im öffentlichen und politischen Leben bereits abgeflaut, aber die Propaganda für die weibliche Arbeitskraft war in vollem Gange.

Plakat: Die sowjetische Propaganda forderte die Frauen auf, sich nicht als Geiseln der Küchensklaverei halten zu lassen, ihre Kinder in den Kindergarten zu geben und arbeiten zu gehen

In den ersten Jahren der Existenz des Sowjetstaates wurde in der Tat versucht, die Frauen aus der Familie „herauszuholen“, damit endlich das ganze Volk nur noch für die Revolution und den Aufbau des Kommunismus eingesetzt werden konnte. Der Staat tat, was er konnte, um dafür den sozialen Bereich und den Dienstleistungssektor zu entwickeln: Kinderkrippen, Kindergärten, Pionierlager, Kantinen usw. Die Kinder sollten vom Staat erzogen werden, um die Eltern nicht zu stören.

Die Bolschewiki erkannten jedoch schnell, dass dies nur schwer umzusetzen war, und sei es nur, weil die Gesellschaft dafür nicht bereit war. Also änderten sie das Konzept. Von einer Frau wurde nun erwartet, dass sie den Sozialismus mit aufbaute und gleichzeitig Hausfrau, Ehefrau und Mutter war – mit anderen Worten, dass sie drei Rollen erfüllte. Und was konnten diejenigen tun, die einfach nur Hausfrau sein wollten?

Hausfrau ohne Rente

Die Einstellung gegenüber Hausfrauen in der UdSSR blieb nicht unverändert. In den 1920er und 40er Jahren gingen Frauen in die Produktion – die Idee der Gleichberechtigung der Geschlechter waren bei den Arbeitern selbst beliebt. Außerdem war Arbeit während des Krieges und in der Nachkriegszeit aufgrund der großen Verluste unter der männlichen Bevölkerung eine Notwendigkeit.

Gleichzeitig waren auf den sowjetischen Bildschirmen neben den Arbeiterinnen in den Fabriken und den Melkerinnen in den Kolchosen auch Hausfrauen in der üblichen Rolle einer patriarchalischen Gesellschaft zu sehen: Während der Mann im Bergwerk oder in der Mühle arbeitete, wartete seine Frau zu Hause und kümmerte sich um Haushalt und Kinder. So auch die Heldin im Film Es geschah in Penkowo, die einen gut aussehenden Traktorfahrer heiratete und von einem einfachen „Frauenglück“ träumte – einem treuen Ehemann und Kindern.

In den 1960er Jahren war die Hausfrau auf dem Bildschirm so gut wie verschwunden, was in gewisser Weise die Anforderungen der Zeit widerspiegelte. Das Prestige einer höheren Bildung und einer beruflichen Karriere stieg, während der Status der durchschnittlichen Hausfrau sank.

In den 1970er Jahren wurden die Frauen in einer Umfrage befragt: Würden Sie Ihre Arbeit aufgeben, wenn Ihr Lohn an Ihren Mann gehen würde?, und 70 % antworteten mit Nein.
Auch der Staat förderte die Erwerbslosigkeit nicht: Bis in die 1980er Jahre wurden die Renten beispielsweise auf der Grundlage der Dauer der Betriebszugehörigkeit berechnet, so dass Bürger, die nicht werktätig gewesen waren, keine Renten erhielten. Aber nur Hausfrau zu sein, war den Frauen nicht offiziell verboten – und so gab es solche.

„Meine verstorbene Großmutter hatte seit etwa Anfang der 60er Jahre nicht mehr gearbeitet. Sie kümmerte sich um ihre beiden Kinder und war Hausfrau. Es gab keine Probleme, aber sie bekam später keine Altersrente, weil sie nicht genug gearbeitet hatte (ihr fehlten ein paar Jahre, um die Mindestrente zu bekommen)“, erinnert sich Gennadij Abramow aus Moskau.

„Meine Großmutter hat nicht gearbeitet. Sie hatte auch keine Zeit. Sie war eine Heldenmutter (es gab tatsächlich eine solchen Orden für Frauen, die zehn oder mehr Kinder zur Welt gebracht hatten) – sie kümmerte sich um den ganzen Haufen Kinder und das Haus...“, bemerkte Andrej Rakowskij aus Nowosibirsk.

Was die strafrechtlichen Sanktionen für das Nichtarbeiten - den so genannten "Faulenzer"-Artikel - betrifft, so wurden Hausfrauen als "Personen, die einen Haushalt führen" aus dem Gesetz gestrichen. Und sie hatten keine Konsequenzen zu befürchten.

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