Wie war die Einbürgerung von Ausländern in Russland geregelt?

Kira Lisitskaya (Photo: Public domain)
Bis zu Peter dem Großen gab es im russischen Recht keine Normen, in denen klar geregelt war, wer dem russischen Regenten unterstand und wer ein Ausländer war. Dafür waren in der alten Rus Ausländer durch ihr anderes Aussehen und ihre Kleidung deutlich erkennbar. Selbst wer die russische Sprache beherrschte oder erlernte, wurde daher nie als „Einheimischer“ wahrgenommen.

Seit Ende des 15. Jahrhunderts, als sich das Großfürstentum Moskau als souveräner Staat zu etablieren begann, zogen zunehmend Ausländer aus Europa ins Land. Es waren daher Regeln erforderlich, mit denen sie erfasst und vor allem geschützt werden konnten. Mangelnde Kenntnisse der Sprache und der russischen Gepflogenheiten machten Ausländer zu einer leichten Beute für Räuber. Schließlich reisten sie in die Rus, um Handel zu treiben, und führten Geld und Wertgegenstände mit sich. Und im 17. und 18. Jahrhundert konnte man in der russischen Provinz leicht für eine gute Hose oder Stiefel getötet werden. Es bestand also ein staatliches Interesse daran, für Sicherheit von Ausländern zu sorgen, um sie nicht vor Reisen ins Land abzuschrecken und schließlich den Handel und die Wirtschaftstätigkeit zum Erliegen zu bringen.

Zudem rechnete es sich, Ausländer zu erfassen: Die Zölle, die von europäischen Kaufleuten in Russland erhoben wurden, überstiegen die Besteuerung der „eigenen“ Händler um das Drei- bis Vierfache. Außerdem waren die Russen sehr am Handel, am Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse, an westeuropäischer Kultur und Kunst interessiert. 

Englischer Kaufmann des 16. Jahrhunderts

Vom 16. bis 17. Jahrhundert reisten trotz Kriegen und politischer Krisen Militärs, Mediziner, Handwerker und Waffenschmiede aus Europa in das Großfürstentum Moskau. Seit dem 16. Jahrhundert wurden Ausländern, die nach Russland einreisten, Passierscheine mit dem roten Siegellack des Zaren ausgestellt. Diese mussten bei der Gesandtschaftsbehörde beantragt werden, und erst danach war es möglich, Handel zu treiben oder Dienstleistungen zu erbringen.

1649 begann der russische Staat, die eigene Bevölkerung genau zu überwachen: In der Gesetzessammlung „Sobornoje uloschenije“ gab es ein ganzes Kapitel „Über Reiserouten in andere Staaten“. Nun musste jeder, der „zu Handelszwecken oder für andere Geschäfte in andere Staaten“ reiste, dies melden: in den Städten beim Wojewoden und in Moskau beim Herrscher selbst (in seiner Kanzlei), und einen Passierschein beantragen.

Das Reisen ohne ein solches Dokument war ein Vergehen, das untersucht werden musste. Es galt auszuschließen, dass eine Person einen Verrat plante. Wurde Hochverrat festgestellt, drohte dem Täter die Todesstrafe. Wenn sich herausstellte, dass er ohne böse Absicht reiste, wurde er ausgepeitscht - eine schwere Strafe, nach der man zum Krüppel werden konnte.

Die Taufe als Einbürgerung

Die Passierscheine kamen im 16. Jahrhundert auf. Aber schon vorher war es möglich, innerhalb des Landes zwischen Fremden und Ausländern zu unterscheiden. In erster Linie durch die Sprache, aber auch durch die Religion. Es war üblich, alle orthodoxen Christen, ob sie Griechen waren oder vom Balkan kamen, aufgrund ihrer Religion als „Einheimische“ zu betrachten.

Ausländern, die nach Russland einreisten, wurden Passierscheine mit dem Siegellack des Zaren ausgestellt.

Die meisten Ausländer - Katholiken, Lutheraner und Protestanten - wollten, auch wenn sie in Russland lebten, ihren Glauben und ihre Rituale beibehalten und ließen sich daher in speziellen „Slobodas“ nieder. Solche Siedlungen waren in Moskau die „Staraja Sloboda“ (alte Sloboda) und die „Nowaja Sloboda“ (neue Sloboda), in denen sich „Njemzy“ - nicht nur Deutsche, sondern generell alle, die fremde (meist europäische) Sprachen sprachen - niederließen. Die Taufe war nicht obligatorisch, aber die Behörden überließen es der Verantwortung der Ausländer, sich gegen die russische Fremdenfeindlichkeit zu schützen - und setzten auf diese Weise Anreize, sich taufen zu lassen. In der vorpetrinischen Zeit gab es kein formelles Einbürgerungsverfahren, dieses wurde vielmehr durch die Taufe zur Orthodoxie ersetzt. Grundsätzlich durfte ein zum russischen Glauben Getaufter russische Kleidung tragen und konnte seine ausländische Sloboda verlassen, ohne Prügel befürchten zu müssen. Sein früherer Name wurde in einen orthodoxen geändert, er konnte eine Russin heiraten und sich allmählich der Bevölkerung der Moskauer Rus anpassen.

Welche Rechte hatten Ausländer im Russischen Reich?

Peter der Große erleichterte 1702 die Einreise von Ausländern nach Russland. Er ordnete an, allen, die die russische Grenze überquerten, um in die russische Armee einzutreten, Pferde und Transportmittel zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurde festgelegt, dass die einreisenden Offiziere in keiner Weise behindert oder gestört werden durften, sondern dass ihnen im Gegenteil „jede freiwillige Dienstbereitschaft entgegengebracht werden sollte“. Ihnen wurde Religionsfreiheit garantiert - es war nicht erforderlich, vor Dienstantritt zur Orthodoxie zu konvertieren.

Isaac Massa (1586-1643), ein niederländischer Getreidehändler, Reisender und Gesandter in Russland

Ein Geheimes Kollegium des Militärrats wurde eingerichtet, um Ausländer vor Gericht zu stellen, damit sie nicht nach russischem Recht verurteilt werden konnten. Peter garantierte, dass Ausländer den Dienst verlassen durften, wenn sie es wünschten, und erwähnte gesondert, dass „Kaufleute und Künstler, die nach Russland einreisen wollen, mit aller Gunst empfangen werden müssen“.

Nachdem Peter im Großen Nordischen Krieg Schweden besiegt hatte, nahm er viele ausländische Gefangene, von denen nicht alle bereit waren, nach Hause zurückzukehren. Daher ermöglichte er 1721 erstmals den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft nicht durch die Taufe, sondern durch einen freiwilligen Schwur.

Im Jahr 1747 wurde ein einheitlicher Wortlaut des Eides angenommen: „Ich, der unten Genannte, ehemaliger Untertan von <einem Herrscher>, verspreche und schwöre dem allmächtigen Gott, dass ich ein treuer, guter und gehorsamer Diener des allmächtigen Souveräns <Name des russischen Zaren> und für immer mit meiner Familie untertan sein will und nirgendwohin ins Ausland gehen und nicht in fremde Dienste treten werde“. Der Wortlaut dieses Schwurs blieb während des gesamten XVIII. Jahrhunderts unverändert.

Paul I. entfernte das Wort „Sklave“ aus der Eidesformel, ordnete aber gleichzeitig eine geheime Aufsicht über alle Ausländer an. Und seit 1807 war es Ausländern, die keine Untertanen geworden waren, verboten, Mitglied einer Handelsgilde zu werden - das heißt, sie konnten keine großen Geschäftsleute werden. Es war jedoch möglich, Handel zu treiben, zu arbeiten und Dienstleistungen zu erbringen. 

Seit 1826 vereinfachte Nikolaus I. den Erwerb der Staatsbürgerschaft grundlegend - nun konnte der Eid in der Provinzverwaltung am Wohnort abgelegt werden, und es war nicht mehr notwendig, in die Hauptstadt zu fahren. Aber lange Zeit, bis 1864, waren die eingebürgerten Ausländer den „gebürtigen“ Untertanen in ihren Rechten nicht gleichgestellt.

Jakow Bruce (1669-1735), russischer General, Staatsmann, Diplomat und Wissenschaftler schottischer Abstammung, einer der wichtigsten Veretrauten von Peter dem Großen

Und was geschah mit der orthodoxen Taufe bei der Einbürgerung? Sie blieb nur für Adelige, die russische Zaren heirateten, obligatorisch - so wurde zum Beispiel Sophia von Anhalt-Zerbst als Katharina Alexejewna orthodox getauft, weil sie die Frau des russischen Thronfolgers Peter Fjodorowitsch war. Auch der spätere Peter III. war kein Russe - er war von Geburt an Karl-Peter Ulrich, wurde aber orthodox getauft, weil er den russischen Thron bestieg.

Ausländer: Nicht fremdländisch, aber nicht einheimisch

Neben den Ausländern gab es in Russland auch viele Einwohner, die aufgrund ihrer unterschiedlichen ethnischen Zugehörigkeit als „Fremdstämmige“ bezeichnet wurden - Baschkiren, Kirgisen, Kalmücken, Samojeden, Burjaten, Jakuten, Tschuktschen und andere. 

Eidesleistung in der kaiserlich-russischen Armee

Russland versuchte, diese Völker zu christianisieren, was jedoch nicht gelang - einige Vertreter wurden zwar auf den orthodoxen Glauben getauft, aber mehrheitlich behielten diese ethnischen Gruppen ihren eigenen Glauben und ihre Traditionen bei. Daher beschloss die Regierung, den Angehörigen dieser Völker ihre ursprünglichen Regierungsformen und ihr Gewohnheitsrecht zu belassen. Sie wurden auch von bestimmten Abgaben, der Wehrpflicht, bestimmten Arten von Strafen usw. befreit - alles, um sie gefügig zu halten und gleichzeitig keine religiösen und ethnischen Konflikte zu provozieren.

Gleichzeitig wurden Ausländer wie Tataren, Tschuwaschen, Mari, Mordwinen, Udmurten, Ischoren, Karelier und Wepsen, die im zentralen und westlichen Teil der russischen Gebiete lebten, seit der Petrinischen Zeit in das allgemeine Verwaltungssystem „eingegliedert“, zahlten Steuern und erfüllten Pflichten. Mit der Zeit fasste die Orthodoxie unter ihnen Fuß.

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