Wie sowjetische Truppen die Belagerung von Leningrad aufhoben (FOTOS)

Sowjetische Soldaten hissen eine rote Flagge über der befreiten Stadt Gatschina bei Leningrad, 26. Januar 1944.

Sowjetische Soldaten hissen eine rote Flagge über der befreiten Stadt Gatschina bei Leningrad, 26. Januar 1944.

Wsewolod Tarasewitsch
Die Rote Armee versuchte mehr als zwei Jahre lang, den Feind aus der Stadt zu vertreiben. Erst nach dem Triumph bei Kursk, eines wichtigen Wendepunkts im Krieg, wurde dies möglich.

Am 8. September 1941 schlossen die deutschen Truppen auf dem Landweg den Ring der Blockade um Leningrad. Nun war die belagerte Stadt nur noch über eine Wasserstraße am Ladogasee – die Straße des Lebens – mit dem „großen Land“ verbunden, über die es jedoch nicht möglich war, die riesige Metropole zu versorgen. 

Frachtlieferung für das belagerte Leningrad auf dem Eis des Ladogasees.

Im Winter brach in Leningrad eine schreckliche Hungersnot aus. „Alles wurde gegessen: sowohl Ledergürtel als auch Unterhosen, es gab keine einzige Katze und keinen einzigen Hund mehr in der Stadt, von Tauben und Krähen ganz zu schweigen“, erinnerte sich der Anwohner Jewgenij Aljoschin. „Es gab keinen Strom. Hungrige, erschöpfte Menschen liefen zur Newa, um Wasser zu holen, und stürzten und starben auf dem Weg. Die Leichen wurden bereits nicht mehr beseitigt, sondern einfach mit Schnee bedeckt. Die Menschen starben zu Hause, ganze Familien, ganze Wohnungen.“

Von den ersten Tagen der Errichtung der Blockade an unternahm die Rote Armee Versuche, sie zu durchbrechen. Großangelegte Offensivoperationen in den Jahren 1941 und 1942 scheiterten jedoch: Es gab weder genug Leute, Ressourcen, noch Kampferfahrung.

Sowjetische Truppen während der 2. Sinjawino-Offensive, 1942

„Wir rückten am 3. und 4. September von der Tschornaja Retschka [einem Zufluss der Newa] Schwarzen Fluss nach Kelkolowo vor“, erinnerte sich der stellvertretende Kommandeur des 939. Regiments P. A. Tschipyschew, der 1942 an der Sinjawino-Offensive teilnahm – ohne Artillerieunterstützung. „Die Granaten, die für die Geschütze der Division geschickt wurden, passten nicht zu unseren 76-Millimeter-Geschützen. Wir hatten keine Granaten. Die Maschinengewehre der deutschen Bunker ließen sich nicht vernichten, und die Infanterie erlitt große Verluste.“

Es wurde nach dem grandiosen Erfolg der Roten Armee bei Stalingrad beschlossen, einen weiteren Versuch zu unternehmen. Diesmal waren die sowjetischen Truppen teilweise erfolgreich – während der Operation Iskra im Januar 1943 durchbrachen sie einen engen Korridor, der Leningrad mit dem Rest des Landes verband.

Soldaten der Leningrader und der Wolchow-Front begrüßen sich nach dem Durchbruch der Blockade am 18. Januar 1943.

In der Zwischenzeit war es nicht möglich, die Offensive auszubauen und den Feind zurückzudrängen – er hielt immer noch Stellungen in der Nähe der Stadt, die er unter regelmäßigen Artilleriebeschuss nahm.

Nach dem sowjetischen Triumph bei Kursk beschloss die Führung der Roten Armee, dass die Zeit für die vollständige Aufhebung der Blockade gekommen war. Im Herbst 1943 begannen die Vorbereitungen für eine groß angelegte Offensive im Nordwesten des Landes.

Sowjetische Truppen bereiten sich auf eine Offensive vor.

Militärische Ausrüstung wurde massenhaft in das Gebiet von Leningrad und in den Brückenkopf von Oranienbaum verlegt – den Teil der Küste des Finnischen Meerbusens westlich der Stadt, der von der Wehrmacht von allen Seiten blockiert und von den sowjetischen Truppen gehalten wurde.

Eine solche Ansammlung von Truppen war vor dem Feind nicht zu verbergen. Der Flakhelfer Iwan Schalow erinnerte sich, dass die Deutschen kurz vor der Offensive in der Gegend von Pulkowo die sowjetischen Truppen über Lautsprecher ansprachen: „Russ, warum so viele Geschütze? Wir kommen doch sowieso weg...“

Deutsche Truppen bei Leningrad

In der Tat hatte der Befehlshaber der Heeresgruppe Nord, Feldmarschall Georg von Küchler, nicht die Absicht, sich zurückzuziehen. Seine 740 Mann starke Gruppe bereitete eine bis zu 260 km tiefe Verteidigung mit Feldbefestigungen aus Stahlbeton, einer Masse von Bunkern, einem System von Drahtsperren und Minenfeldern vor.

„Die Einheiten dieser Gruppe verfügten über eine große Erfahrung in Kampfeinsätzen“, schrieb der Marschall der Sowjetunion Kirill Merezkow, „insbesondere über Erfahrung in der Offensive und Verteidigung in bewaldetem und sumpfigem Gelände. Aber wir waren dem Feind als Truppen nicht mehr unterlegen, wir hatten eine zahlenmäßige Überlegenheit: an Leuten das Anderthalbfache, an Geschützen und Mörsern das Doppelte, an Flugzeugen das Vierfache, an Panzern das Dreieinhalbfache“

Sowjetische Artillerie während der Offensive Nowgorod-Luga (Teil der strategischen Offensivoperation Leningrad-Nowgorod).

Die strategische Offensivoperation Leningrad-Nowgorod der sowjetischen Truppen begann am 14. Januar 1944 mit dem Angriff der 2. Stoßarmee in Richtung der Orte Ropscha und Krasnoje Selo. Am nächsten Tag begann die 42. Armee, sich aus dem Raum Leningrad dorthin zu bewegen.

Zur gleichen Zeit rückten die Truppen der Wolchow-Front bei Nowgorod vor. Sie mussten die deutschen Kräfte hier binden und das Wehrmachtskommando daran hindern, Reserven nach Norden zu verlegen.

Jurij Nikulin war nach dem Krieg einer der berühmten sowjetischen Schauspieler.

Die ersten Tage der Kämpfe waren für die Rote Armee extrem hart. Der Soldat Jurij Nikulin, der später ein berühmter Schauspieler wurde, erinnerte sich: „Immer wieder  mussten wir anhalten, weil wir nicht weiterkamen. Das eine Mal war eine Brücke gesprengt worden, ein anderes Mal explodierte das Führungsfahrzeug oder ein Panzer auf einer der Minen, die überall verstreut lagen... Zerfetzte Fahrzeuge und Pferde wurden am Wegesrand zurückgelassen, die Toten und Verwundeten wurden lautlos auf leere Fahrzeuge verladen, und wieder bewegte sich dieser schwarze Klumpen aus Eisen, Stahl, Treibstoff und menschlichen Herzen, von dem jedes nur eines zu rufen schien: vorwärts, vorwärts, vorwärts.“

Sowjetische Truppen während der Offensive von Krasnoje Selo-Ropscha (Teil der strategischen Offensive Leningrad-Nowgorod).

Nachdem die Reserven hinzugekommen waren, wurde die Offensive erfolgreicher. Am 20. Januar vereinigten sich zwei sowjetische Armeen in der Gegend von Ropscha und schnitten einen Teil der deutschen Truppen ab, die noch keine Zeit gehabt hatten, sich von den Hauptkräften zurückzuziehen. Am selben Tag wurde Nowgorod befreit.

Angriff der sowjetischen Infanterie

Durchbrüche in zwei Gebieten führten dazu, dass die deutsche Front zu bröckeln begann. Am 21. Januar besetzte die Rote Armee den äußerst wichtigen Bahnhof von Mga, den die Deutschen als östliches Schloss der Blockade von Leningrad bezeichneten.

Am 22. Januar 1944 beschoss die deutsche Artillerie Leningrad zum letzten Mal von der Stadt Puschkin aus. Zwei Tage später musste die Wehrmacht auch diese Stadt aufgeben.

Rückzug der deutschen Truppen aus dem Leningrader Gebiet

Bis zum Ende des Monats hatten die sowjetischen Truppen die Deutschen 70-100 Kilometer von Leningrad zurückgedrängt und die Hauptverbindungswege der Stadt zum Land befreit. Am 27. Januar verkündete der Militärrat der Leningrader Front die vollständige Befreiung der Stadt von der feindlichen Blockade.

Das bedeutende Ereignis wurde in Leningrad mit einem feierlichen Salut aus 324 Geschützen gefeiert. „Alle, die damals dabei waren, freuten sich: jubelten, umarmten, und küssten sich, riefen HURRA! weinten vor Glück und gleichzeitig vor Trauer – wegen der hohen Verluste. So viele Erfahrungen! Es ist unvergesslich!“, erinnerte sich Jelisaweta Dobrowa an diesen Tag.

Beerdigung der während der Blockade in Leningrad Verstorbenen, Friedhof von Wolkowo

Die Rote Armee drückte den Feind weiter nach Westen und drängte ihn weitere 120-160 Kilometer von Leningrad weg. Es gelang den sowjetischen Truppen jedoch nicht, die Heeresgruppe Nord einzukreisen und zu besiegen, wie der Kreml gehofft hatte.

Die Deutschen zogen sich nach Estland zur Panther-Linie zurück – Teil des groß angelegten Systems von Verteidigungsanlagen Ostwall. Dort hofften sie, die sich immer schneller drehende sowjetische Offensive zu stoppen.

>>> Die Belagerung von Leningrad: Wie Blinde die Stadt vor den Nazis verteidigten

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