VK folgt den globalen Trends.
PhotoXPressSoziale Netzwerke steckten in Russland noch in den Kinderschuhen, als der frischgebackene Sankt Petersburger Philologe Pawel Durow im Oktober 2006 den Start des Internetportals VKontakte (VK) verkündete. Facebook hatte damals noch keine russischsprachige Version, das einzige große soziale Netzwerk Russlands war Odnoklassniki – eine Plattform, die sich vorrangig an ältere Generationen richtete.
Pawel Durow brachte frischen Wind in die Interneteinöde. Nicht nur, dass seine Plattform den Konkurrenten Odnoklassniki in wenigen Monaten hinter sich ließ: VK konnte sich auch nach der Einführung der russischen Facebook-Version behaupten und seine Stellung halten. Das soziale Netzwerk wurde zur beliebtesten Seite im russischsprachigen Internet – und ist es bis heute. 70 Millionen Nutzer zählt die Plattform. Laut Analysten von SimilarWeb ist VK an den Besucherzahlen gemessen das fünftgrößte Portal der Welt. Der Online-Dienst Alexa Internet sieht das Unternehmen auf Platz 16.
Pawel Durow war nicht nur Gründer und Geschäftsführer des sozialen Netzwerks, sondern auch sein Gesicht. Foto: Pressebild
Durows Erfolg fing mit einer Online-Datenbank für Prüfungsantworten an. Später entwarf er eine Internetseite für seine Kommilitonen. VK war anfangs nur für Studenten gedacht und sollte eigentlich „student.ru“ heißen. Doch der Gründer beschloss, ein größeres Zielpublikum anzusprechen: So entstand der Name VKontakte – zu Deutsch: „Im Kontakt“.
Ein junges soziales Netzwerk in blauweiß, das ursprünglich – wie auch Facebook – für Studenten konzipiert wurde? Der Verdacht eines Plagiats drängte sich geradezu auf: „Das russische Facebook macht sich nicht mal die Mühe, zu verstecken, dass es im Grunde ein Klon ist. VKontakte kopiert nahezu exakt das Facebook-Design“, spottete das Internetportal Mashable ein Jahr nach der Markteinführung des russischen Portals. Durow räumte ein, dass er Zuckerbergs Erfahrungen analysiert hatte, betonte aber, sein Projekt sei eigenständig und ausgereifter.
Dass VK sich von Anfang an auf Schüler und Studenten konzentriert habe, sei die Erfolgsstrategie gewesen, betont Juri Sinodow, Gründer des Internetportals roem.ru. „Junge Leute sind für neue Internetprojekte einfacher zu begeistern. Odnoklassniki setzte auf ältere Generationen. Deswegen hat VK den Konkurrenten überholt“, betont Sinodow gegenüber RBTH.
Pawel Durow war nicht nur Gründer und Geschäftsführer des sozialen Netzwerks, sondern auch sein Gesicht. 2014 aber verkaufte er sein Aktienpaket und verließ das Unternehmen. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB habe von ihm verlangt, die Daten jener Nutzer herauszugeben, die am Euromaidan in Kiew beteiligt gewesen seien. Für Durow war das inakzeptabel. Er verließ Russland und konzentrierte sich auf die Entwicklung des Telegram-Messengers.
Seit dem Führungswechsel verfolgt das Unternehmen eine härtere Gangart gegenüber Produktpiraterie: Illegale Audio- und Videodateien werden gelöscht. Zugleich will VK den russischen Markt weiterhin dominieren. Im Sommer 2015 hat das Unternehmen Snapster gestartet, ein Instagram-Pendant. Links zu Accounts auf Instagram, einem Facebook-Produkt, werden aus VK entfernt.Die Plattform sei den Kinderschuhen entwachsen, sagt der Kommunikationsexperte Maxim Kornew. „VK folgt den globalen Trends: Videokonferenzen und Onlinezahlungen werden schon angeboten, ein eigener Messenger steht kurz vor der Einführung.“
Mit Durow an der Spitze sei VK ein kreatives Projekt gewesen – freiheitlich, fast anarchistisch, so Kornew weiter. Inzwischen sei das soziale Netzwerk ein angesehenes Unternehmen und eher ein Trend-Follower als Trend-Setter.
Der Streit mit dem FSB im Jahr 2014 war nicht die einzige Auseinandersetzung des Unternehmens mit den Sicherheitsbehörden: 80 bis 90 Prozent der Verurteilungen wegen extremistischer Propaganda betreffen Posts bei VK. 500 solcher Fälle gab es allein im letzten Jahr.
„VK hat seinen Stammsitz in Russland. Wenn die Polizei anfragt, geben die Administratoren die Nutzerdaten sicherlich heraus“, sagt Alexander Werchowskij vom Sova Center, einer russischen Menschenrechtsorganisation. „Die im Ausland ansässigen Facebook und Twitter sind deutlich weniger zur Kooperation bereit“, erklärt er. Daher sei VK der denkbar schlechteste Ort für Aussagen, die gegen russische Gesetze verstoßen könnten.Für weitere Skandale sorgen Gruppen, die VK-Nutzer im sozialen Netz gründen. Die russische Zeitung „Nowaja Gaseta“ berichtete im Mai dieses Jahres über eine VK-Gruppe, die Teenager in den Suizid getrieben haben soll. VK erklärte, solche Gruppen für immer zu sperren – eigenständig, aber auch auf Hinweis des russischen Internetregulierers Roskomnadsor.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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