YouTube und Gerechtigkeit: Was bewegt Russlands Generation Z?

Beautiful red-haired girl looking at the mirror. Russia

Beautiful red-haired girl looking at the mirror. Russia

Getty Images
Sie sind „Digital Natives“, lieben Smartphones und YouTube und haben einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit: Auch in Russland ist die Generation Z auf dem Vormarsch. Die heute 14- bis 21-Jährigen unterscheiden sich deutlich von früheren Generationen in diesem Alter.

Wo die Generation Z beginnt, bestimmen Marktforscher und Soziologen unterschiedlich: Für die einen sind es alle, die nach 1995 geboren sind, andere setzen die Grenze beim Geburtsjahr 2000 an. Die Generation Z sind also Teenager und junge Erwachsene im Alter zwischen 14 und 21 Jahren – gestern noch Kinder, heute schon Oberstufenschüler und Erstsemesterstudenten. Sie gewinnen zunehmend an Bedeutung für Wirtschaft und Politik: Bis 2020 werden sie weltweit 20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung ausmachen, heißt es unter anderem in einer Studie des Massachusetts Institute of Technology.

Russlands Generation Z, die Centennials, sind zudem auch deshalb wichtig, weil sie ein zahlenmäßig stärkerer Jahrgang sind als ihre Vorgänger der Neunzigerjahre: In den 2000er-Jahren zog die Geburtenrate in Russland im Vergleich zum dramatischen Geburtenloch der 1990er langsam wieder an.

Wie also sehen die jungen Menschen aus, die in wenigen Jahrzehnten das Land maßgeblich prägen werden?

Erfolgreich, konsumorientiert, introvertiert

Die Skater im Gorky-Park / AFPDie Skater im Gorky-Park / AFP

„Diese Menschen sind in einer Gesellschaft großgeworden, in der die Grundbedürfnisse befriedigt waren: Essen, Kleidung, ein Dach über dem Kopf, medizinische Versorgung und eine mehr oder weniger gute Bildung“, schreibt Anna Kanakowa, Direktorin des Serviceportals Wowworks.ru, in ihrer Kolumne für das russische Wirtschaftsblatt „RBC“. Sie hätten mehr vom Wohlstand profitiert als Generationen vor ihnen, die noch die Entbehrungen der Sowjetzeit und die dramatische Wirtschaftskrise der 1990er-Jahre im Gedächtnis hätten.

Doch habe der Lebensstandard der Generation Z auch eine Kehrseite. Waren Kinder in der UdSSR in ihrer Freizeit sich selbst überlassen, konnten herumspazieren und sich mit Freunden treffen, begannen Eltern nach dem Zerfall der Sowjetunion, ihre Kinder so gut es geht zu behüten. „Die Welt außerhalb der Familie galt als aggressiv und feindselig“, schreibt Kanakowa. Alleine spazieren gehen? Unmöglich! Die Generation Z sei deshalb eine Generation von Nesthockern. Menschen außerhalb ihres Bekanntenkreises begegneten sie grundsätzlich mit Skepsis.

Graffiti  in Moscow. / AFPGraffiti in Moscow. / AFP

Die Kommunikationsexpertin Arina Chodyrewa von der Agentur PBN H+K stellt im Gespräch mit RBTH einen weiteren Aspekt heraus. Auch wenn die Generation Z bereits nach dem Zerfall der Sowjetunion auf die Welt gekommen ist, spiele Russlands sowjetische Vergangenheit eine Rolle in ihrem heutigen Leben: „Wegen der Nachteile des Sowjetsystems, in dem alles irgendwie gemeinschaftlich war, sind die ersten postsowjetischen Generationen in ihrer Mehrzahl Kapitalisten im traditionellen Wortsinn. Sie sind rege Konsumenten, wollen eine Eigentumswohnung, ein Auto und so weiter“, sagt die Fachfrau. Die Sharing Economy hingegen, eine auf gemeinschaftlicher Nutzung basierende Wirtschaftsform, die im Westen zunehmend beliebter wird, hat sich in Russland bislang nicht durchsetzen können.

Ohne Smartphone geht nichts

/Getty Images/Getty Images

Die Generation Z ist mit dem Internet aufgewachsen, moderne Technologien stehen den Centennials in der Regel seit ihrer Kindheit zur Verfügung. Ihr liebstes Gerät ist das Smartphone, wie aus einer Gemeinschaftsstudie der Agentur PBN H+K und des Marktforschungsinstitutes Magram hervorgeht. Nutzen die Millenials – also Menschen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren – noch aktiv Tablets und Laptops, nimmt die Generation Z am liebsten das Mobiltelefon in die Hand, ob für Musik, zum Chatten oder um Videos zu schauen.

Vor allem Videos stehen bei den heutigen Teenagern hoch im Kurs. YouTube ist ihre wichtigste Plattform im Netz: 55 Prozent ziehen das Portal anderen Angeboten im Internet und vor allem dem Fernsehen vor. Zudem nutzen sie YouTube auch für die Internetsuche. „Recherchiert die Generation Y Informationen weiterhin über Suchmaschinen, ist die Generation Z schon zu YouTube gezogen“, heißt es in der Studie. Videoblogger seien die TV-Stars der Teenager.

/Getty Images/Getty Images

Bei der Musik ist für die Generation Z „Rap das neue Rock-n-roll“, wie es der US-Rapper Kanye West formulierte. Teenager aus Russland zieht es dabei vor allem zu russischen Künstlern. „In ihrem Fall ist der Generationenkonflikt also Rock gegen Rap“, scherzt Chodyrewa.

Protest gegen Ungerechtigkeit

Anti-Korruptions-Proteste am 26.03.2017, Moskau, Russland / Dmitry Golubovich/Global Look PressAnti-Korruptions-Proteste am 26.03.2017, Moskau, Russland / Dmitry Golubovich/Global Look Press

Eigentlich galt die Generation Z in Russland bislang als unpolitisch. Im März dieses Jahres kam es dann aber zu einer großen Überraschung für Politologen und Soziologen: 14- bis 20-Jährige beteiligten sich in großer Zahl an den Aufmärschen, die der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny organisiert hatte. Laut dem Portal „OWDinfo“ waren sieben Prozent der Festgenommenen jünger als 18 Jahre. So etwas gab es in Russland zuvor noch nie.

Die Jugend sei in Russland zu einem „neuen Politiksubjekt“ geworden, sagt Jelena Omeltschenko von der Higher School of Economics. Dort leitet sie das Zentrum für Jugendforschung. „Sie haben der Politik im offiziellen, offiziösen Format eine Absage erteilt, bleiben aber weiterhin politisch beteiligt“, sagt die Wissenschaftlerin im Interview mit der Zeitung „Kommersant“. Ohne sich in die Details von Parteiprogrammen und Erklärungen zu vertiefen, seien sie am Thema Gerechtigkeit interessiert. Deshalb habe die Anti-Korruptions-Rhetorik von Nawalny bei ihnen Anklang gefunden. Auch das Format, dem Videoblogg, in dem der Oppositionspolitiker mit seinem Zielpublikum kommuniziert, sei für sie sehr bequem. Nur gehe es dabei eben nicht um Kleidung oder Musik, sondern um Politik.

Der Politologe Waleri Solowej, Professor für internationale Beziehungen, sagt jedoch, dass die Generation Z trotz ihrer regen Protestbeteiligung kaum politisierter sei als ihre Vorfahren: „Das ist vielmehr altersbedingt. Wie überall auf der Welt sind auch in Russland die Kinder protestfreudiger als ihre Eltern. Sie sind einfach sorgloser, haben weniger Angst vor Konsequenzen“, sagt der Professor. Mit der Zeit werde auch die Generation Z in die Fußstapfen ihrer Eltern treten, vorsichtiger und konservativer werden, ist er überzeugt.

Absolventen der Staatlichen Universität Woronesch kommen in Berlin zusammen

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!