1. Leo Tolstoi (1828-1910)
Die „Crème de la Crème“ der russischen Schriftsteller war oft mit sich unzufrieden, Leo Tolstoi bildete da keine Ausnahme. Im Jahr 1850 gestand der junge Schriftsteller in seinem Tagebuch: „Ich lebe so leichtsinnig, wie ein Biest“, und beschuldigte sich, seine Zeit mit sinnlosen Beschäftigungen zu verschwenden. „Ich bin sehr unzufrieden mit mir selbst“, fügte er hinzu.
Die Selbstkritik ließ jedoch auch mit den Jahren, in denen der junge Graf zum arbeitsamen Schriftsteller wurde, nicht nach. „Ich kann nicht schreiben – es sieht einfach falsch aus. Und ich kann das nicht ändern“, merkt Tolstoi im Jahr 1863 grimmig an. In dieser Zeit denkt er auch viel über seine junge Braut Sofja nach und kritisiert sich dafür, dass er sie nicht verdienen würde: „Ich bin klein und erbärmlich... ein unmoralischer Egoist.“
Wie sich herausstellte, war Tolstoi weitaus mehr als „klein und erbärmlich“. Doch wohlmöglich gibt es in seiner Aussage keinen Widerspruch, denn er selbst meinte, dass „dieselbe Person sich von einem Schurken in einen Engel, von einem Weisen in einen Idioten, von Stärke zu Schwäche verwandeln kann...“.
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2. Fjodor Dostojewski (1821-1881)
Es ist nicht überraschend, dass der Mann, der tiefgründige psychologische Romane wie „Schuld und Sühne“ und „Die Brüder Karamasow“ schrieb, nicht immer froh gestimmt war. In gewisser Weise entsprach Dostojewski als Person der Idee des russischen Volkes, das er selbst als melancholisch beschrieb. „Die Notwendigkeit zu leiden ist im Laufe der Jahrhunderte ein inhärentes Merkmal der Russen geworden“, schrieb er in „Tagebuch eines Schriftstellers“.
Dostojewski hielt sein eigenes Wesen für „krank“ und fragte sich in einem seiner Briefe: „Warum hältst du mich für einen freundlichen und großzügigen Mann? Nein, mein Freund, ich bin nicht besonders sympathisch und das stört mich sehr...“ In Wirklichkeit jedoch war Dostojewski äußerst großzügig und kümmerte sich nicht nur um seine große Familie mit vier Kindern, sondern auch um das Kind seiner Exfrau und um die Verwandten seines Bruders.
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3. Andrei Platonow (1899-1951)
Andrei Platonow, der den düsteren sowjetischen Roman „Die Baugrube“ schrieb, führte ein hartes Leben, das zwei Kriege, eine persönliche Auseinandersetzung mit Stalin und den Tod eines Kindes beinhaltete. Als optimistischer, jedoch strenger Mann machte es Platonow sich selbst nie leicht.
Eine seiner Notizen in einem Tagebuch besagt: „Gott, wie dumm ich bin! Schau dir nur die vorherigen drei bis vier Seiten an.“ Einige andere Anmerkungen klingen noch strenger: „Wie ich mir wünschte, künstlerisch, klar, mit Leidenschaft und Stolz für die Arbeiterklasse schreiben zu können [doch ich kann nicht].“
Als Schriftsteller hatte Platonow für die Schwäche der menschlichen Seele, einschließlich seiner eigenen, Verständnis und behauptete: „Seit der Kindheit arbeiten alle an ihrer sozialen Maske, um sich den Erfolg zu sichern. Wie schön wäre es, wenn wir keine Masken hätten! Wie wunderbar!“
4. Anton Tschechow (1860-1904)
Als Meister des Humors und der Ironie konnte Tschechow, nicht nur in seinen Kurzgeschichten, über alles, einschließlich sich selbst, scherzen. Einmal schrieb er an den Bruder des Komponisten Peter Tschaikowski: „Jetzt ist Tschaikowski die Nummer zwei in der russischen Kunst, denn Leo Tolstoi nimmt seit langer Zeit die Nummer eins ein ... die Drei geht an Ilja Repin, und ich gestehe mir die 98 zu.“
Natürlich spielte Tschechow eine viel größere Rolle, als er sich einräumt, doch er war und blieb sein ganzes Leben bescheiden, fühlte sich auf der Bühne unwohl und war oft unzufrieden mit seinem Leben. „Ich würde gerne einige Jahre meines Lebens komplett streichen“, schrieb er im Jahr 1890, behielt allerdings nichtsdestotrotz seinen Humor. Denn im selben Monat vermerkte er: „In Sankt Petersburg habe ich so viel getrunken, dass Russland stolz auf mich sein wird!“
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5. Sergei Dowlatow (1941-1990)
Der in den späten 1970er Jahren in die Vereinigten Staaten emigrierte sowjetische Schriftsteller Dowlatow behauptete immer, dass er gerne wie Tschechow sein würde. In Bezug auf Humor und Selbstskepsis war das tatsächlich zutreffend. „Ich kleide mich momentan äußerst schlecht und war früher noch schlechter angezogen“, kommentierte er zum Beispiel seinen Stil in Amerika.
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Endlich von sowjetischer Zensur befreit, schien Dowlatow in Amerika jedoch auch nicht glücklich zu sein und litt an Alkoholismus und Depressionen. „Mein ganzes Leben habe ich auf etwas gewartet... und nun ist alles bereits vorbei, es gibt nichts mehr, worauf man warten kann, keine Quellen der Freude“, stellte der Schriftsteller fest.
Dennoch fuhr er mit dem Arbeiten und Schreiben fort. „Ich schreibe für meine Kinder, damit sie all das nach meinem Tod lesen können, damit sie verstehen, was für einen verdammt guten Vater sie hatten und aus ihren schamlosen amerikanischen Augen Tränen fließen“, schrieb er mit einer Prise Selbstironie.