Prostituierte, Mobbing und andere diskreditierende „Enthüllungen” über Dostojewski

Fjodor Dostojewski gehört unbestritten zu den ganz Großen der russischen Literatur. Der Autor litt an Epilepsie, genereller Erniedrigung und vor allem an sich selbst.

Seine Protagonisten sind Mörder, Masochisten, Prostituierte, Unangepasste, religiöse Narren und soziale Randgruppen. Er ist ein großer russischer Schriftsteller, den man in Russland in der weiterführenden Schule beginnt zu lesen und niemals damit aufhört.

Kann man das Leben am unteren Ende der Gesellschaft so lebendig beschreiben, wenn man nicht selbst Teil davon ist? Wahrscheinlich nicht.

Der junge Fjodor Dostojewski

„Ich bin so enttäuscht, dass ich nicht länger ein normales Leben führen kann. Ich habe Angst an Typhus oder Fieber zu erkranken und meine Nerven sind schwach. Die Minuschkas, Laruschkas und Mariannas sind schöner denn je, aber sie verlangen unverschämt viel Geld”, schrieb Dostojewski an seinen Bruder. Der große russische Schriftsteller war besessen vom Sex mit Prostituierten. In seinem eigenen Leben gab es noch mehr Laster als in seinen Werken.

Ein Mann voller Komplexe

Nur wenige Menschen verliebten sich auf den ersten Blick in Dostojewski, dies war, wie seine Zeitgenossen berichteten, schwer: „Er war dünn und klein, hatte schütteres Haar und eine ungesunde Erscheinung”, sagte Awdotja Panajewa über ihn, eine Schriftstellerin, für die der 25-jährige Dostojewski eine unerwiderte Liebe fühlte. Andere Attribute, mit denen er beschrieben wurde, waren „irritierend”, „unsicher”, „ein Durchgeknallter” und „ein bemitleidenswerter eitler  junger Mann”. Nikolai Nekrassow und Iwan Turgenjew zum Beispiel nannten Dostojewski einen „entzündeten Pickel”. Das Mobbing durch Schriftstellerkollegen wurde von seinem eigenen Verhalten herausgefordert. Dostojewski verfasste sentimentale Groschenromane und Kriminalgeschichten (so wurden seine Werke damals wahrgenommen) und hielt sich selbst für ein Genie.

Fjodor Dostojewski im Jahr 1859

Zugegeben, er war, milde ausgedrückt, selbstkritisch in Bezug auf sein Äußeres. Er nannte sich selbst Quasimodo und war sehr schüchtern Frauen gegenüber. Doch das hielt ihn nicht davon ab, jedes Bordell in Sankt Petersburg aufzusuchen…

Dostojewskis Sexsucht

Er war schüchtern. Es heißt, er sei so schüchtern gewesen, dass er beim Anblick weiblicher Fesseln oder wenn eine schöne Frau ihn ansprach in Ohnmacht gefallen sei. Beim Anblick von Damenstrümpfen in einem Schaufenster musste er sich zunächst setzen, um sich wieder zu beruhigen. Aber nach nächtlichen Trinkgelagen mit Kumpanen endete er jedes Mal im Bordell.  

„Und so, in der Einsamkeit der Nacht, habe ich mich dem schmutzigen Laster hingegeben mit einem Gefühl der Scham, das ich nie ablegen konnte”, lässt er den ihm nachempfundenen Protagonisten in „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch” sagen.

Dostojewskis sexuelle Vorlieben waren speziell. Er liebte die Dominanz im Bett und fügte gerne Schmerzen zu. Daher lehnten es viele Frauen ab, sich ein zweites Mal mit Dostojewski einzulassen. Das ging so weiter, bis er seine erste Ehefrau traf. Und dann die zweite.

Ein Familientyrann

Maria Dostojewski (l); Anna Dostojewski (r)

Dostojewski war zweimal verheiratet. Zum ersten Mal mit 34 Jahren, doch die Ehe scheiterte, was bei Dostojewski einen heftigen epileptischen Anfall auslöste und seine Minderwertigkeitskomplexe verstärkte.

Die zweite Ehe war erfolgreich. Die Stenografin Anna Snitkina, 25 Jahre jünger als er, erwies sich als Bewunderin des „erfolgreichen” Autors und betrachtete ihn ihr Leben lang als Autorität. „Ich war jederzeit bereit, für ihn auf die Knie zu gehen”, schreibt sie in ihren Memoiren.

Als er seine zweite Ehe einging, war Dostojewski bereits durch frühere schlechte Erfahrungen von Eifersucht beherrscht. Er erstellte eine Liste von Regeln für seine Frau: Sie durfte nur unauffällige Kleidung tragen, keine Männer anlächeln, in Gegenwart von Männern durfte sie nicht lachen, er verbot ihr Lidschatten und Lippenstift.

Regelmäßig wurde das Haus nach Liebhabern durchsucht, oft aus heiterem Himmel. Irrationale Paranoia konnte den Autor jederzeit überkommen. „Ich war noch immer ein fröhlicher Mensch, aber zeigte das nur in der Familie… meine Freundinnen sagten, ich sei in den vier Jahren sehr gealtert und sie warfen mir vor, mich selbst zu vernachlässigen”, schrieb Anna Dostojewski.

Ein Spieler, der alles riskierte

Während Annas Liebe zu Dostojewski mehr geistiger denn physischer Natur war, liebte Dostojewski Anna in jeglicher Hinsicht. Doch das hielt ihn nicht davon ab, die Eheringe und ihr Hochzeitskleid zu versetzen, um Spielschulden zu bezahlen.

Er war ein passionierter Roulette-Spieler (Lesen Sie „Der Spieler” und Sie werden alles verstehen). Zu Anfang gewann er einmal eine größere Summe. Später verlor er meist. Aber er war körperlich abhängig vom Spiel: „Sobald ich aufwache, setzt mein Herz aus, Arme und Beine zittern und werden kalt…”, beschrieb er seine Gefühle, in denen ihn die Spielsucht übermannte. „Es ist eine Krankheit”, so lautete Anna Dostojewskis Urteil. Man sollte es als Teil seiner Persönlichkeit akzeptieren, fand sie. Sie hielt es für einen Teil der unausgeglichenen und leidenschaftlichen schriftstellerischen Natur.  

>>> Sex, Drogen und Literatur: Welche Laster hatten Tolstoi, Dostojewskij & Co.?

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