Peter Tschaikowski: Wie ein Junge vom Lande zum großen Komponisten wurde

Kultur
ALEXANDRA GUSEWA
Er hat zwei der berühmtesten Ballettstücke der Welt geschrieben: „Schwanensee“ und „Der Nussknacker“.

Zehn Opern, drei Ballettstücke und sieben Symphonien, dazu unzählige Lieder, Konzerte, Kantaten, kurze Stücke für Klavier, Orchester und andere Instrumente – das sind die Fußabdrücke, die Peter Tschaikowski in der klassischen Musik hinterlassen hat. 

Mozart und eine Magd als Klavierlehrerin  

Tschaikowski wurde 1840 in Wotkinsk geboren, einer Stadt im Ural. In die Stadt wurde sein Vater von St. Petersburg versetzt, um dort die örtlichen Eisenhüttenwerke zu leiten. 

Zu Hause erhielt der junge Peter eine musikalische Ausbildung und komponierte kleine Stücke. Tschaikowskis Eltern hegten eine tiefe Liebe zur Musik und gaben das auch an ihre Kinder weiter.

Im Haus der Familie stand ein ungewöhnliches Gerät: ein Orchestrion, ein mechanischer Musikautomat. Besonders gerne hörte Tschaikowski damit den jungen Mozart: „Durch ihn habe ich gelernt, was Musik ausmacht”, schrieb er in sein Tagebuch.

Eine junge Dienstmagd namens Maria Paltschikowa unterrichtete ihn im Klavierspiel. Noch immer streiten Gelehrte darüber, wo sie Klavierspielen gelernt hatte, ob sie es sich selbst beigebracht oder ob ihre Herrin ihr Potenzial erkannt und ihren Unterricht finanziert hatte. 

Ein Jurastudium und eine Leidenschaft für die Bühne 

Als Tschaikowski zehn Jahre alt war, zogen er und seine Mutter nach St. Petersburg, wo er sich bald an der kaiserlichen Rechtsschule einschrieb.

Der junge Peter wurde ins Theater mitgenommen, in das er sich sofort verliebte. Dort hörte er erstmals, wie sich ein großes Orchester anhört.

Sein Vater engagierte den aus Deutschland stammenden Rudolph Kündinger als privaten Klavierlehrer für ihn. Kündinger nahm ihn häufig mit zu Konzerten. Doch er glaubte nicht daran, dass Peter musikalisches Talent hatte, wie er dessen Vater erklärte. 

Nach seinem Abschluss an der juristischen Fakultät trat Peter in die Dienste des Justizministeriums, doch seine Leidenschaft für das Theater blieb bestehen. Sein Vater ließ sich von Kündingers Einschätzung zu Peters Potenzial nicht beeindrucken. Er schlug ihm vor, er solle eine musikalische Ausbildung erhalten. Und so schrieb sich Tschaikowski im Alter von 21 Jahren am St. Petersburger Konservatorium ein und studierte Komposition. 

Erste Werke und Armut 

1865 wurde eine von Tschaikowskis Kompositionen, die „Charaktertänze“ (später bekannt als „Tänze und Landmädchen“) zum ersten Mal öffentlich aufgeführt. Niemand geringeres als Johann Strauss II. dirigierte.

Tschaikowskis Werk kam gut an. Im Anschluss führte das Konservatoriumsorchester im Michailowskiw-Palast eine seiner Ouvertüren für die kaiserliche Familie auf. Diesmal dirigierte Tschaikowski selbst. 

Doch trotz dieser Fortschritte blieb ihm der große Durchbruch versagt. Tschaikowski quittierte den Dienst im Ministerium, um sich ganz auf die Musik zu konzentrieren. Er hatte nun jedoch kein festes Einkommen mehr.

Die Biografin Nina Berberowa schrieb dazu: „Es war kein Geld da, er hatte Schulden… Das Komponieren brachte nichts ein und manchmal schien es nur eine Lösung zu geben: zurück zum Ministerium.”

Sollte er wirklich dorthin zurückkehren? Erschwerend kam noch hinzu, dass Peter inzwischen alleine in St. Petersburg lebte. Die Familie war zurück im Ural. 

Tolstoi und die Tränen 

Tschaikowski schloss im darauffolgenden Jahr das Konservatorium ab und erhielt eine Einladung, am Moskauer Konservatorium zu unterrichten. Dort kam auch der Erfolg.

Es gibt eine amüsante Geschichte über eine Aufführung von Tschaikowskis Werken, die eigens für Leo Tolstoi organisiert worden war. Der Portier erkannte den großen Schriftsteller nicht, denn dieser trug Walenki(Filzstiefel). Jemand beobachtete die Szene und konnte das Missverständnis aufklären.

Tolstoi saß in der ersten Reihe und war zu Tränen gerührt von der Musik des jungen Komponisten. 

Ruhm und ein neuer Lebensstil 

In den 1870er Jahren schrieb Tschaikowski eines seiner bekanntesten Ballettstücke, den „Schwanensee”. Die Oper „Eugen Onegin” brachte ihm endlich echte Anerkennung. Sie wurde auf der Bühne des kaiserlichen Mariinski-Theaters in St. Petersburg uraufgeführt.

Der Lebensstil des Komponisten änderte sich. Er begann, sich in der High Society zu bewegen und verbrachte Zeit mit Mitgliedern der Zarenfamilie. Oft saß er in der kaiserlichen Loge des Theaters, wo er auch Zar Alexander III. kennenlernte. Dieser übernahm später die Beerdigungskosten von Tschaikowski. 

Der Komponist reiste oft ins Ausland, auch zu Uraufführungen seiner eigenen Werke. Er besuchte sogar die USA und trat bei der Eröffnung der Carnegie Hall in New York auf. Trotz all dieses Erfolgs hatte Tschaikowski noch immer kein eigenes Zuhause. Er übernachtete bei Freunden oder in Hotels.  

Erschöpft vom Lebensstil eines ewigen Reisenden mietete Tschaikowsky in den letzten zwei Jahren seines Lebens ein Haus in Klin, einer ruhigen Stadt außerhalb Moskaus. Heute ist das Haus ein Museum, das dem Komponisten gewidmet ist. Tschaikowski starb ziemlich überraschend. Er war an Cholera erkrankt. 

Heirat und Homosexualität 

Tschaikowski war in seinem Privatleben nicht besonders glücklich. 1877 heiratete er Antonina Miljukowa, eine Musikstudentin am Moskauer Konservatorium. Sie trennten sich nach wenigen Wochen.

Gleichzeitig lebte Tschaikowski offen homosexuell. Es wird vermutet, dass er seine ersten sexuellen Erfahrungen in jüngeren Jahren in der Privatschule gemacht hat. Später war er in mehrere Skandale verwickelt, weil er in Begleitung minderjähriger Jungen gesehen wurde.

Nach seinem Tod gab es Gerüchte, dass der Komponist aus Angst wegen seiner Homosexualität strafrechtlich verfolgt zu werden, Selbstmord begangen habe. Doch Biographen widerlegen dies.

Während der Sowjetzeit wurde Tschaikowskis Homosexualität vertuscht, nicht einmal Wissenschaftler durften davon wissen, denn in der Sowjetunion war Homosexualität verboten und der berühmteste Komponist des Landes durfte kein Gesetzesbrecher sein. In Russland wurde dieser Aspekt von Tschaikowskis Privatleben erst vor relativ kurzer Zeit diskutiert, als eine Filmbiographie über ihn gedreht wurde.  

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