Meisterwerke der Filmgeschichte: Die fünf besten sowjetischen Stummfilme

Kultur
JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Ob exzentrisches Science-Fiction-Werk oder avantgardistisches Revolutionsdrama: Diese frühen sowjetischen Filme haben auch international Kinogeschichte geschrieben.

1. Aelita (1924), Jakow Protasanow 

Als extravaganter Science-Fiction-Film über eine Mission in den Weltraum und interplanetare Kriege war „Aelita“ 1924 seiner Zeit weit voraus. In dieser losen Adaption von Aleksei Tolstois gleichnamigem Roman sind lebendige Szenen des Alltags in Moskau in den ersten Jahren der sowjetischen Wirtschaftsreformen eng mit Science-Fiction-Szenen über einen Flug zum Mars und einer Begegnung mit dem Herrscher des Roten Planeten, Aelita, verbunden. Wie vom revolutionären Kino zu erwarten, dreht sich einer der Handlungsstränge um einen versuchten Aufstand eines „proletarischen“ Teils der Marsbevölkerung gegen ihre Unterdrücker.

Während sowjetische Filmkritiker Protasanows künstlerischen Mut nicht zu würdigen wussten, erkannte die weltweite Filmemachergemeinschaft „Aelita“ einstimmig als Klassiker an.

2. Panzerkreuzer Potemkin (1925), Sergei Eisenstein

Juni 1905 im Russischen Reich: Seeleute auf einem Schlachtschiff der Schwarzmeerflotte proben den Aufstand. Ihnen wurde eine mit verdorbenem Fleisch zubereitete Suppe serviert und als sie sich weigerten, sie zu essen, wurden ihre Anführer zum Tode verurteilt. Aus dem Aufstand gegen die verdorbene Suppe wird rasch der Aufstand gegen den Imperialismus und der Panzerkreuzer schert aus dem Geschwader aus. Er verweigert der kaiserlichen Marine den Dienst. 

Eisensteins Film, der auf realen Ereignissen basierte, ist zu einem der am häufigsten zitierten Filme aller Zeiten geworden. Das Meisterwerk, das der damals 27-jährige Eisenstein zum 20. Jahrestag der ersten russischen Revolution geschaffen hatte, erwies sich selbst als revolutionär.

Nach seiner sensationellen ersten Vorführung im Bolschoi-Theater katapultierte dieser Film die Sowjetunion sofort in die Liga der führenden Filmnationen.

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3. Die Mutter (1927), Wsewolod Pudowkin 

Als Neuling in der Welt des Kinos sah Pudowkin die Entwicklung dieser Kunstform ganz anders als die meisten seiner ehrwürdigen Zeitgenossen. 1927 inszenierte er „Die Mutter“ nach dem Roman von Maxim Gorki, einem Drama über einen proletarischen Aufstand und die Geschichte einer Familie. Pudwokin setzt dabei auf eindrucksvolle Bildmetaphern. 

1978 stuften Filmkritiker „Die Mutter“ als Nummer 3 auf der Liste der 100 besten Filme in der Geschichte der Kinematographie ein.

4. Der Mann mit der Kamera (1929), Dsiga Wertow 

Als der Film vor 90 Jahren herauskam, wurde er von den Kritikern zerrissen und von der Öffentlichkeit abgelehnt, die ihn schockierend fand. Tatsächlich war jeder von Wertows Filmen zu dieser Zeit ein Versuch, das traditionelle Kino zu „töten“ und eine neue „Optik“ zu schaffen. Sein Dokumentarfilm „Der Mann mit der Kamera“ wurde zum Höhepunkt dieser Experimente.

Die stille Zusammenstellung von Szenen aus dem Stadtleben eines gewöhnlichen Menschen in der UdSSR, von denen einige nur eine Sekunde dauern, demonstrierte die gesamte Bandbreite von Wertows künstlerischer Suche nach einer neuen Filmsprache - von Zeitlupe bis Doppelbelichtung. Mit der Zeit hat sich dieser Film zu einer Art Manifest und praktischem Leitfaden für Filmemacher auf der ganzen Welt entwickelt.

5. Erde (1930), Alexander Dowschenko 

„Erde“ ist der erste sowjetische Film über die Kollektivierung. An der Oberfläche wird seine Handlung von einem Klassenkonflikt zwischen den Kulaken (wohlhabenden Bauern) und den Armen angetrieben, aber im Grunde basiert sie auf einem kolossalen Wandel in der Weltordnung: dem Übergang von einer landwirtschaftlichen Gemeinschaft zur Industrialisierung.

Ein gewöhnliches sowjetisches Dorf bekommt seinen ersten Traktor, der eine symbolische Grenze zwischen privatem und kollektivem Land pflügt, während das Dorf selbst, das sich seit Jahrzehnten nicht verändert hat, eine Reihe dramatischer Ereignisse durchlebt.

Für Dowschenko wie für viele seiner Zeitgenossen war die Revolution ein erhebendes Ereignis, ein Ausgangspunkt für längst überfällige Veränderungen. Deshalb ist sein Film voller Ablehnung von Symbolen der Vergangenheit, einschließlich der traditionellen Religion. Aber selbst sein ideologischer Eifer schützte „Erde“ nicht vor Kritik im eigenen Land.  

Die Vollversion des Films wurde erst 40 Jahre später veröffentlicht: alles wegen des Naturalismus, den die sowjetische Zensur für inakzeptabel hielt. Zum Beispiel füllen Bauern in einer Szene den Tank des Traktors mit ihrem Urin und „erheben“ ihn so durch ein „heidnisches Ritual“ zum Status eines Viehs, während in einer anderen Szene eine nackte Braut um ihren ermordeten Bräutigam trauert. Im Westen wurde der Film jedoch als einer der poetischsten in der Geschichte des Kinos gewürdigt. 

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