Drei jüdische Schriftsteller, die in Konflikt mit dem Sowjetsystem gerieten

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Jüdische Autoren wurden von Stalin unbarmherzig verfolgt. Sie durchlebten die Hölle. Erst Jahrzehnte später wurden sie offiziell als Teil der russischen Kultur anerkannt.

Isaac Babel (1894-1940)

Als Kind überlebte Babel (geb. Bobel) das Pogrom von 1905 in Odessa. Sein Großvater wurde ermordet. „Ich habe meine Nationalität nicht gewählt. Ich bin Jude. Manchmal habe ich das Gefühl, alles verstehen zu können. Aber eine Sache, die ich nie verstehen werde, ist der Grund für diese pure Boshaftigkeit, die so beiläufig als Antisemitismus bezeichnet wird“, zitiert ihn der sowjetische Schriftsteller Konstantin Paustowski.

Er begrüßte die Revolution von 1917 mit einer Mischung aus Hoffnung und Vorsicht. Leider hörte die Judenverfolgung nach der Revolution nicht auf. Im Gegenteil, die Dinge wendeten sich zum Schlechten. Das Judentum wurde verboten, Synagogen wurden abgerissen, der Antisemitismus lebte und wütete.  

Der bevorstehende Untergang der jüdischen Kultur und des Judentums war das Hauptthema von Babels berühmter Sammlung von Geschichten mit dem Titel „Roter Kalvarienberg“. Der sowjetische Literaturkritiker Wiktor Schklowski bemerkte treffend, dass Babel „Russland so sah, wie es nur ein französischer Schriftsteller der Napoleon-Armee sehen konnte.“

Als Semjon Budjonnys berüchtigte Kavallerie gegen die polnische Armee Krieg führte, inszenierten beide Seiten Pogrome, beraubten, vergewaltigten und töteten die jüdische Bevölkerung Galiziens, genau wie es die Kosaken vor ihnen getan hatten. Wie immer sind Babels Beschreibungen präzise und entwaffnend.

Sein eigenes Leben endete ebenso grausam und brutal wie seine lakonischen Kurzgeschichten. Er wurde verhaftet und in einem Moskauer Gefängnis hingerichtet. Der Schriftsteller wurde nur 45 Jahre alt. Sein gesamtes Archiv (Manuskripte unvollendeter Werke, Theaterstücke, Notizen, Briefe, Fotografien) wurde beschlagnahmt und vernichtet.

Ilja Ehrenburg (1891 – 1967)

Ilja Ehrenburg verbrachte seine Jugend in Paris, wo er mit Pablo Picasso, Paul Eluard und Louis Aragon befreundet war. Trotz seiner hochfliegenden Rhetorik war er eine umstrittene Figur in der sowjetischen Literaturszene. Er erfand den sowjetischen Picaresque-Roman der 1920-1930er Jahre und begann, satirische Prosa mit biblischen Anspielungen anzureichern.

Bereits 1921 sagte er den Holocaust voraus und prognostizierte, dass „in absehbarer Zukunft“ die „feierliche Auslöschung des jüdischen Volkes in Budapest, Kiew, Algier und vielen anderen Orten“ stattfinden würde. Ehrenburg selbst gelang es, Stalins antisemitische Ära zu überstehen, während seine jüdischen Kollegen und Freunde Isaac Babel, Ossip Mandelstam und Solomon Michoels dem totalitären Regime zum Opfer fielen und hingerichtet wurden.

Ehrenburg, der Autor von „Gebete für Russland“, einer Sammlung von anti-bolschewistischen Gedichten, die unmittelbar nach der Revolution verfasst wurden, wurde schließlich ein überzeugter sowjetischer Schriftsteller, der die stalinistische Propaganda stillschweigend unterstützte und 1942 den höchsten Preis der damaligen Zeit, den Stalin-Preis, überreicht bekam. 

Und doch war Ehrenburg nicht nur ein egoistischer Opportunist. Er tat, was er konnte, wenn der Moment richtig war. Während des Zweiten Weltkriegs war Ehrenburg Korrespondent der Zeitung „Krasnaja Swesda“ (Roter Stern) der sowjetischen Armee und hielt die nationale Moral mitten im Geschehen aufrecht. Seine Artikel waren so beliebt, dass Armeekommandanten Soldaten untersagten, alte Zeitungen mit Ehrenburgs Veröffentlichungen zum Anzünden oder Herstellen von handgerollten Zigaretten zu verwenden.

Ehrenburg wurde auch in das jüdische antifaschistische Komitee berufen und sammelte herzzerreißende Zeugnisse von sowjetischen Juden, die die Besetzung durch die Nazis überlebten. Ehrenburg hasste den Faschismus wie die Sünde.

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Wassili Grossman (1905-1964)

In Grossmans Romanen ist das zentrale antifaschistische Thema eng mit dem Kampf der Juden gegen den Nationalsozialismus und der Tragödie des jüdischen Volkes verbunden.

Wassili (geb. Iosif) Grossman war während des Zweiten Weltkriegs Kriegsreporter gewesen und gehörte zu den Ersten, die die Gräueltaten der Nazis gegenüber den Juden enthüllten. Er besuchte seine ukrainische Heimatstadt Berdytschiw, wo seine Mutter, eine Französischlehrerin, unter nationalsozialistischer Besatzung brutal getötet worden war.

Sein nächster beeindruckender Artikel, „Die Hölle von Treblinka“, wurde 1944 veröffentlicht und später als Beweismittel in den Nürnberger Prozessen verwendet. Der Autor hat lange als investigativer Journalist daran gearbeitet und so viele Informationen wie möglich gesammelt. Es war der erste Artikel, der jemals über ein Nazi-Lager geschrieben wurde. Grossman beschrieb die Schrecken von Hitlers Tötungsmaschine im besetzten Polen bis ins kleinste Detail.

Bereits 1942, mitten in der epischen Wolga-Schlacht, die den deutschen Vormarsch in die Sowjetunion stoppte, konzipierte Grossman einen Roman, der „Stalingrad“ heißen sollte. Der Schriftsteller erlebte nicht nur den größten Kampf mit eigenen Augen, sondern schrieb auch eine Reihe von Berichten aus erster Hand darüber.

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